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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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nächst stehenden hohen Pappeln beugten sich, Blätter, wie
Flocken, fielen auf uns nieder, die Chaussee herauf kam eine
Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin
rollte die erste Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob
wir erleben sollten, daß auch diese Stille täusche. Ueber-
all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger
Friede sei.

Einen Augenblick schwankten wir, ob wir von der Poesie
des Gegensatzes Nutzen ziehen und die sich öffnenden Schloß-
räume, die verblaßten Zeichen stillen Familienglücks, bei Ge-
witterschein in Augenschein nehmen sollten, aber das mahnende
Wort: "das kommt schwer herauf" gab uns doch zu denken,
und nachdem erst einmal gezweifelt und der "angebornen Farbe
der Entschließung" die bekannte Gedankenblässe angekränkelt
war, gaben wir's auf und nahmen die Einladung an, die uns
in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchste
Zeit; noch trafen uns die ersten großen Tropfen; kaum unter
Dach und das Schauspiel begann: Regen und Feuer fielen
vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu spät,
den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen
Stellen unter Wasser; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet
und eingewittert, mög' es immer so gastlich treffen, wie wir
im Gärtnerhause zu Paretz.

Ein Morgen kam, wie er nur nach solchem Abend kommt.
Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des
Schlosses sich wieder öffneten, schoß das Licht hinein und lief
wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunstige und Trüb-
selige, das sonst in solchen Räumen zu Hause ist, es war wie
ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles schien bereit; es war,
als solle das schöne königliche Paar, das hier vor siebenzig
Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder seinen Einzug
halten.

Und wenn es so wäre, sie würden die Stätte ihres
Glücks wenig verändert finden. Da sind noch dieselben Tape-
ten und Wandgemälde, dieselben kissenreichen, mit Zitz über-

nächſt ſtehenden hohen Pappeln beugten ſich, Blätter, wie
Flocken, fielen auf uns nieder, die Chauſſee herauf kam eine
Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin
rollte die erſte Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob
wir erleben ſollten, daß auch dieſe Stille täuſche. Ueber-
all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger
Friede ſei.

Einen Augenblick ſchwankten wir, ob wir von der Poeſie
des Gegenſatzes Nutzen ziehen und die ſich öffnenden Schloß-
räume, die verblaßten Zeichen ſtillen Familienglücks, bei Ge-
witterſchein in Augenſchein nehmen ſollten, aber das mahnende
Wort: „das kommt ſchwer herauf“ gab uns doch zu denken,
und nachdem erſt einmal gezweifelt und der „angebornen Farbe
der Entſchließung“ die bekannte Gedankenbläſſe angekränkelt
war, gaben wir’s auf und nahmen die Einladung an, die uns
in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchſte
Zeit; noch trafen uns die erſten großen Tropfen; kaum unter
Dach und das Schauſpiel begann: Regen und Feuer fielen
vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu ſpät,
den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen
Stellen unter Waſſer; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet
und eingewittert, mög’ es immer ſo gaſtlich treffen, wie wir
im Gärtnerhauſe zu Paretz.

Ein Morgen kam, wie er nur nach ſolchem Abend kommt.
Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des
Schloſſes ſich wieder öffneten, ſchoß das Licht hinein und lief
wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunſtige und Trüb-
ſelige, das ſonſt in ſolchen Räumen zu Hauſe iſt, es war wie
ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles ſchien bereit; es war,
als ſolle das ſchöne königliche Paar, das hier vor ſiebenzig
Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder ſeinen Einzug
halten.

Und wenn es ſo wäre, ſie würden die Stätte ihres
Glücks wenig verändert finden. Da ſind noch dieſelben Tape-
ten und Wandgemälde, dieſelben kiſſenreichen, mit Zitz über-

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[334/0352] nächſt ſtehenden hohen Pappeln beugten ſich, Blätter, wie Flocken, fielen auf uns nieder, die Chauſſee herauf kam eine Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin rollte die erſte Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob wir erleben ſollten, daß auch dieſe Stille täuſche. Ueber- all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger Friede ſei. Einen Augenblick ſchwankten wir, ob wir von der Poeſie des Gegenſatzes Nutzen ziehen und die ſich öffnenden Schloß- räume, die verblaßten Zeichen ſtillen Familienglücks, bei Ge- witterſchein in Augenſchein nehmen ſollten, aber das mahnende Wort: „das kommt ſchwer herauf“ gab uns doch zu denken, und nachdem erſt einmal gezweifelt und der „angebornen Farbe der Entſchließung“ die bekannte Gedankenbläſſe angekränkelt war, gaben wir’s auf und nahmen die Einladung an, die uns in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchſte Zeit; noch trafen uns die erſten großen Tropfen; kaum unter Dach und das Schauſpiel begann: Regen und Feuer fielen vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu ſpät, den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen Stellen unter Waſſer; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet und eingewittert, mög’ es immer ſo gaſtlich treffen, wie wir im Gärtnerhauſe zu Paretz. Ein Morgen kam, wie er nur nach ſolchem Abend kommt. Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des Schloſſes ſich wieder öffneten, ſchoß das Licht hinein und lief wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunſtige und Trüb- ſelige, das ſonſt in ſolchen Räumen zu Hauſe iſt, es war wie ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles ſchien bereit; es war, als ſolle das ſchöne königliche Paar, das hier vor ſiebenzig Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder ſeinen Einzug halten. Und wenn es ſo wäre, ſie würden die Stätte ihres Glücks wenig verändert finden. Da ſind noch dieſelben Tape- ten und Wandgemälde, dieſelben kiſſenreichen, mit Zitz über-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/352>, abgerufen am 24.11.2024.