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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Rosenkreuz giebt sich nicht einmal die Mühe, ihren Fabel-Cha-
rakter zu verbergen. Diese Geschichte lautet wie folgt:

Frater Rosenkreutz, nachdem er seiner Reisen durch
Arabien und Afrika und seines vieljährigen Verkehrs mit den
"afrikanischen Weltweisen" müde geworden war, begab sich nach
England und wohnte nicht weit von London, woselbst er eine
unterirdische Höhle errichtete und ein Buch schrieb, worauf er
G. L. statt des Titels setzte. Sein Vetter Benedict Rosenkreutz
war gemeiniglich um ihn. Diesem befahl er, bei Ablegung
eines großen Schwurs, daß er nach seinem Tode sogleich das
Gewölbe zuschließen und eine bestimmte große Tafel davor
setzen sollte, worauf die Namen seiner Schüler standen; den
Zugang selbst sollte er mit Erde verschütten. Alles dies geschah
mit der größten Genauigkeit, so daß man von Rosenkreutz
nichts weiter hörte. Ueber dieser Höhle stand aber ein sehr
alter Akazienbaum, unter dessen Schatten Rosenkreutz öfters
seinen Gedanken nachgehangen. Nach 120 Jahren fiel einem
Bauern ein, diesen Baum umzuhauen und seine Wurzeln aus-
zugraben. Er kam an Steinplatten, nahm eine nach der andern
fort und eh er sichs versah, fiel er in eine Höhle 15 Fuß
tief
in die Erde hinein. Kaum hatte er sich von seinem Fall
und Schrecken erholt, so wurde er gewahr, daß diese unter-
irdische Gruft erleuchtet war, und ein alter, ehrwürdiger
Mann vor einem Tische saß und in einem Buche las. Als er
(der Bauer) sich nun einen Schritt näherte, erhob sich der Alte,
der einen Stab in Händen hielt. Bei dem zweiten Schritt
hob er seinen Stab in die Höhe, bei dem dritten schlug
er so gewaltig auf die Lampe, daß solche zerbrach und erlosch.
Der Bauer stürzte vor Schreck nieder; so fand man ihn und
hörte seinen Bericht. Zugleich fand man eine Leiche, die ein
Buch in Händen hielt. Dies letztere war das Buch Rosen-
kreutzers
, das alle Weisheit, die Ausbeute seines Lebens,
seiner Studien enthielt."

So die Erzählung von Frater Rosenkreutz und seinem
Weisheits-Buch. Dies Weisheits-Buch, auf das es ankam,

Roſenkreuz giebt ſich nicht einmal die Mühe, ihren Fabel-Cha-
rakter zu verbergen. Dieſe Geſchichte lautet wie folgt:

Frater Roſenkreutz, nachdem er ſeiner Reiſen durch
Arabien und Afrika und ſeines vieljährigen Verkehrs mit den
„afrikaniſchen Weltweiſen“ müde geworden war, begab ſich nach
England und wohnte nicht weit von London, woſelbſt er eine
unterirdiſche Höhle errichtete und ein Buch ſchrieb, worauf er
G. L. ſtatt des Titels ſetzte. Sein Vetter Benedict Roſenkreutz
war gemeiniglich um ihn. Dieſem befahl er, bei Ablegung
eines großen Schwurs, daß er nach ſeinem Tode ſogleich das
Gewölbe zuſchließen und eine beſtimmte große Tafel davor
ſetzen ſollte, worauf die Namen ſeiner Schüler ſtanden; den
Zugang ſelbſt ſollte er mit Erde verſchütten. Alles dies geſchah
mit der größten Genauigkeit, ſo daß man von Roſenkreutz
nichts weiter hörte. Ueber dieſer Höhle ſtand aber ein ſehr
alter Akazienbaum, unter deſſen Schatten Roſenkreutz öfters
ſeinen Gedanken nachgehangen. Nach 120 Jahren fiel einem
Bauern ein, dieſen Baum umzuhauen und ſeine Wurzeln aus-
zugraben. Er kam an Steinplatten, nahm eine nach der andern
fort und eh er ſichs verſah, fiel er in eine Höhle 15 Fuß
tief
in die Erde hinein. Kaum hatte er ſich von ſeinem Fall
und Schrecken erholt, ſo wurde er gewahr, daß dieſe unter-
irdiſche Gruft erleuchtet war, und ein alter, ehrwürdiger
Mann vor einem Tiſche ſaß und in einem Buche las. Als er
(der Bauer) ſich nun einen Schritt näherte, erhob ſich der Alte,
der einen Stab in Händen hielt. Bei dem zweiten Schritt
hob er ſeinen Stab in die Höhe, bei dem dritten ſchlug
er ſo gewaltig auf die Lampe, daß ſolche zerbrach und erloſch.
Der Bauer ſtürzte vor Schreck nieder; ſo fand man ihn und
hörte ſeinen Bericht. Zugleich fand man eine Leiche, die ein
Buch in Händen hielt. Dies letztere war das Buch Roſen-
kreutzers
, das alle Weisheit, die Ausbeute ſeines Lebens,
ſeiner Studien enthielt.“

