lohn. So haben sie sich geschrieben hin und her, der Böse und der Herr Kreisdirector, und immer um die zwölfte Stunde war Ebel auf dem Kapellenberg. Und der Böse schrieb zuletzt: Der Herr Kreisdirector solle Alles haben, aber den Briefträger müsse er ihm geben und den Arm vom See, der die "Lancke" heißt. Das aber hat der Kreisdirector nicht gewollt, weil es Ebeln sein Leben und auch noch andere Menschenleben gekostet hätt'. Denn wenn der Böse erst den See-Arm gehabt hätt', so wäre Mancher mit'm Kahn verunglückt, oder im Winter auf'm Eis und hätte ertrinken müssen. Alle Jahr hätt' wenig- stens Einer 'ran gemußt. So ist denn die Braupfanne voll Geld nicht gehoben worden und liegt heute noch.
So die Sage. Wir kannten sie noch nicht, als wir oben waren, wir würden sonst den Bocksdornstrauch, den Schatzhüter über der Erde (den Vorposten, den der Schatzhüter da unten als Schildwacht ausgestellt hat) mit mehr Respect behandelt und minder rücksichtslos in seinem Gezweige umher gestampft haben. Neben dem Strauch, inmitten der Kapelle, war ein Ameisen- haufe und im Sonnenschein, der von oben hereinfiel, hasteten die Betriebsamen auf und nieder, in sprichwörtlichem Ameisen- fleiß. Es erschien uns wie ein Avis an alle müßigen Schatz- gräber, den Schatz da zu suchen, wo er liegt.
Als wir noch plauderten und nach einem Aussichtspunkt suchten, zogen Kirchgänger über den Berg. Sie kamen von Blankensee und gingen nach Hause. Der Gottesdienst war also aus und wir schritten wieder dem Dorfe zu, um nunmehr in die Kirche einzutreten. Unser freundlicher Begleiter verabschie- dete sich am Kirchhofsthor, muthmaßlich um uns nicht länger zu behindern, vielleicht auch aus sektirerischem Geist.
Das Innere des Gotteshauses schien im ersten Augenblick nichts zu bieten, das sich über den Durchschnitts-Inhalt alter Dorfkirchen erhoben hätte; bei näherer Betrachtung aber zeigte sich mancherlei von Interesse: ein Epitaphium, Grabsteine, Bil- der und Schildereien. Das Epitaphium galt einem alten "Kreis- hauptmann im sächsischen Kurkreise," Herrn Christian Wilhelm
lohn. So haben ſie ſich geſchrieben hin und her, der Böſe und der Herr Kreisdirector, und immer um die zwölfte Stunde war Ebel auf dem Kapellenberg. Und der Böſe ſchrieb zuletzt: Der Herr Kreisdirector ſolle Alles haben, aber den Briefträger müſſe er ihm geben und den Arm vom See, der die „Lancke“ heißt. Das aber hat der Kreisdirector nicht gewollt, weil es Ebeln ſein Leben und auch noch andere Menſchenleben gekoſtet hätt’. Denn wenn der Böſe erſt den See-Arm gehabt hätt’, ſo wäre Mancher mit’m Kahn verunglückt, oder im Winter auf’m Eis und hätte ertrinken müſſen. Alle Jahr hätt’ wenig- ſtens Einer ’ran gemußt. So iſt denn die Braupfanne voll Geld nicht gehoben worden und liegt heute noch.
So die Sage. Wir kannten ſie noch nicht, als wir oben waren, wir würden ſonſt den Bocksdornſtrauch, den Schatzhüter über der Erde (den Vorpoſten, den der Schatzhüter da unten als Schildwacht ausgeſtellt hat) mit mehr Reſpect behandelt und minder rückſichtslos in ſeinem Gezweige umher geſtampft haben. Neben dem Strauch, inmitten der Kapelle, war ein Ameiſen- haufe und im Sonnenſchein, der von oben hereinfiel, haſteten die Betriebſamen auf und nieder, in ſprichwörtlichem Ameiſen- fleiß. Es erſchien uns wie ein Avis an alle müßigen Schatz- gräber, den Schatz da zu ſuchen, wo er liegt.
