bewegten Leben, war hierher verschlagen worden. Die firme, unwandelbare Treue, die sonst auch äußerlich zu festigen pflegt und den Menschen da festhält, wohin Gott ihn stellte, dieselbe festhaltende Treue war für ihn die bewegende Kraft geworden, -- er hatte seine holsteinische Erde aufgegeben, als das Innerste aufgegeben werden sollte: Vaterlandsliebe, Rechtsgefühl, deutsche Gesinnung.
Ueber Pastor Brodersen, wie über so viele seiner Lands- leute, entschied der Tag von Idstedt. Er ließ das Pfarrhaus am Ploener See, er ließ die Heimath, die ihm geistig keine Heimath mehr war, und suchte eine andere Stätte, wo er in Treue gegen sich selbst, weiter wirken konnte. Und er fand solche Stätte, und eine so schöne und bezaubernde dazu, daß er den Ploener See hätte vergessen können, wenn Heimath nicht eben Heimath wäre. Eine kleine Pfarre bei Neuwied nahm ihn auf; der Rhein und die Lahn lagen vor ihm. Hier wirkte er 10 Jahre lang in Segen, bis aus diesem stillen, allem Welt- verkehr entrückten Gütergotz die Anfrage an ihn kam: ob er den Tausch wohl wolle. Die Nachbarschaft der Nuthe für die Ufer des Rheins! Er schwieg.
Als aber die Frage sich wiederholte, als der Brief betonte: wir sehen ab von jeder Probepredigt, von Präsentation und jeder formellen Empfehlung, da empfand Pastor Brodersen die- ses Vertrauen wie einen Ruf, dem er zu folgen habe. "Und da bin ich nun."
Und Sie bedauern es nicht?
Nein. Aller Anfang ist schwer. Das märkische Wesen war uns anfangs fremd. Aber wir anerkennen gern den tüch- tigen Kern.
Es lag kein Klageton in diesen Worten, aber all das was uns fehlt, und von dem ich empfinde, daß es uns fehlt, es stand wieder vor meiner Seele und die Worte, die ein märkischer Landsmann bei ähnlicher Gelegenheit einst gegen mich geäußert hatte, sie klangen mir wieder im Ohr: "es muß schwer sein," so etwa sprach er, "sich unter märkischen Naturen
bewegten Leben, war hierher verſchlagen worden. Die firme, unwandelbare Treue, die ſonſt auch äußerlich zu feſtigen pflegt und den Menſchen da feſthält, wohin Gott ihn ſtellte, dieſelbe feſthaltende Treue war für ihn die bewegende Kraft geworden, — er hatte ſeine holſteiniſche Erde aufgegeben, als das Innerſte aufgegeben werden ſollte: Vaterlandsliebe, Rechtsgefühl, deutſche Geſinnung.
Ueber Paſtor Broderſen, wie über ſo viele ſeiner Lands- leute, entſchied der Tag von Idſtedt. Er ließ das Pfarrhaus am Ploener See, er ließ die Heimath, die ihm geiſtig keine Heimath mehr war, und ſuchte eine andere Stätte, wo er in Treue gegen ſich ſelbſt, weiter wirken konnte. Und er fand ſolche Stätte, und eine ſo ſchöne und bezaubernde dazu, daß er den Ploener See hätte vergeſſen können, wenn Heimath nicht eben Heimath wäre. Eine kleine Pfarre bei Neuwied nahm ihn auf; der Rhein und die Lahn lagen vor ihm. Hier wirkte er 10 Jahre lang in Segen, bis aus dieſem ſtillen, allem Welt- verkehr entrückten Gütergotz die Anfrage an ihn kam: ob er den Tauſch wohl wolle. Die Nachbarſchaft der Nuthe für die Ufer des Rheins! Er ſchwieg.
Als aber die Frage ſich wiederholte, als der Brief betonte: wir ſehen ab von jeder Probepredigt, von Präſentation und jeder formellen Empfehlung, da empfand Paſtor Broderſen die- ſes Vertrauen wie einen Ruf, dem er zu folgen habe. „Und da bin ich nun.“
Und Sie bedauern es nicht?
Nein. Aller Anfang iſt ſchwer. Das märkiſche Weſen war uns anfangs fremd. Aber wir anerkennen gern den tüch- tigen Kern.
Es lag kein Klageton in dieſen Worten, aber all das was uns fehlt, und von dem ich empfinde, daß es uns fehlt, es ſtand wieder vor meiner Seele und die Worte, die ein märkiſcher Landsmann bei ähnlicher Gelegenheit einſt gegen mich geäußert hatte, ſie klangen mir wieder im Ohr: „es muß ſchwer ſein,“ ſo etwa ſprach er, „ſich unter märkiſchen Naturen
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und den Menſchen da feſthält, wohin Gott ihn ſtellte, dieſelbe
feſthaltende Treue war für ihn die bewegende Kraft geworden,
— er hatte ſeine holſteiniſche Erde aufgegeben, als das Innerſte
aufgegeben werden ſollte: Vaterlandsliebe, Rechtsgefühl, deutſche
Geſinnung.
Ueber Paſtor Broderſen, wie über ſo viele ſeiner Lands-
leute, entſchied der Tag von Idſtedt. Er ließ das Pfarrhaus
am Ploener See, er ließ die Heimath, die ihm geiſtig keine
Heimath mehr war, und ſuchte eine andere Stätte, wo er in
Treue gegen ſich ſelbſt, weiter wirken konnte. Und er fand
ſolche Stätte, und eine ſo ſchöne und bezaubernde dazu, daß
er den Ploener See hätte vergeſſen können, wenn Heimath nicht
eben Heimath wäre. Eine kleine Pfarre bei Neuwied nahm ihn
auf; der Rhein und die Lahn lagen vor ihm. Hier wirkte er
10 Jahre lang in Segen, bis aus dieſem ſtillen, allem Welt-
verkehr entrückten Gütergotz die Anfrage an ihn kam: ob er
den Tauſch wohl wolle. Die Nachbarſchaft der Nuthe für die
Ufer des Rheins! Er ſchwieg.
Als aber die Frage ſich wiederholte, als der Brief betonte:
wir ſehen ab von jeder Probepredigt, von Präſentation und
jeder formellen Empfehlung, da empfand Paſtor Broderſen die-
ſes Vertrauen wie einen Ruf, dem er zu folgen habe. „Und
da bin ich nun.“
Und Sie bedauern es nicht?
Nein. Aller Anfang iſt ſchwer. Das märkiſche Weſen
war uns anfangs fremd. Aber wir anerkennen gern den tüch-
tigen Kern.
Es lag kein Klageton in dieſen Worten, aber all das
was uns fehlt, und von dem ich empfinde, daß es uns fehlt,
es ſtand wieder vor meiner Seele und die Worte, die ein
märkiſcher Landsmann bei ähnlicher Gelegenheit einſt gegen mich
geäußert hatte, ſie klangen mir wieder im Ohr: „es muß
ſchwer ſein,“ ſo etwa ſprach er, „ſich unter märkiſchen Naturen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/379>, abgerufen am 24.11.2024.
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