und die Jahre, so scheint es, steigerten diese Anschauung eher, als daß sie sie mäßigten. Ein Mann, der sie in ihren alten Tagen kannte, schreibt: "Sie war herb und hart, ertragbar nur im Verkehr mit kleinen Leuten und ausgiebig nur in Auf- legung von Schminke."
Ihr Katholicismus war von der ausgesprochensten Art, aber die Art, wie sie ihn übte, die Entschiedenheit im Bekennt- niß auf der einen Seite und andererseits wieder die Toleranz gegen alle diejenigen, die nun mal auf anderem Boden stan- den, gereichte ihr zu hoher Ehre. Ignaz Feßler, früher Mönch, der zum Protestantismus übergetreten war, kam 1796 nach Berlin und -- an Bischofswerder empfohlen -- auch nach Mar- quardt. "Bischofswerder wollte mir wohl, so schreibt er, aber Alles scheiterte an der Frau. Sie sah in mir nichts als den Abtrünnigen von der römischen Kirche. Sie beherrschte ihren Gemahl vollständig, und um des lieben Hausfriedens willen durfte er mich nicht mehr sehen." Diese Strenge zeigte sie aber nur dem Convertiten. In Marquardt griff sie nie störend oder eigenmächtig in das protestantische Leben der Ge- meinde ein, hatte vielmehr eine Freude daran, die evangelische Kirche des Dorfes mit allem Kirchengeräth und Kirchenschmuck, mit Altardecke und Abendmahlskelch zu beschenken.
Wir kehren nach diesem Versuch einer Charakterschilderung in das Jahr 1803 zurück. "Ihren Gemahl (so entnahmen wir eben aus Feßler) hatte sie vollständig beherrscht;" aber wenn sie nach der Seite des Herrschens hin, bis zum Tode Bischofs- werders, des Guten zu viel gethan haben mochte, so begannen doch nun alsbald die Jahre, wo die "Gewohnheit des Herr- schens" zu einem Segen wurde. Dieser Zeitpunkt trat nament- lich ein, als die Franzosen in's Land kamen und auch die Ha- velgegenden überschwemmten. Der "Gräfin" Klugheit führte Alles glücklich durch. Sie wußte, wo ein Riegel vorzuschieben war, aber sie ließ auch gewähren. Eine räthselvolle Geschichte ereignete sich in jenen Jahren. Französische Chasseurs zechten im Saal; einer stieg in den Keller hinab, um eine Kanne
und die Jahre, ſo ſcheint es, ſteigerten dieſe Anſchauung eher, als daß ſie ſie mäßigten. Ein Mann, der ſie in ihren alten Tagen kannte, ſchreibt: „Sie war herb und hart, ertragbar nur im Verkehr mit kleinen Leuten und ausgiebig nur in Auf- legung von Schminke.“
Ihr Katholicismus war von der ausgeſprochenſten Art, aber die Art, wie ſie ihn übte, die Entſchiedenheit im Bekennt- niß auf der einen Seite und andererſeits wieder die Toleranz gegen alle diejenigen, die nun mal auf anderem Boden ſtan- den, gereichte ihr zu hoher Ehre. Ignaz Feßler, früher Mönch, der zum Proteſtantismus übergetreten war, kam 1796 nach Berlin und — an Biſchofswerder empfohlen — auch nach Mar- quardt. „Biſchofswerder wollte mir wohl, ſo ſchreibt er, aber Alles ſcheiterte an der Frau. Sie ſah in mir nichts als den Abtrünnigen von der römiſchen Kirche. Sie beherrſchte ihren Gemahl vollſtändig, und um des lieben Hausfriedens willen durfte er mich nicht mehr ſehen.“ Dieſe Strenge zeigte ſie aber nur dem Convertiten. In Marquardt griff ſie nie ſtörend oder eigenmächtig in das proteſtantiſche Leben der Ge- meinde ein, hatte vielmehr eine Freude daran, die evangeliſche Kirche des Dorfes mit allem Kirchengeräth und Kirchenſchmuck, mit Altardecke und Abendmahlskelch zu beſchenken.
