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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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wenige Tage zuvor ein Kreuz, das sie auf der Brust zu tra-
gen pflegte, einer Reparatur halber nach Potsdam hinein
geschickt und sie bat jetzt, ihr das Andenken, das ihr schon
gefehlt hatte, zu zeigen. Da trug man ihr ein Grabkreuz an's
Bett, das von der alten Gräfin, an Stelle der Urne, für die
große Gartengruft bestellt worden war. Sie wußte nun, daß
sie sterben würde. Schon ein Jahr vorher war die jüngere
Schwester, Frau v. Ostau*) gestorben. Beide wurden in der
Marquardter Kirche beigesetzt.

Die Jahre des Entsagens, der Erkenntniß von den Eitel-
keiten der Welt, waren nun auch für das stolze Herz der "Grä-
fin" angebrochen. Sie zog sich mehr und mehr aus dem Leben
zurück; nur die Interessen der kleinen Leute um sie her und
die großen Interessen der Kirche kümmerten sie noch; im All-
gemeinen verharrte sie in Herbheit und Habsucht. So kam ihr
Ende. Sie starb, 76 Jahre alt, am 3. November 1833, im
Hause der einzigen sie überlebenden Tochter, der (damaligen)
Frau Oberst v. Witzleben zu Potsdam und wurde am 6. No-
vember zu Marquardt, an der Seite ihres Gemahles beigesetzt.
Die Rundgruft im Park schloß sich zum zweiten Mal.

Die Rundgruft im Park schloß sich zum zweiten Mal;
aber die "Gräfin," wie man sich im Dorfe erzählt, kann nicht
Ruhe finden. Oft in Nächten ist sie auf. Sie kann von Haus

*) Auch hieran knüpft sich ein eigenthümlicher Zwischenfall, frei-
lich aus viel späterer Zeit. Herr v. Ostau hatte sich wieder vermählt,
die Kinder dieser zweiten Ehe waren herangewachsen und hatten nur
eine ganz allgemeine Kenntniß davon, daß ihr Vater einmal in erster
Ehe mit einem Fräulein v. Bischofswerder vermählt gewesen sei. Ein Sohn
aus dieser zweiten Ehe kam, während der Manövertage, nach Marquardt
in Quartier. Er besichtigte Schloß, Park, Kirche und stieg auch in die
Gruft. Ein Lichtstümpfchen gab die Beleuchtung; alles Staub und Asche;
ein solcher Besuch hat immer seine Schauer. Der junge Offizier mühte
sich, die Inschriften der einzelnen Särge zu entziffern; da las er plötz-
lich auf einem Bleitäfelchen: "Bertha v. Ostau, gestorben 1824." Die
Begegnung mit diesem Namen an dieser Stelle machte einen tiefen Ein-
druck auf ihn.

wenige Tage zuvor ein Kreuz, das ſie auf der Bruſt zu tra-
gen pflegte, einer Reparatur halber nach Potsdam hinein
geſchickt und ſie bat jetzt, ihr das Andenken, das ihr ſchon
gefehlt hatte, zu zeigen. Da trug man ihr ein Grabkreuz an’s
Bett, das von der alten Gräfin, an Stelle der Urne, für die
große Gartengruft beſtellt worden war. Sie wußte nun, daß
ſie ſterben würde. Schon ein Jahr vorher war die jüngere
Schweſter, Frau v. Oſtau*) geſtorben. Beide wurden in der
Marquardter Kirche beigeſetzt.

Die Jahre des Entſagens, der Erkenntniß von den Eitel-
keiten der Welt, waren nun auch für das ſtolze Herz der „Grä-
fin“ angebrochen. Sie zog ſich mehr und mehr aus dem Leben
zurück; nur die Intereſſen der kleinen Leute um ſie her und
die großen Intereſſen der Kirche kümmerten ſie noch; im All-
gemeinen verharrte ſie in Herbheit und Habſucht. So kam ihr
Ende. Sie ſtarb, 76 Jahre alt, am 3. November 1833, im
Hauſe der einzigen ſie überlebenden Tochter, der (damaligen)
Frau Oberſt v. Witzleben zu Potsdam und wurde am 6. No-
vember zu Marquardt, an der Seite ihres Gemahles beigeſetzt.
Die Rundgruft im Park ſchloß ſich zum zweiten Mal.

