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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Chronisten nicht müde werden zu rühmen, "insonderheit auch
die großen Alande, die noch angenehmer sind als Zander."

Um Saarmund und seine Saare schwebt es anheimelnd
wie ein gefällig-romantischer Klang, aber die eigentliche Poe-
sie dieser Gegenden, die eben höher steht als der bloße Kling-
klang eines Namens, ist doch ächte alte Nuthen-Poesie. An
diesen alten Nuthewiesen, gleichviel nun ob im Sommer der
rothe Ampfer sie überblüht, oder ob im November die Krähen
über den graubraunen Rasen ziehen, haftet der tiefere Zauber
dieses Thals. Hier, in den Kolken am Flusse hin, war bis
vor Kurzem noch die Otter zu Hause und der Fischadler that
reichen Fang. Sagenhafte Gestalten, groß und hager, und an
Jahren weit über das Gedächtniß der ältesten Leute hinaus-
ragend, zogen mit ihrer Büchse über die tiefen Moore, wie
Schatten schritten sie im Nebel, der Regenvogel pfiff in langen
Pausen und das dumpfe Gurgeln der Rohrdommel klang vom
Flusse her.

So war das Nuthe-Thal, so ist es noch.

Zwei, drei Brücken haben wir zu passiren. Von der ersten
aus, deren hochgewölbte Balkenlage einen Blick nach rechts und
links gestattet, schweift unser Auge das Thal hinauf und hin-
unter. Tiefe Stille; nur Wiese und Wasser; kein Floß, kein
Kahn; nichts als das weiße Gewölk, das langsam ziehend, dem
langsamen Zuge des Wassers folgt.

Nichts Lebendes, -- und es kann nicht anders sein.
Wenn es wahr ist, daß man große Städte auf Meilen hin,
in beinah räthselvoller Weise vorausfühlt, so muß die Wirkung,
die Saarmund in die Ferne hinein übt, eben die der Oede und
Einsamkeit sein; denn man kann nur mittheilen, was man hat.
Und nichts Stilleres als Saarmund. Ueber eine zweite Brücke
hin rasselt unser Gefährt in die Stadt hinein: beschnittne Lin-
den vor den Thüren; über die Hof- und Gartenzäune strecken
Hollunderbäume die weißen Dolden; wenn dann und wann
eine Hausthür sich öffnet und der eigenthümliche Klapperton

Chroniſten nicht müde werden zu rühmen, „inſonderheit auch
die großen Alande, die noch angenehmer ſind als Zander.“

Um Saarmund und ſeine Saare ſchwebt es anheimelnd
wie ein gefällig-romantiſcher Klang, aber die eigentliche Poe-
ſie dieſer Gegenden, die eben höher ſteht als der bloße Kling-
klang eines Namens, iſt doch ächte alte Nuthen-Poeſie. An
dieſen alten Nuthewieſen, gleichviel nun ob im Sommer der
rothe Ampfer ſie überblüht, oder ob im November die Krähen
über den graubraunen Raſen ziehen, haftet der tiefere Zauber
dieſes Thals. Hier, in den Kolken am Fluſſe hin, war bis
vor Kurzem noch die Otter zu Hauſe und der Fiſchadler that
reichen Fang. Sagenhafte Geſtalten, groß und hager, und an
Jahren weit über das Gedächtniß der älteſten Leute hinaus-
ragend, zogen mit ihrer Büchſe über die tiefen Moore, wie
Schatten ſchritten ſie im Nebel, der Regenvogel pfiff in langen
Pauſen und das dumpfe Gurgeln der Rohrdommel klang vom
Fluſſe her.

So war das Nuthe-Thal, ſo iſt es noch.

Zwei, drei Brücken haben wir zu paſſiren. Von der erſten
aus, deren hochgewölbte Balkenlage einen Blick nach rechts und
links geſtattet, ſchweift unſer Auge das Thal hinauf und hin-
unter. Tiefe Stille; nur Wieſe und Waſſer; kein Floß, kein
Kahn; nichts als das weiße Gewölk, das langſam ziehend, dem
langſamen Zuge des Waſſers folgt.

Nichts Lebendes, — und es kann nicht anders ſein.
Wenn es wahr iſt, daß man große Städte auf Meilen hin,
in beinah räthſelvoller Weiſe vorausfühlt, ſo muß die Wirkung,
die Saarmund in die Ferne hinein übt, eben die der Oede und
Einſamkeit ſein; denn man kann nur mittheilen, was man hat.
Und nichts Stilleres als Saarmund. Ueber eine zweite Brücke
hin raſſelt unſer Gefährt in die Stadt hinein: beſchnittne Lin-
den vor den Thüren; über die Hof- und Gartenzäune ſtrecken
Hollunderbäume die weißen Dolden; wenn dann und wann
eine Hausthür ſich öffnet und der eigenthümliche Klapperton

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[366/0384] Chroniſten nicht müde werden zu rühmen, „inſonderheit auch die großen Alande, die noch angenehmer ſind als Zander.“ Um Saarmund und ſeine Saare ſchwebt es anheimelnd wie ein gefällig-romantiſcher Klang, aber die eigentliche Poe- ſie dieſer Gegenden, die eben höher ſteht als der bloße Kling- klang eines Namens, iſt doch ächte alte Nuthen-Poeſie. An dieſen alten Nuthewieſen, gleichviel nun ob im Sommer der rothe Ampfer ſie überblüht, oder ob im November die Krähen über den graubraunen Raſen ziehen, haftet der tiefere Zauber dieſes Thals. Hier, in den Kolken am Fluſſe hin, war bis vor Kurzem noch die Otter zu Hauſe und der Fiſchadler that reichen Fang. Sagenhafte Geſtalten, groß und hager, und an Jahren weit über das Gedächtniß der älteſten Leute hinaus- ragend, zogen mit ihrer Büchſe über die tiefen Moore, wie Schatten ſchritten ſie im Nebel, der Regenvogel pfiff in langen Pauſen und das dumpfe Gurgeln der Rohrdommel klang vom Fluſſe her. So war das Nuthe-Thal, ſo iſt es noch. Zwei, drei Brücken haben wir zu paſſiren. Von der erſten aus, deren hochgewölbte Balkenlage einen Blick nach rechts und links geſtattet, ſchweift unſer Auge das Thal hinauf und hin- unter. Tiefe Stille; nur Wieſe und Waſſer; kein Floß, kein Kahn; nichts als das weiße Gewölk, das langſam ziehend, dem langſamen Zuge des Waſſers folgt. Nichts Lebendes, — und es kann nicht anders ſein. Wenn es wahr iſt, daß man große Städte auf Meilen hin, in beinah räthſelvoller Weiſe vorausfühlt, ſo muß die Wirkung, die Saarmund in die Ferne hinein übt, eben die der Oede und Einſamkeit ſein; denn man kann nur mittheilen, was man hat. Und nichts Stilleres als Saarmund. Ueber eine zweite Brücke hin raſſelt unſer Gefährt in die Stadt hinein: beſchnittne Lin- den vor den Thüren; über die Hof- und Gartenzäune ſtrecken Hollunderbäume die weißen Dolden; wenn dann und wann eine Hausthür ſich öffnet und der eigenthümliche Klapperton

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/384>, abgerufen am 24.11.2024.