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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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zeit für die königliche Dienerschaft, ebenso ein auf jedem Gehöft
erbauter Pferdestall für die herrschaftlichen Pferde reservirt
bleiben müsse. Seit 1797 war der Kronprinz König.

In diesem also umgeschaffenen Paretz, das bei Freunden
und Eingeweihten alsbald den schönen Namen "Schloß Still-
im-Land" empfing, erblühten dem Königspaare Tage glücklich-
sten Familienlebens. Die Familie und die Stille waren der
Zauber von Paretz.

Diesen Zauber empfand die Königin, die wir gewohnt
sind uns neben dem einsylbigen Gemahl als das gesprächigere,
den Zerstreuungen zugeneigtere Element zu denken, fast noch
lebhafter als dieser. Sie selbst äußerte sich darüber: "Ich muß
den Saiten meines Gemüths jeden Tag einige Stunden Ruhe
gönnen, um sie gleichsam wieder aufzuziehen, damit sie den
rechten Ton und Anklang behalten. Am besten gelingt mir dies
in der Einsamkeit; aber nicht im Zimmer, sondern in den stil-
len Schatten der Natur. Unterlaß ich das, so fühl' ich mich
verstimmt. O welch' ein Segen liegt doch im abgeschlossenen
Umgange mit uns selbst!"

Zu diesem "Umgange mit sich selbst" war nun "Schloß
Still-im-Land" der geeignetste Platz, keine Straße führte
vorüber, die Ruhe, wenn man sie haben wollte, war beinahe
unbedingt; aber man ließ sie gern durch die Heiterkeit des
Dorfes unterbrechen.

So wurde das Erntefest von Seiten des Hofes alljährlich
mitgefeiert. Wir finden darüber folgende Aufzeichnungen. "Das
Fest begann am frühen Nachmittag. Sobald die Herrschaften
sich von der Tafel erhoben hatten, setzten sich die festlich ange-
thanen Schnitter und Schnitterinnen vom Amte aus in Be-
wegung. Geschaart um ihr Feldbanner, den reichbebänderten
Kranz von Aehren und Blumen, marschirten sie nach dem
Takte der Dorfmusik auf's Schloß. Dort auf dem freien Platze
hielt der Zug und stellte sich im Halbkreis auf. Der königliche
Gutsherr trat heraus, hörte die an ihn gerichtete Rede der
Großmagd an und schickte die Sprecherin sodann mit der Ernte-

zeit für die königliche Dienerſchaft, ebenſo ein auf jedem Gehöft
erbauter Pferdeſtall für die herrſchaftlichen Pferde reſervirt
bleiben müſſe. Seit 1797 war der Kronprinz König.

In dieſem alſo umgeſchaffenen Paretz, das bei Freunden
und Eingeweihten alsbald den ſchönen Namen „Schloß Still-
im-Land“ empfing, erblühten dem Königspaare Tage glücklich-
ſten Familienlebens. Die Familie und die Stille waren der
Zauber von Paretz.

Dieſen Zauber empfand die Königin, die wir gewohnt
ſind uns neben dem einſylbigen Gemahl als das geſprächigere,
den Zerſtreuungen zugeneigtere Element zu denken, faſt noch
lebhafter als dieſer. Sie ſelbſt äußerte ſich darüber: „Ich muß
den Saiten meines Gemüths jeden Tag einige Stunden Ruhe
gönnen, um ſie gleichſam wieder aufzuziehen, damit ſie den
rechten Ton und Anklang behalten. Am beſten gelingt mir dies
in der Einſamkeit; aber nicht im Zimmer, ſondern in den ſtil-
len Schatten der Natur. Unterlaß ich das, ſo fühl’ ich mich
verſtimmt. O welch’ ein Segen liegt doch im abgeſchloſſenen
Umgange mit uns ſelbſt!“

Zu dieſem „Umgange mit ſich ſelbſt“ war nun „Schloß
Still-im-Land“ der geeignetſte Platz, keine Straße führte
vorüber, die Ruhe, wenn man ſie haben wollte, war beinahe
unbedingt; aber man ließ ſie gern durch die Heiterkeit des
Dorfes unterbrechen.

So wurde das Erntefeſt von Seiten des Hofes alljährlich
mitgefeiert. Wir finden darüber folgende Aufzeichnungen. „Das
Feſt begann am frühen Nachmittag. Sobald die Herrſchaften
ſich von der Tafel erhoben hatten, ſetzten ſich die feſtlich ange-
thanen Schnitter und Schnitterinnen vom Amte aus in Be-
wegung. Geſchaart um ihr Feldbanner, den reichbebänderten
Kranz von Aehren und Blumen, marſchirten ſie nach dem
Takte der Dorfmuſik auf’s Schloß. Dort auf dem freien Platze
hielt der Zug und ſtellte ſich im Halbkreis auf. Der königliche
Gutsherr trat heraus, hörte die an ihn gerichtete Rede der
Großmagd an und ſchickte die Sprecherin ſodann mit der Ernte-

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[326/0344] zeit für die königliche Dienerſchaft, ebenſo ein auf jedem Gehöft erbauter Pferdeſtall für die herrſchaftlichen Pferde reſervirt bleiben müſſe. Seit 1797 war der Kronprinz König. In dieſem alſo umgeſchaffenen Paretz, das bei Freunden und Eingeweihten alsbald den ſchönen Namen „Schloß Still- im-Land“ empfing, erblühten dem Königspaare Tage glücklich- ſten Familienlebens. Die Familie und die Stille waren der Zauber von Paretz. Dieſen Zauber empfand die Königin, die wir gewohnt ſind uns neben dem einſylbigen Gemahl als das geſprächigere, den Zerſtreuungen zugeneigtere Element zu denken, faſt noch lebhafter als dieſer. Sie ſelbſt äußerte ſich darüber: „Ich muß den Saiten meines Gemüths jeden Tag einige Stunden Ruhe gönnen, um ſie gleichſam wieder aufzuziehen, damit ſie den rechten Ton und Anklang behalten. Am beſten gelingt mir dies in der Einſamkeit; aber nicht im Zimmer, ſondern in den ſtil- len Schatten der Natur. Unterlaß ich das, ſo fühl’ ich mich verſtimmt. O welch’ ein Segen liegt doch im abgeſchloſſenen Umgange mit uns ſelbſt!“ Zu dieſem „Umgange mit ſich ſelbſt“ war nun „Schloß Still-im-Land“ der geeignetſte Platz, keine Straße führte vorüber, die Ruhe, wenn man ſie haben wollte, war beinahe unbedingt; aber man ließ ſie gern durch die Heiterkeit des Dorfes unterbrechen. So wurde das Erntefeſt von Seiten des Hofes alljährlich mitgefeiert. Wir finden darüber folgende Aufzeichnungen. „Das Feſt begann am frühen Nachmittag. Sobald die Herrſchaften ſich von der Tafel erhoben hatten, ſetzten ſich die feſtlich ange- thanen Schnitter und Schnitterinnen vom Amte aus in Be- wegung. Geſchaart um ihr Feldbanner, den reichbebänderten Kranz von Aehren und Blumen, marſchirten ſie nach dem Takte der Dorfmuſik auf’s Schloß. Dort auf dem freien Platze hielt der Zug und ſtellte ſich im Halbkreis auf. Der königliche Gutsherr trat heraus, hörte die an ihn gerichtete Rede der Großmagd an und ſchickte die Sprecherin ſodann mit der Ernte-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/344>, abgerufen am 24.11.2024.