So die Erzählung von Frater Roſenkreutz und ſeinem
Weisheits-Buch. Dies Weisheits-Buch, auf das es ankam,

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[308/0326] Roſenkreuz giebt ſich nicht einmal die Mühe, ihren Fabel-Cha- rakter zu verbergen. Dieſe Geſchichte lautet wie folgt: Frater Roſenkreutz, nachdem er ſeiner Reiſen durch Arabien und Afrika und ſeines vieljährigen Verkehrs mit den „afrikaniſchen Weltweiſen“ müde geworden war, begab ſich nach England und wohnte nicht weit von London, woſelbſt er eine unterirdiſche Höhle errichtete und ein Buch ſchrieb, worauf er G. L. ſtatt des Titels ſetzte. Sein Vetter Benedict Roſenkreutz war gemeiniglich um ihn. Dieſem befahl er, bei Ablegung eines großen Schwurs, daß er nach ſeinem Tode ſogleich das Gewölbe zuſchließen und eine beſtimmte große Tafel davor ſetzen ſollte, worauf die Namen ſeiner Schüler ſtanden; den Zugang ſelbſt ſollte er mit Erde verſchütten. Alles dies geſchah mit der größten Genauigkeit, ſo daß man von Roſenkreutz nichts weiter hörte. Ueber dieſer Höhle ſtand aber ein ſehr alter Akazienbaum, unter deſſen Schatten Roſenkreutz öfters ſeinen Gedanken nachgehangen. Nach 120 Jahren fiel einem Bauern ein, dieſen Baum umzuhauen und ſeine Wurzeln aus- zugraben. Er kam an Steinplatten, nahm eine nach der andern fort und eh er ſichs verſah, fiel er in eine Höhle 15 Fuß tief in die Erde hinein. Kaum hatte er ſich von ſeinem Fall und Schrecken erholt, ſo wurde er gewahr, daß dieſe unter- irdiſche Gruft erleuchtet war, und ein alter, ehrwürdiger Mann vor einem Tiſche ſaß und in einem Buche las. Als er (der Bauer) ſich nun einen Schritt näherte, erhob ſich der Alte, der einen Stab in Händen hielt. Bei dem zweiten Schritt hob er ſeinen Stab in die Höhe, bei dem dritten ſchlug er ſo gewaltig auf die Lampe, daß ſolche zerbrach und erloſch. Der Bauer ſtürzte vor Schreck nieder; ſo fand man ihn und hörte ſeinen Bericht. Zugleich fand man eine Leiche, die ein Buch in Händen hielt. Dies letztere war das Buch Roſen- kreutzers, das alle Weisheit, die Ausbeute ſeines Lebens, ſeiner Studien enthielt.“ So die Erzählung von Frater Roſenkreutz und ſeinem Weisheits-Buch. Dies Weisheits-Buch, auf das es ankam,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/326>, abgerufen am 24.11.2024.