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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Tableau eine so besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Zu
Füßen des Bildes heißt es:

Hier liegt begraben ohne Qual
Kuno v. Thümens ehlich Gemahl,
Die tugendsame Frau Anna gut
v. Schlabrendorff das edle Blut
Welche gegeben war von Gott
Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod.

Nun folgen Details, die wir insonderheit unseren Leserin-
nen lieber vorenthalten und aus denen wir nur ersehen, daß
Frau Anna, wie eine zweite Sarah, in ihrem 67. Jahre eines
Töchterleins genas.

Am ersten Jännertag es war,
Sie zählte 67 Jahr
Sei ihr gnädig Herr und Gott
Und helf auch uns aus aller Noth.

So wenig befriedigend diese Reime sein mögen, so treff-
lich ist das Bild, unter dem sie stehen. Es ist gute Lucas
Cranach'sche Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Gesetz-
gebung, eherne Schlange, Kreuzigung und Auferstehung dicht
neben einander stellend, giebt es auf engem Raum den Haupt-
inhalt der christlichen Heilslehre.

Dies Bild, zum Gedächtniß Anna's v. Schlabrendorff, ist
wie das künstlerisch beste, so das interessanteste, was die Kirche
bietet; keineswegs aber ist die Reihe ihrer Sehenswürdigkeiten
und Erinnerungsstücke damit abgeschlossen. In einer Ecke, bei-
nahe unmittelbar über dem weiter oben von uns beschriebenen
Grabstein, hängen Schwert und Sporen*) eines längst heim-

*) Schwert und Sporen hingen früher dem herrschaftlichen
Chore gegenüber
, zu dem eine Treppe von außen hinaufführt.
Diese beiden Zufälligkeiten waren genug, um folgende Sage entstehen
zu lassen. "Da war mal ein Edelmann, der kümmerte sich nicht um
Gott und Menschen. Er dachte, er sei Herr über Alles. In seinem
Uebermuth ritt er in die Kirche, gleich die Treppe hinauf, die zu dem
Chor führt. Hier aber bäumte das Pferd und überschlug sich, so daß

Tableau eine ſo beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet wurde. Zu
Füßen des Bildes heißt es:

Hier liegt begraben ohne Qual
Kuno v. Thümens ehlich Gemahl,
Die tugendſame Frau Anna gut
v. Schlabrendorff das edle Blut
Welche gegeben war von Gott
Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod.

Nun folgen Details, die wir inſonderheit unſeren Leſerin-
nen lieber vorenthalten und aus denen wir nur erſehen, daß
Frau Anna, wie eine zweite Sarah, in ihrem 67. Jahre eines
Töchterleins genas.

Am erſten Jännertag es war,
Sie zählte 67 Jahr
Sei ihr gnädig Herr und Gott
Und helf auch uns aus aller Noth.

So wenig befriedigend dieſe Reime ſein mögen, ſo treff-
lich iſt das Bild, unter dem ſie ſtehen. Es iſt gute Lucas
Cranach’ſche Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Geſetz-
gebung, eherne Schlange, Kreuzigung und Auferſtehung dicht
neben einander ſtellend, giebt es auf engem Raum den Haupt-
inhalt der chriſtlichen Heilslehre.

Dies Bild, zum Gedächtniß Anna’s v. Schlabrendorff, iſt
wie das künſtleriſch beſte, ſo das intereſſanteſte, was die Kirche
bietet; keineswegs aber iſt die Reihe ihrer Sehenswürdigkeiten
und Erinnerungsſtücke damit abgeſchloſſen. In einer Ecke, bei-
nahe unmittelbar über dem weiter oben von uns beſchriebenen
Grabſtein, hängen Schwert und Sporen*) eines längſt heim-

*) Schwert und Sporen hingen früher dem herrſchaftlichen
Chore gegenüber
, zu dem eine Treppe von außen hinaufführt.
Dieſe beiden Zufälligkeiten waren genug, um folgende Sage entſtehen
zu laſſen. „Da war mal ein Edelmann, der kümmerte ſich nicht um
Gott und Menſchen. Er dachte, er ſei Herr über Alles. In ſeinem
Uebermuth ritt er in die Kirche, gleich die Treppe hinauf, die zu dem
Chor führt. Hier aber bäumte das Pferd und überſchlug ſich, ſo daß
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[377/0395] Tableau eine ſo beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet wurde. Zu Füßen des Bildes heißt es: Hier liegt begraben ohne Qual Kuno v. Thümens ehlich Gemahl, Die tugendſame Frau Anna gut v. Schlabrendorff das edle Blut Welche gegeben war von Gott Dem Kuno v. Thümen bis an den Tod. Nun folgen Details, die wir inſonderheit unſeren Leſerin- nen lieber vorenthalten und aus denen wir nur erſehen, daß Frau Anna, wie eine zweite Sarah, in ihrem 67. Jahre eines Töchterleins genas. Am erſten Jännertag es war, Sie zählte 67 Jahr Sei ihr gnädig Herr und Gott Und helf auch uns aus aller Noth. So wenig befriedigend dieſe Reime ſein mögen, ſo treff- lich iſt das Bild, unter dem ſie ſtehen. Es iſt gute Lucas Cranach’ſche Schule. Nach Sitte der Zeit Sündenfall, Geſetz- gebung, eherne Schlange, Kreuzigung und Auferſtehung dicht neben einander ſtellend, giebt es auf engem Raum den Haupt- inhalt der chriſtlichen Heilslehre. Dies Bild, zum Gedächtniß Anna’s v. Schlabrendorff, iſt wie das künſtleriſch beſte, ſo das intereſſanteſte, was die Kirche bietet; keineswegs aber iſt die Reihe ihrer Sehenswürdigkeiten und Erinnerungsſtücke damit abgeſchloſſen. In einer Ecke, bei- nahe unmittelbar über dem weiter oben von uns beſchriebenen Grabſtein, hängen Schwert und Sporen *) eines längſt heim- *) Schwert und Sporen hingen früher dem herrſchaftlichen Chore gegenüber, zu dem eine Treppe von außen hinaufführt. Dieſe beiden Zufälligkeiten waren genug, um folgende Sage entſtehen zu laſſen. „Da war mal ein Edelmann, der kümmerte ſich nicht um Gott und Menſchen. Er dachte, er ſei Herr über Alles. In ſeinem Uebermuth ritt er in die Kirche, gleich die Treppe hinauf, die zu dem Chor führt. Hier aber bäumte das Pferd und überſchlug ſich, ſo daß

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/395>, abgerufen am 24.11.2024.