Die Rundgruft im Park ſchloß ſich zum zweiten Mal;
aber die „Gräfin,“ wie man ſich im Dorfe erzählt, kann nicht
Ruhe finden. Oft in Nächten iſt ſie auf. Sie kann von Haus

*) Auch hieran knüpft ſich ein eigenthümlicher Zwiſchenfall, frei-
lich aus viel ſpäterer Zeit. Herr v. Oſtau hatte ſich wieder vermählt,
die Kinder dieſer zweiten Ehe waren herangewachſen und hatten nur
eine ganz allgemeine Kenntniß davon, daß ihr Vater einmal in erſter
Ehe mit einem Fräulein v. Biſchofswerder vermählt geweſen ſei. Ein Sohn
aus dieſer zweiten Ehe kam, während der Manövertage, nach Marquardt
in Quartier. Er beſichtigte Schloß, Park, Kirche und ſtieg auch in die
Gruft. Ein Lichtſtümpfchen gab die Beleuchtung; alles Staub und Aſche;
ein ſolcher Beſuch hat immer ſeine Schauer. Der junge Offizier mühte
ſich, die Inſchriften der einzelnen Särge zu entziffern; da las er plötz-
lich auf einem Bleitäfelchen: „Bertha v. Oſtau, geſtorben 1824.“ Die
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[283/0301] wenige Tage zuvor ein Kreuz, das ſie auf der Bruſt zu tra- gen pflegte, einer Reparatur halber nach Potsdam hinein geſchickt und ſie bat jetzt, ihr das Andenken, das ihr ſchon gefehlt hatte, zu zeigen. Da trug man ihr ein Grabkreuz an’s Bett, das von der alten Gräfin, an Stelle der Urne, für die große Gartengruft beſtellt worden war. Sie wußte nun, daß ſie ſterben würde. Schon ein Jahr vorher war die jüngere Schweſter, Frau v. Oſtau *) geſtorben. Beide wurden in der Marquardter Kirche beigeſetzt. Die Jahre des Entſagens, der Erkenntniß von den Eitel- keiten der Welt, waren nun auch für das ſtolze Herz der „Grä- fin“ angebrochen. Sie zog ſich mehr und mehr aus dem Leben zurück; nur die Intereſſen der kleinen Leute um ſie her und die großen Intereſſen der Kirche kümmerten ſie noch; im All- gemeinen verharrte ſie in Herbheit und Habſucht. So kam ihr Ende. Sie ſtarb, 76 Jahre alt, am 3. November 1833, im Hauſe der einzigen ſie überlebenden Tochter, der (damaligen) Frau Oberſt v. Witzleben zu Potsdam und wurde am 6. No- vember zu Marquardt, an der Seite ihres Gemahles beigeſetzt. Die Rundgruft im Park ſchloß ſich zum zweiten Mal. Die Rundgruft im Park ſchloß ſich zum zweiten Mal; aber die „Gräfin,“ wie man ſich im Dorfe erzählt, kann nicht Ruhe finden. Oft in Nächten iſt ſie auf. Sie kann von Haus *) Auch hieran knüpft ſich ein eigenthümlicher Zwiſchenfall, frei- lich aus viel ſpäterer Zeit. Herr v. Oſtau hatte ſich wieder vermählt, die Kinder dieſer zweiten Ehe waren herangewachſen und hatten nur eine ganz allgemeine Kenntniß davon, daß ihr Vater einmal in erſter Ehe mit einem Fräulein v. Biſchofswerder vermählt geweſen ſei. Ein Sohn aus dieſer zweiten Ehe kam, während der Manövertage, nach Marquardt in Quartier. Er beſichtigte Schloß, Park, Kirche und ſtieg auch in die Gruft. Ein Lichtſtümpfchen gab die Beleuchtung; alles Staub und Aſche; ein ſolcher Beſuch hat immer ſeine Schauer. Der junge Offizier mühte ſich, die Inſchriften der einzelnen Särge zu entziffern; da las er plötz- lich auf einem Bleitäfelchen: „Bertha v. Oſtau, geſtorben 1824.“ Die Begegnung mit dieſem Namen an dieſer Stelle machte einen tiefen Ein- druck auf ihn.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/301>, abgerufen am 24.11.2024.