Wir kehren nach dieſem Verſuch einer Charakterſchilderung in das Jahr 1803 zurück. „Ihren Gemahl (ſo entnahmen wir eben aus Feßler) hatte ſie vollſtändig beherrſcht;“ aber wenn ſie nach der Seite des Herrſchens hin, bis zum Tode Biſchofs- werders, des Guten zu viel gethan haben mochte, ſo begannen doch nun alsbald die Jahre, wo die „Gewohnheit des Herr- ſchens“ zu einem Segen wurde. Dieſer Zeitpunkt trat nament- lich ein, als die Franzoſen in’s Land kamen und auch die Ha- velgegenden überſchwemmten. Der „Gräfin“ Klugheit führte Alles glücklich durch. Sie wußte, wo ein Riegel vorzuſchieben war, aber ſie ließ auch gewähren. Eine räthſelvolle Geſchichte ereignete ſich in jenen Jahren. Franzöſiſche Chaſſeurs zechten im Saal; einer ſtieg in den Keller hinab, um eine Kanne
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und die Jahre, ſo ſcheint es, ſteigerten dieſe Anſchauung eher,
als daß ſie ſie mäßigten. Ein Mann, der ſie in ihren alten
Tagen kannte, ſchreibt: „Sie war herb und hart, ertragbar
nur im Verkehr mit kleinen Leuten und ausgiebig nur in Auf-
legung von Schminke.“
Ihr Katholicismus war von der ausgeſprochenſten Art,
aber die Art, wie ſie ihn übte, die Entſchiedenheit im Bekennt-
niß auf der einen Seite und andererſeits wieder die Toleranz
gegen alle diejenigen, die nun mal auf anderem Boden ſtan-
den, gereichte ihr zu hoher Ehre. Ignaz Feßler, früher Mönch,
der zum Proteſtantismus übergetreten war, kam 1796 nach
Berlin und — an Biſchofswerder empfohlen — auch nach Mar-
quardt. „Biſchofswerder wollte mir wohl, ſo ſchreibt er, aber
Alles ſcheiterte an der Frau. Sie ſah in mir nichts als den
Abtrünnigen von der römiſchen Kirche. Sie beherrſchte
ihren Gemahl vollſtändig, und um des lieben Hausfriedens
willen durfte er mich nicht mehr ſehen.“ Dieſe Strenge zeigte
ſie aber nur dem Convertiten. In Marquardt griff ſie nie
ſtörend oder eigenmächtig in das proteſtantiſche Leben der Ge-
meinde ein, hatte vielmehr eine Freude daran, die evangeliſche
Kirche des Dorfes mit allem Kirchengeräth und Kirchenſchmuck,
mit Altardecke und Abendmahlskelch zu beſchenken.
Wir kehren nach dieſem Verſuch einer Charakterſchilderung
in das Jahr 1803 zurück. „Ihren Gemahl (ſo entnahmen wir
eben aus Feßler) hatte ſie vollſtändig beherrſcht;“ aber wenn
ſie nach der Seite des Herrſchens hin, bis zum Tode Biſchofs-
werders, des Guten zu viel gethan haben mochte, ſo begannen
doch nun alsbald die Jahre, wo die „Gewohnheit des Herr-
ſchens“ zu einem Segen wurde. Dieſer Zeitpunkt trat nament-
lich ein, als die Franzoſen in’s Land kamen und auch die Ha-
velgegenden überſchwemmten. Der „Gräfin“ Klugheit führte
Alles glücklich durch. Sie wußte, wo ein Riegel vorzuſchieben
war, aber ſie ließ auch gewähren. Eine räthſelvolle Geſchichte
ereignete ſich in jenen Jahren. Franzöſiſche Chaſſeurs zechten
im Saal; einer ſtieg in den Keller hinab, um eine Kanne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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