Toga, von preußischem Militarismus und klassischem Idealis- mus ansehen kann. Die Seele griechisch, der Geist altenfritzig, der Charakter märkisch; -- dem Charakter entsprach dann meist auch die äußere Erscheinung. Das Eigenthümliche dieser Schadow- Typen (sie sterben aus) war, daß sich die Züge und Gegensätze ihres Charakters nebeneinander in Gleichkraft erhielten, während beispielsweise bei Schinkel und Winkelmann das Grie- chische über das Märkische beinah vollständig siegte. Bei Hensel blieb alles in Balance, keines dieser heterogenen Elemente drückte oder beherrschte das andere, und die Neu-Uniformirung eines Garde-Regiments, oder ein Witzwort des Professor Gans interessirten ihn ebenso lebhaft wie der Ankauf eines Raphael.
Seine Begabung, wir sprachen es schon aus, war eine eminent gesellschaftliche, auch auf Gebieten, die zunächst ohne allen Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Leben zu sein schienen. Er excellirte am Festtisch, war ein immer gern- gesehener Gast, heiter, gesprächig, jedem Scherze zugeneigt, dabei voll jenes feinen Ehrgefühls, das, indem es selber die Grenzlinie wahrt, die Linie des Schicklichen stillschweigend auch von anderen gewahrt zu wissen verlangt. So schrieb er, als er bei einer bestimmten Gelegenheit sich verletzt glaubte, folgende schöne Worte an Graf B.:
"Gesellige Demüthigungen sind das verletzendste, was es giebt! Du weißt, daß ich Standes-Unterschiede ehre und liebe, ihnen auch gern die äußere Anerkennung zolle, allein der Höhere, der mich durch Annäherung ehrt, muß auch die Ueberzeugung fühlen, daß ich meine eigene unantastbare Ehre habe. Nur diesem festen Gang meiner Lebens, nie andringend aber auch nie schmiegsam zurückweichend, habe ich wohl das reiche Maß von Huld und Güte zu danken, welches mir bisher geworden ist. Und wie ich war, werde ich bleiben."
Er war heiter und gesprächig, so sagten wir; die Anek- dote, der Toast, der Versebrief, das Gelegenheitsgedicht, -- alles war ihm unterthan. Seine eigentlichste Meisterschaft aber, zugleich seine vollste Eigenart, zeigte er auf dem Gebiete des
Toga, von preußiſchem Militarismus und klaſſiſchem Idealis- mus anſehen kann. Die Seele griechiſch, der Geiſt altenfritzig, der Charakter märkiſch; — dem Charakter entſprach dann meiſt auch die äußere Erſcheinung. Das Eigenthümliche dieſer Schadow- Typen (ſie ſterben aus) war, daß ſich die Züge und Gegenſätze ihres Charakters nebeneinander in Gleichkraft erhielten, während beiſpielsweiſe bei Schinkel und Winkelmann das Grie- chiſche über das Märkiſche beinah vollſtändig ſiegte. Bei Henſel blieb alles in Balance, keines dieſer heterogenen Elemente drückte oder beherrſchte das andere, und die Neu-Uniformirung eines Garde-Regiments, oder ein Witzwort des Profeſſor Gans intereſſirten ihn ebenſo lebhaft wie der Ankauf eines Raphael.
Seine Begabung, wir ſprachen es ſchon aus, war eine eminent geſellſchaftliche, auch auf Gebieten, die zunächſt ohne allen Zuſammenhang mit dem geſellſchaftlichen Leben zu ſein ſchienen. Er excellirte am Feſttiſch, war ein immer gern- geſehener Gaſt, heiter, geſprächig, jedem Scherze zugeneigt, dabei voll jenes feinen Ehrgefühls, das, indem es ſelber die Grenzlinie wahrt, die Linie des Schicklichen ſtillſchweigend auch von anderen gewahrt zu wiſſen verlangt. So ſchrieb er, als er bei einer beſtimmten Gelegenheit ſich verletzt glaubte, folgende ſchöne Worte an Graf B.:
„Geſellige Demüthigungen ſind das verletzendſte, was es giebt! Du weißt, daß ich Standes-Unterſchiede ehre und liebe, ihnen auch gern die äußere Anerkennung zolle, allein der Höhere, der mich durch Annäherung ehrt, muß auch die Ueberzeugung fühlen, daß ich meine eigene unantaſtbare Ehre habe. Nur dieſem feſten Gang meiner Lebens, nie andringend aber auch nie ſchmiegſam zurückweichend, habe ich wohl das reiche Maß von Huld und Güte zu danken, welches mir bisher geworden iſt. Und wie ich war, werde ich bleiben.“
Er war heiter und geſprächig, ſo ſagten wir; die Anek- dote, der Toaſt, der Verſebrief, das Gelegenheitsgedicht, — alles war ihm unterthan. Seine eigentlichſte Meiſterſchaft aber, zugleich ſeine vollſte Eigenart, zeigte er auf dem Gebiete des
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Toga, von preußiſchem Militarismus und klaſſiſchem Idealis-
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der Charakter märkiſch; — dem Charakter entſprach dann meiſt
auch die äußere Erſcheinung. Das Eigenthümliche dieſer Schadow-
Typen (ſie ſterben aus) war, daß ſich die Züge und Gegenſätze
ihres Charakters nebeneinander in Gleichkraft erhielten,
während beiſpielsweiſe bei Schinkel und Winkelmann das Grie-
chiſche über das Märkiſche beinah vollſtändig ſiegte. Bei Henſel
blieb alles in Balance, keines dieſer heterogenen Elemente
drückte oder beherrſchte das andere, und die Neu-Uniformirung
eines Garde-Regiments, oder ein Witzwort des Profeſſor Gans
intereſſirten ihn ebenſo lebhaft wie der Ankauf eines Raphael.
Seine Begabung, wir ſprachen es ſchon aus, war eine
eminent geſellſchaftliche, auch auf Gebieten, die zunächſt
ohne allen Zuſammenhang mit dem geſellſchaftlichen Leben zu
ſein ſchienen. Er excellirte am Feſttiſch, war ein immer gern-
geſehener Gaſt, heiter, geſprächig, jedem Scherze zugeneigt,
dabei voll jenes feinen Ehrgefühls, das, indem es ſelber die
Grenzlinie wahrt, die Linie des Schicklichen ſtillſchweigend auch
von anderen gewahrt zu wiſſen verlangt. So ſchrieb er, als
er bei einer beſtimmten Gelegenheit ſich verletzt glaubte, folgende
ſchöne Worte an Graf B.:
„Geſellige Demüthigungen ſind das verletzendſte, was es
giebt! Du weißt, daß ich Standes-Unterſchiede ehre und
liebe, ihnen auch gern die äußere Anerkennung zolle, allein
der Höhere, der mich durch Annäherung ehrt, muß auch die
Ueberzeugung fühlen, daß ich meine eigene unantaſtbare Ehre
habe. Nur dieſem feſten Gang meiner Lebens, nie andringend
aber auch nie ſchmiegſam zurückweichend, habe ich wohl das
reiche Maß von Huld und Güte zu danken, welches mir bisher
geworden iſt. Und wie ich war, werde ich bleiben.“
Er war heiter und geſprächig, ſo ſagten wir; die Anek-
dote, der Toaſt, der Verſebrief, das Gelegenheitsgedicht, —
alles war ihm unterthan. Seine eigentlichſte Meiſterſchaft aber,
zugleich ſeine vollſte Eigenart, zeigte er auf dem Gebiete des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/410>, abgerufen am 24.11.2024.
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