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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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deten aber ganz mit Blut bespritzten Menschen die Ader am
Arme verband. Außer den hilfeleistenden Personen waren die
übrigen in langen schwarzen Mänteln vermummt und mit blo-
ßen Degen. Am Eingang der Gruft lagen über einander
geworfene Todtengerippe, und die Erleuchtung geschah durch
Lichter, deren Flamme brennendem Weingeist ähnlich kam,
wodurch der Anblick desto schauriger wurde. Um meinen Füh-
rer nicht zu verlieren, eilte ich zurück. Dieser trat so eben
aus dem Garten wieder herein, als ich bei der Thüre desselben
ankam. Er ergriff mich ungeduldig bei der Hand und zog mich
gleichsam mit sich fort.

Sah ich je etwas Feenmärchen-ähnliches, so war's im
Augenblick des Eintritts in den Garten. Alles in grünem
Feuer; unzählig flammende Lampen; Gemurmel entfernter
Wasserfälle. Nachtigallengesang, Blüthenduft, kurz, alles schien
überirdisch, und die Natur in Zauber aufgelöst zu sein. Man
wies mir meinen Platz hinter einer Laube an, deren Inneres
reich geschmückt war und wo hinein man kurz darauf einen
Ohnmächtigen führte, vermuthlich den, dem man in der Todten-
gruft die Ader geöffnet hatte. Doch gewiß weiß ich es nicht,
weil die Gewänder aller Handelnden jetzt prächtig und reizend
von Form und Farbe, und mir dadurch wieder ganz neu
waren. Sogleich erhielt ich das Zeichen zum Spiele.

Da ich nunmehr genöthigt war, mehr auf mich als auf
Andere Acht zu geben, so ging allerdings Vieles für mich ver-
loren. So viel aber nahm ich deutlich wahr, daß sich der Ohn-
mächtige kaum nach einer Minute des Spielens erholte und
mit äußerster Verwunderung fragte: Wo bin ich? wessen
Stimme höre ich? -- Frohlockender Jubel und Trompeten und
Pauken war die Antwort. Alles griff zugleich nach den Degen
und eilte tiefer in den Garten, wo das Fernere für mich wie
verschwunden war.

Ich schreibe Ihnen dieses nach einem kurzen und unruhi-
gen Schlaf. Gewiß, hätte ich nicht noch gestern, ehe ich mich
zu Bette legte, diese Scene in meine Schreibtafel aufgezeichnet,

deten aber ganz mit Blut beſpritzten Menſchen die Ader am
Arme verband. Außer den hilfeleiſtenden Perſonen waren die
übrigen in langen ſchwarzen Mänteln vermummt und mit blo-
ßen Degen. Am Eingang der Gruft lagen über einander
geworfene Todtengerippe, und die Erleuchtung geſchah durch
Lichter, deren Flamme brennendem Weingeiſt ähnlich kam,
wodurch der Anblick deſto ſchauriger wurde. Um meinen Füh-
rer nicht zu verlieren, eilte ich zurück. Dieſer trat ſo eben
aus dem Garten wieder herein, als ich bei der Thüre deſſelben
ankam. Er ergriff mich ungeduldig bei der Hand und zog mich
gleichſam mit ſich fort.

Sah ich je etwas Feenmärchen-ähnliches, ſo war’s im
Augenblick des Eintritts in den Garten. Alles in grünem
Feuer; unzählig flammende Lampen; Gemurmel entfernter
Waſſerfälle. Nachtigallengeſang, Blüthenduft, kurz, alles ſchien
überirdiſch, und die Natur in Zauber aufgelöſt zu ſein. Man
wies mir meinen Platz hinter einer Laube an, deren Inneres
reich geſchmückt war und wo hinein man kurz darauf einen
Ohnmächtigen führte, vermuthlich den, dem man in der Todten-
gruft die Ader geöffnet hatte. Doch gewiß weiß ich es nicht,
weil die Gewänder aller Handelnden jetzt prächtig und reizend
von Form und Farbe, und mir dadurch wieder ganz neu
waren. Sogleich erhielt ich das Zeichen zum Spiele.

Da ich nunmehr genöthigt war, mehr auf mich als auf
Andere Acht zu geben, ſo ging allerdings Vieles für mich ver-
loren. So viel aber nahm ich deutlich wahr, daß ſich der Ohn-
mächtige kaum nach einer Minute des Spielens erholte und
mit äußerſter Verwunderung fragte: Wo bin ich? weſſen
Stimme höre ich? — Frohlockender Jubel und Trompeten und
Pauken war die Antwort. Alles griff zugleich nach den Degen
und eilte tiefer in den Garten, wo das Fernere für mich wie
verſchwunden war.

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gen Schlaf. Gewiß, hätte ich nicht noch geſtern, ehe ich mich
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[297/0315] deten aber ganz mit Blut beſpritzten Menſchen die Ader am Arme verband. Außer den hilfeleiſtenden Perſonen waren die übrigen in langen ſchwarzen Mänteln vermummt und mit blo- ßen Degen. Am Eingang der Gruft lagen über einander geworfene Todtengerippe, und die Erleuchtung geſchah durch Lichter, deren Flamme brennendem Weingeiſt ähnlich kam, wodurch der Anblick deſto ſchauriger wurde. Um meinen Füh- rer nicht zu verlieren, eilte ich zurück. Dieſer trat ſo eben aus dem Garten wieder herein, als ich bei der Thüre deſſelben ankam. Er ergriff mich ungeduldig bei der Hand und zog mich gleichſam mit ſich fort. Sah ich je etwas Feenmärchen-ähnliches, ſo war’s im Augenblick des Eintritts in den Garten. Alles in grünem Feuer; unzählig flammende Lampen; Gemurmel entfernter Waſſerfälle. Nachtigallengeſang, Blüthenduft, kurz, alles ſchien überirdiſch, und die Natur in Zauber aufgelöſt zu ſein. Man wies mir meinen Platz hinter einer Laube an, deren Inneres reich geſchmückt war und wo hinein man kurz darauf einen Ohnmächtigen führte, vermuthlich den, dem man in der Todten- gruft die Ader geöffnet hatte. Doch gewiß weiß ich es nicht, weil die Gewänder aller Handelnden jetzt prächtig und reizend von Form und Farbe, und mir dadurch wieder ganz neu waren. Sogleich erhielt ich das Zeichen zum Spiele. Da ich nunmehr genöthigt war, mehr auf mich als auf Andere Acht zu geben, ſo ging allerdings Vieles für mich ver- loren. So viel aber nahm ich deutlich wahr, daß ſich der Ohn- mächtige kaum nach einer Minute des Spielens erholte und mit äußerſter Verwunderung fragte: Wo bin ich? weſſen Stimme höre ich? — Frohlockender Jubel und Trompeten und Pauken war die Antwort. Alles griff zugleich nach den Degen und eilte tiefer in den Garten, wo das Fernere für mich wie verſchwunden war. Ich ſchreibe Ihnen dieſes nach einem kurzen und unruhi- gen Schlaf. Gewiß, hätte ich nicht noch geſtern, ehe ich mich zu Bette legte, dieſe Scene in meine Schreibtafel aufgezeichnet,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/315>, abgerufen am 24.11.2024.