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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Der Hocuspocus bleibt ein Fleck an jener interessanten
Geheimen Vergesellschaftung, die durch eine seltsame Verkettung
von Umständen in die Lage kam, Preußen auf 12 Jahre hin
zu regieren, aber ein billiges Urtheil über den moralischen
Werth derjenigen, die damals an der Spitze dieses Ordens stan-
den, wird doch nur derjenige haben, der sich die Frage nach
dem "guten Glauben" der Betreffenden vorlegt und gewissen-
haft beantwortet. Daß Bischofswerder diesen "guten Glauben"
hatte, haben wir in dem Capitel Marquardt darzulegen
getrachtet; in Betreff Wöllners steht uns das unverfänglichste
Zeugniß zur Seite, das Zeugniß seines Antagonisten Nicolai
selbst. Dieser schreibt über ihn: "Eine Menge kabbalistischer
und magischer Worte verdunkelte nach und nach seinen sonst
hellen Kopf, und seine irregeleitete Einbildungskraft ließ ihn
allenthalben Geheimnisse und Wunder sehen. Im
Jahre 1778 war er bereits so weit, daß er die geheime Lehre
der rosenkreuzerischen Philosophie für das einzig wahre Wissen
hielt, für ein Wissen, das bald ganz allgemein werden und
alle andere Philosophie verdrängen würde."

So Nicolai. Die Verurtheilung der Richtung Wöllners
wird hier, unbeabsichtigt, zur Anerkennung seiner persönlichen
Aufrichtigkeit. Und dies genügt uns. Wie wenig Nicolai
fähig war der Richtung gerecht zu werden, glauben wir im
Vorgehenden gezeigt zu haben.

1800 starb Wöllner zu Groß-Rietz, 1803 Bischofswerder
zu Potsdam. Das Rosenkreuzerthum ging mit ihnen zu Grabe.


Der Hocuspocus bleibt ein Fleck an jener intereſſanten
Geheimen Vergeſellſchaftung, die durch eine ſeltſame Verkettung
von Umſtänden in die Lage kam, Preußen auf 12 Jahre hin
zu regieren, aber ein billiges Urtheil über den moraliſchen
Werth derjenigen, die damals an der Spitze dieſes Ordens ſtan-
den, wird doch nur derjenige haben, der ſich die Frage nach
dem „guten Glauben“ der Betreffenden vorlegt und gewiſſen-
haft beantwortet. Daß Biſchofswerder dieſen „guten Glauben“
hatte, haben wir in dem Capitel Marquardt darzulegen
getrachtet; in Betreff Wöllners ſteht uns das unverfänglichſte
Zeugniß zur Seite, das Zeugniß ſeines Antagoniſten Nicolai
ſelbſt. Dieſer ſchreibt über ihn: „Eine Menge kabbaliſtiſcher
und magiſcher Worte verdunkelte nach und nach ſeinen ſonſt
hellen Kopf, und ſeine irregeleitete Einbildungskraft ließ ihn
allenthalben Geheimniſſe und Wunder ſehen. Im
Jahre 1778 war er bereits ſo weit, daß er die geheime Lehre
der roſenkreuzeriſchen Philoſophie für das einzig wahre Wiſſen
hielt, für ein Wiſſen, das bald ganz allgemein werden und
alle andere Philoſophie verdrängen würde.“

So Nicolai. Die Verurtheilung der Richtung Wöllners
wird hier, unbeabſichtigt, zur Anerkennung ſeiner perſönlichen
Aufrichtigkeit. Und dies genügt uns. Wie wenig Nicolai
fähig war der Richtung gerecht zu werden, glauben wir im
Vorgehenden gezeigt zu haben.

1800 ſtarb Wöllner zu Groß-Rietz, 1803 Biſchofswerder
zu Potsdam. Das Roſenkreuzerthum ging mit ihnen zu Grabe.


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[317/0335] Der Hocuspocus bleibt ein Fleck an jener intereſſanten Geheimen Vergeſellſchaftung, die durch eine ſeltſame Verkettung von Umſtänden in die Lage kam, Preußen auf 12 Jahre hin zu regieren, aber ein billiges Urtheil über den moraliſchen Werth derjenigen, die damals an der Spitze dieſes Ordens ſtan- den, wird doch nur derjenige haben, der ſich die Frage nach dem „guten Glauben“ der Betreffenden vorlegt und gewiſſen- haft beantwortet. Daß Biſchofswerder dieſen „guten Glauben“ hatte, haben wir in dem Capitel Marquardt darzulegen getrachtet; in Betreff Wöllners ſteht uns das unverfänglichſte Zeugniß zur Seite, das Zeugniß ſeines Antagoniſten Nicolai ſelbſt. Dieſer ſchreibt über ihn: „Eine Menge kabbaliſtiſcher und magiſcher Worte verdunkelte nach und nach ſeinen ſonſt hellen Kopf, und ſeine irregeleitete Einbildungskraft ließ ihn allenthalben Geheimniſſe und Wunder ſehen. Im Jahre 1778 war er bereits ſo weit, daß er die geheime Lehre der roſenkreuzeriſchen Philoſophie für das einzig wahre Wiſſen hielt, für ein Wiſſen, das bald ganz allgemein werden und alle andere Philoſophie verdrängen würde.“ So Nicolai. Die Verurtheilung der Richtung Wöllners wird hier, unbeabſichtigt, zur Anerkennung ſeiner perſönlichen Aufrichtigkeit. Und dies genügt uns. Wie wenig Nicolai fähig war der Richtung gerecht zu werden, glauben wir im Vorgehenden gezeigt zu haben. 1800 ſtarb Wöllner zu Groß-Rietz, 1803 Biſchofswerder zu Potsdam. Das Roſenkreuzerthum ging mit ihnen zu Grabe.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/335>, abgerufen am 24.11.2024.