gaben nun die modernen Rosenkreuzer, die wir gleich näher charakterisiren werden, als ihren Besitz aus; es sei ihnen auf räthselhafte Weise zu Händen gekommen und um den Verdacht oder den Vorwurf der Modernität von sich abzustreifen, nann- ten sie sich, eben auf die vorgeblich alte Weisheit gestützt, die Rosenkreuzer alten Styls. Ihr Spruch war: Lux in Cruce et Crux in Luce. Die Welt erkannte sehr bald (und sie sollte es auch erkennen), daß die sich so nennenden Rosenkreuzer alten Styls mit den wirklichen Rosenkreuzern alten Styls nichts gemein hatten und mit Fug und Recht durfte Dr.Sem- ler, der "Vater des Rationalismus," von Halle aus schrei- ben: "Seit einiger Zeit haben wir von einer jetzt fort- dauernden Rosenkreuzerei so manche wichtige Nachrichten, Nach- richten, aus denen wir erkennen können, daß eine große Partei mit gewiß weit aussehenden Absichten, die Magie und Alchemie. nur als Maske benutzt. Ein "Hirtenbrief" dieser Rosenkreu- zer, der mir vorliegt, ist ein auffallender Beweis von der drei- sten und entschlossenen Denkungsart dieser geheimen Partei, welche ganz merklich es auf eine öffentliche Revolution im Sinne des Rückschritts absieht. ... Die Historie kann es am gewissesten darthun, daß diese jüngeren Rosenkreuzer ganz andere Leute sind als die alten, die kein papistisches Mitglied unter sich duldeten."
Im Wesentlichen hatte es der alte Rationalist hier richtig ge- troffen; ob Papismus und Jesuitismus dahinter steckten, war damals fraglich und ist fraglich geblieben, aber um Reaction, um einen Kampf gegen die Neologen und Ideologen, gegen die Aufklärer und Freimaurer, gegen die Demokraten und Illuminaten han- delte es sich allerdings; die alten Elemente in Staat und Kirche, ganz wie in unsern Tagen, nahmen einen organisirten Kampf gegen den Liberalismus in allen seinen Gestalten und Verzweigungen auf. Nur die Organisation war verschieden, heute öffentlich in Kammer, Lehrstuhl, Presse, damals geheim in Orden und Brüderschaften. Jede Zeit hat ihre Kampfesformen; der Kampf bleibt derselbe.
gaben nun die modernen Roſenkreuzer, die wir gleich näher charakteriſiren werden, als ihren Beſitz aus; es ſei ihnen auf räthſelhafte Weiſe zu Händen gekommen und um den Verdacht oder den Vorwurf der Modernität von ſich abzuſtreifen, nann- ten ſie ſich, eben auf die vorgeblich alte Weisheit geſtützt, die Roſenkreuzer alten Styls. Ihr Spruch war: Lux in Cruce et Crux in Luce. Die Welt erkannte ſehr bald (und ſie ſollte es auch erkennen), daß die ſich ſo nennenden Roſenkreuzer alten Styls mit den wirklichen Roſenkreuzern alten Styls nichts gemein hatten und mit Fug und Recht durfte Dr.Sem- ler, der „Vater des Rationalismus,“ von Halle aus ſchrei- ben: „Seit einiger Zeit haben wir von einer jetzt fort- dauernden Roſenkreuzerei ſo manche wichtige Nachrichten, Nach- richten, aus denen wir erkennen können, daß eine große Partei mit gewiß weit ausſehenden Abſichten, die Magie und Alchemie. nur als Maske benutzt. Ein „Hirtenbrief“ dieſer Roſenkreu- zer, der mir vorliegt, iſt ein auffallender Beweis von der drei- ſten und entſchloſſenen Denkungsart dieſer geheimen Partei, welche ganz merklich es auf eine öffentliche Revolution im Sinne des Rückſchritts abſieht. … Die Hiſtorie kann es am gewiſſeſten darthun, daß dieſe jüngeren Roſenkreuzer ganz andere Leute ſind als die alten, die kein papiſtiſches Mitglied unter ſich duldeten.“
Im Weſentlichen hatte es der alte Rationaliſt hier richtig ge- troffen; ob Papismus und Jeſuitismus dahinter ſteckten, war damals fraglich und iſt fraglich geblieben, aber um Reaction, um einen Kampf gegen die Neologen und Ideologen, gegen die Aufklärer und Freimaurer, gegen die Demokraten und Illuminaten han- delte es ſich allerdings; die alten Elemente in Staat und Kirche, ganz wie in unſern Tagen, nahmen einen organiſirten Kampf gegen den Liberalismus in allen ſeinen Geſtalten und Verzweigungen auf. Nur die Organiſation war verſchieden, heute öffentlich in Kammer, Lehrſtuhl, Preſſe, damals geheim in Orden und Brüderſchaften. Jede Zeit hat ihre Kampfesformen; der Kampf bleibt derſelbe.
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gaben nun die modernen Roſenkreuzer, die wir gleich näher
charakteriſiren werden, als ihren Beſitz aus; es ſei ihnen auf
räthſelhafte Weiſe zu Händen gekommen und um den Verdacht
oder den Vorwurf der Modernität von ſich abzuſtreifen, nann-
ten ſie ſich, eben auf die vorgeblich alte Weisheit geſtützt, die
Roſenkreuzer alten Styls. Ihr Spruch war: Lux in Cruce et
Crux in Luce. Die Welt erkannte ſehr bald (und ſie ſollte
es auch erkennen), daß die ſich ſo nennenden Roſenkreuzer
alten Styls mit den wirklichen Roſenkreuzern alten Styls
nichts gemein hatten und mit Fug und Recht durfte Dr. Sem-
ler, der „Vater des Rationalismus,“ von Halle aus ſchrei-
ben: „Seit einiger Zeit haben wir von einer jetzt fort-
dauernden Roſenkreuzerei ſo manche wichtige Nachrichten, Nach-
richten, aus denen wir erkennen können, daß eine große Partei
mit gewiß weit ausſehenden Abſichten, die Magie und Alchemie.
nur als Maske benutzt. Ein „Hirtenbrief“ dieſer Roſenkreu-
zer, der mir vorliegt, iſt ein auffallender Beweis von der drei-
ſten und entſchloſſenen Denkungsart dieſer geheimen Partei,
welche ganz merklich es auf eine öffentliche Revolution
im Sinne des Rückſchritts abſieht. … Die Hiſtorie kann es
am gewiſſeſten darthun, daß dieſe jüngeren Roſenkreuzer ganz
andere Leute ſind als die alten, die kein papiſtiſches
Mitglied unter ſich duldeten.“
Im Weſentlichen hatte es der alte Rationaliſt hier richtig ge-
troffen; ob Papismus und Jeſuitismus dahinter ſteckten, war damals
fraglich und iſt fraglich geblieben, aber um Reaction, um einen
Kampf gegen die Neologen und Ideologen, gegen die Aufklärer
und Freimaurer, gegen die Demokraten und Illuminaten han-
delte es ſich allerdings; die alten Elemente in Staat und
Kirche, ganz wie in unſern Tagen, nahmen einen organiſirten
Kampf gegen den Liberalismus in allen ſeinen Geſtalten und
Verzweigungen auf. Nur die Organiſation war verſchieden,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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