Kleidung, ein Rock, der bis an die Schienbeine reichte. Diese waren von anderem Holz als die übrige Figur und so künstlich mit den Knieen verbunden, daß man nur bei genauer Betrachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße standen auf der Erde und hatten unter dem Boden ihr Fuß- gestell. Das Ganze war riesenhaft, weit über menschliche Größe hinaus. Endlich Triglaff hatte drei Köpfe; er war von Menschengröße; seine drei Köpfe waren versilbert und ein gol- dener Bund verhüllte Augen und Lippen.
Diese Götter hatten überall im Lande ihre Tempel, nicht nur in Städten und Dörfern, sondern auch in unbewohnten Vesten, sogenannten "Burgwällen", und zwar auf Hügeln und Klippen, in Seen und Wäldern. Wahrscheinlich hatte jeder "Gau", deren es im Lande zwischen Elbe und Oder etwa 45 gab (eine Anzahl derselben habe ich Eingangs aufgezählt), einen Haupttempel, ähnlich wie es in späterer christlicher Zeit in jedem größeren Distrikt eine Bischofskirche, einen Dom, ein Kloster gab. Dieser Haupttempel konnte in einer Stadt sein, aber auch eben so gut in einem "Burgwall", der dann nur den Tempel umschloß und etwa einem Berge mit einer berühmten Wallfahrts- kirche entsprach. In Julin, Wolgast, Gützkow, Stettin, Mal- chow, Ploen, Jüterbock und Brandenburg werden solche Städte- Tempel eigens erwähnt; unzweifelhaft aber gab es deren an weit mehr Orten als an den vorstehend genannten.
Kleidung, ein Rock, der bis an die Schienbeine reichte. Dieſe waren von anderem Holz als die übrige Figur und ſo künſtlich mit den Knieen verbunden, daß man nur bei genauer Betrachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße ſtanden auf der Erde und hatten unter dem Boden ihr Fuß- geſtell. Das Ganze war rieſenhaft, weit über menſchliche Größe hinaus. Endlich Triglaff hatte drei Köpfe; er war von Menſchengröße; ſeine drei Köpfe waren verſilbert und ein gol- dener Bund verhüllte Augen und Lippen.
Dieſe Götter hatten überall im Lande ihre Tempel, nicht nur in Städten und Dörfern, ſondern auch in unbewohnten Veſten, ſogenannten „Burgwällen“, und zwar auf Hügeln und Klippen, in Seen und Wäldern. Wahrſcheinlich hatte jeder „Gau“, deren es im Lande zwiſchen Elbe und Oder etwa 45 gab (eine Anzahl derſelben habe ich Eingangs aufgezählt), einen Haupttempel, ähnlich wie es in ſpäterer chriſtlicher Zeit in jedem größeren Diſtrikt eine Biſchofskirche, einen Dom, ein Kloſter gab. Dieſer Haupttempel konnte in einer Stadt ſein, aber auch eben ſo gut in einem „Burgwall“, der dann nur den Tempel umſchloß und etwa einem Berge mit einer berühmten Wallfahrts- kirche entſprach. In Julin, Wolgaſt, Gützkow, Stettin, Mal- chow, Ploen, Jüterbock und Brandenburg werden ſolche Städte- Tempel eigens erwähnt; unzweifelhaft aber gab es deren an weit mehr Orten als an den vorſtehend genannten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0042"n="24"/>
Kleidung, ein Rock, der bis an die Schienbeine reichte. Dieſe<lb/>
waren von anderem Holz als die übrige Figur und ſo<lb/>
künſtlich mit den Knieen verbunden, daß man nur bei<lb/>
genauer Betrachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße<lb/>ſtanden auf der Erde und hatten <hirendition="#g">unter</hi> dem Boden ihr Fuß-<lb/>
geſtell. Das Ganze war rieſenhaft, weit über menſchliche Größe<lb/>
hinaus. Endlich <hirendition="#g">Triglaff</hi> hatte drei Köpfe; er war von<lb/>
Menſchengröße; ſeine drei Köpfe waren verſilbert und ein gol-<lb/>
dener Bund verhüllte Augen und Lippen.</p><lb/><p>Dieſe Götter hatten überall im Lande ihre Tempel, nicht<lb/>
nur in Städten und Dörfern, ſondern auch in unbewohnten<lb/>
Veſten, ſogenannten „Burgwällen“, und zwar auf Hügeln und<lb/>
Klippen, in Seen und Wäldern. Wahrſcheinlich hatte jeder<lb/>„Gau“, deren es im Lande zwiſchen Elbe und Oder etwa 45<lb/>
gab (eine Anzahl derſelben habe ich Eingangs aufgezählt), einen<lb/>
Haupttempel, ähnlich wie es in ſpäterer chriſtlicher Zeit in jedem<lb/>
größeren Diſtrikt eine Biſchofskirche, einen Dom, ein Kloſter<lb/>
gab. Dieſer Haupttempel konnte in einer Stadt ſein, aber auch<lb/>
eben ſo gut in einem „Burgwall“, der dann nur den Tempel<lb/>
umſchloß und etwa einem Berge mit einer berühmten Wallfahrts-<lb/>
kirche entſprach. In Julin, Wolgaſt, Gützkow, Stettin, Mal-<lb/>
chow, Ploen, Jüterbock und Brandenburg werden ſolche Städte-<lb/>
Tempel eigens erwähnt; unzweifelhaft aber gab es deren an<lb/>
weit mehr Orten als an den vorſtehend genannten.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[24/0042]
Kleidung, ein Rock, der bis an die Schienbeine reichte. Dieſe
waren von anderem Holz als die übrige Figur und ſo
künſtlich mit den Knieen verbunden, daß man nur bei
genauer Betrachtung die Fugen wahrnehmen konnte. Die Füße
ſtanden auf der Erde und hatten unter dem Boden ihr Fuß-
geſtell. Das Ganze war rieſenhaft, weit über menſchliche Größe
hinaus. Endlich Triglaff hatte drei Köpfe; er war von
Menſchengröße; ſeine drei Köpfe waren verſilbert und ein gol-
dener Bund verhüllte Augen und Lippen.
Dieſe Götter hatten überall im Lande ihre Tempel, nicht
nur in Städten und Dörfern, ſondern auch in unbewohnten
Veſten, ſogenannten „Burgwällen“, und zwar auf Hügeln und
Klippen, in Seen und Wäldern. Wahrſcheinlich hatte jeder
„Gau“, deren es im Lande zwiſchen Elbe und Oder etwa 45
gab (eine Anzahl derſelben habe ich Eingangs aufgezählt), einen
Haupttempel, ähnlich wie es in ſpäterer chriſtlicher Zeit in jedem
größeren Diſtrikt eine Biſchofskirche, einen Dom, ein Kloſter
gab. Dieſer Haupttempel konnte in einer Stadt ſein, aber auch
eben ſo gut in einem „Burgwall“, der dann nur den Tempel
umſchloß und etwa einem Berge mit einer berühmten Wallfahrts-
kirche entſprach. In Julin, Wolgaſt, Gützkow, Stettin, Mal-
chow, Ploen, Jüterbock und Brandenburg werden ſolche Städte-
Tempel eigens erwähnt; unzweifelhaft aber gab es deren an
weit mehr Orten als an den vorſtehend genannten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/42>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.