Als wir noch plauderten und nach einem Ausſichtspunkt ſuchten, zogen Kirchgänger über den Berg. Sie kamen von Blankenſee und gingen nach Hauſe. Der Gottesdienſt war alſo aus und wir ſchritten wieder dem Dorfe zu, um nunmehr in die Kirche einzutreten. Unſer freundlicher Begleiter verabſchie- dete ſich am Kirchhofsthor, muthmaßlich um uns nicht länger zu behindern, vielleicht auch aus ſektireriſchem Geiſt.
Das Innere des Gotteshauſes ſchien im erſten Augenblick nichts zu bieten, das ſich über den Durchſchnitts-Inhalt alter Dorfkirchen erhoben hätte; bei näherer Betrachtung aber zeigte ſich mancherlei von Intereſſe: ein Epitaphium, Grabſteine, Bil- der und Schildereien. Das Epitaphium galt einem alten „Kreis- hauptmann im ſächſiſchen Kurkreiſe,“ Herrn Chriſtian Wilhelm
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lohn. So haben ſie ſich geſchrieben hin und her, der Böſe
und der Herr Kreisdirector, und immer um die zwölfte Stunde
war Ebel auf dem Kapellenberg. Und der Böſe ſchrieb zuletzt:
Der Herr Kreisdirector ſolle Alles haben, aber den Briefträger
müſſe er ihm geben und den Arm vom See, der die „Lancke“
heißt. Das aber hat der Kreisdirector nicht gewollt, weil es
Ebeln ſein Leben und auch noch andere Menſchenleben gekoſtet
hätt’. Denn wenn der Böſe erſt den See-Arm gehabt hätt’,
ſo wäre Mancher mit’m Kahn verunglückt, oder im Winter
auf’m Eis und hätte ertrinken müſſen. Alle Jahr hätt’ wenig-
ſtens Einer ’ran gemußt. So iſt denn die Braupfanne voll
Geld nicht gehoben worden und liegt heute noch.
So die Sage. Wir kannten ſie noch nicht, als wir oben
waren, wir würden ſonſt den Bocksdornſtrauch, den Schatzhüter
über der Erde (den Vorpoſten, den der Schatzhüter da unten
als Schildwacht ausgeſtellt hat) mit mehr Reſpect behandelt und
minder rückſichtslos in ſeinem Gezweige umher geſtampft haben.
Neben dem Strauch, inmitten der Kapelle, war ein Ameiſen-
haufe und im Sonnenſchein, der von oben hereinfiel, haſteten
die Betriebſamen auf und nieder, in ſprichwörtlichem Ameiſen-
fleiß. Es erſchien uns wie ein Avis an alle müßigen Schatz-
gräber, den Schatz da zu ſuchen, wo er liegt.
Als wir noch plauderten und nach einem Ausſichtspunkt
ſuchten, zogen Kirchgänger über den Berg. Sie kamen von
Blankenſee und gingen nach Hauſe. Der Gottesdienſt war alſo
aus und wir ſchritten wieder dem Dorfe zu, um nunmehr in
die Kirche einzutreten. Unſer freundlicher Begleiter verabſchie-
dete ſich am Kirchhofsthor, muthmaßlich um uns nicht länger
zu behindern, vielleicht auch aus ſektireriſchem Geiſt.
Das Innere des Gotteshauſes ſchien im erſten Augenblick
nichts zu bieten, das ſich über den Durchſchnitts-Inhalt alter
Dorfkirchen erhoben hätte; bei näherer Betrachtung aber zeigte
ſich mancherlei von Intereſſe: ein Epitaphium, Grabſteine, Bil-
der und Schildereien. Das Epitaphium galt einem alten „Kreis-
hauptmann im ſächſiſchen Kurkreiſe,“ Herrn Chriſtian Wilhelm
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/393>, abgerufen am 24.11.2024.
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