hatte, bezog sich auf die Neu-Organisation des Generalquartier- meisterstabes. Ich bat um die Erlaubniß, ihm meinen Aufsatz über die Nothwendigkeit einer "Verbindung der Kriegs- und Staats-Kunde" vorlesen zu dürfen. Dies geschah dann auch an zwei Abenden, die ich bei Bischofswerder unter vier Augen zubrachte. Er machte, als ich geendet hatte, einige treffende Bemerkungen. Unter andern sagte er Folgendes: "Selbst angenommen, daß dies alles nur politisch-mili- tärische Romane wären, so würde doch die Lectüre dersel- ben den Prinzen des königlichen Hauses ungemein nützlich sein, nützlicher als die Lectüre von Grandison und Lovelace. Die jungen Herren würden dadurch die militärische Statistik unseres Staates und der benachbarten Staaten kennen lernen."
Das Ende meines Aufsatzes (so schließt Massenbach) ließ er sich zweimal vorlesen. Er lächelte. Als ich in ihn drang, mir dies Lächeln zu erklären, sagte er: "Der Generalstab wird, wenn Ihre Idee zur Ausführung kommt, eine geschlossene Gesellschaft, die einen entscheidenden Einfluß auf die Regie- rung des Staates haben wird. Ihr General-Quartiermeister greift in alle Staatsverhältnisse ein. Sein Einfluß wird grö- ßer, als der des jetzigen General-Adjutanten. So lange Zastrow der vortragende General-Adjutant ist, wird Ihre Idee nicht ausgeführt werden. Jetzt müssen Sie diese Idee gar nicht zur Sprache bringen. Theilen Sie solche Niemandem mit. Die Sache spricht sich herum, und Sie haben dann große Schwie- rigkeiten zu bekämpfen. ... Ihren Antrag wegen der Reisen der Offiziere des Generalquartiermeister-Stabes will ich gern beim Könige unterstützen." (Dies geschah.)
Massenbach, der immer Gerechtigkeit gegen Bischofswerder geübt und nur seine Geheimthuerei, sein sich verläugnen-lassen und sein diplomatisch-undeutliches Sprechen, das er "Bauch- rednerei" nannte, gelegentlich persiflirt hatte, war nach diesen Unterredungen so entzückt, daß er ihre Aufzeichnung mit den Worten begleitet: "Ich gewann den Mann lieb; er erschien
hatte, bezog ſich auf die Neu-Organiſation des Generalquartier- meiſterſtabes. Ich bat um die Erlaubniß, ihm meinen Aufſatz über die Nothwendigkeit einer „Verbindung der Kriegs- und Staats-Kunde“ vorleſen zu dürfen. Dies geſchah dann auch an zwei Abenden, die ich bei Biſchofswerder unter vier Augen zubrachte. Er machte, als ich geendet hatte, einige treffende Bemerkungen. Unter andern ſagte er Folgendes: „Selbſt angenommen, daß dies alles nur politiſch-mili- täriſche Romane wären, ſo würde doch die Lectüre derſel- ben den Prinzen des königlichen Hauſes ungemein nützlich ſein, nützlicher als die Lectüre von Grandiſon und Lovelace. Die jungen Herren würden dadurch die militäriſche Statiſtik unſeres Staates und der benachbarten Staaten kennen lernen.“
Das Ende meines Aufſatzes (ſo ſchließt Maſſenbach) ließ er ſich zweimal vorleſen. Er lächelte. Als ich in ihn drang, mir dies Lächeln zu erklären, ſagte er: „Der Generalſtab wird, wenn Ihre Idee zur Ausführung kommt, eine geſchloſſene Geſellſchaft, die einen entſcheidenden Einfluß auf die Regie- rung des Staates haben wird. Ihr General-Quartiermeiſter greift in alle Staatsverhältniſſe ein. Sein Einfluß wird grö- ßer, als der des jetzigen General-Adjutanten. So lange Zaſtrow der vortragende General-Adjutant iſt, wird Ihre Idee nicht ausgeführt werden. Jetzt müſſen Sie dieſe Idee gar nicht zur Sprache bringen. Theilen Sie ſolche Niemandem mit. Die Sache ſpricht ſich herum, und Sie haben dann große Schwie- rigkeiten zu bekämpfen. … Ihren Antrag wegen der Reiſen der Offiziere des Generalquartiermeiſter-Stabes will ich gern beim Könige unterſtützen.“ (Dies geſchah.)
Maſſenbach, der immer Gerechtigkeit gegen Biſchofswerder geübt und nur ſeine Geheimthuerei, ſein ſich verläugnen-laſſen und ſein diplomatiſch-undeutliches Sprechen, das er „Bauch- rednerei“ nannte, gelegentlich perſiflirt hatte, war nach dieſen Unterredungen ſo entzückt, daß er ihre Aufzeichnung mit den Worten begleitet: „Ich gewann den Mann lieb; er erſchien
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0292"n="274"/>
hatte, bezog ſich auf die Neu-Organiſation des Generalquartier-<lb/>
meiſterſtabes. Ich bat um die Erlaubniß, ihm meinen Aufſatz<lb/>
über die Nothwendigkeit einer „<hirendition="#g">Verbindung der Kriegs-<lb/>
und Staats-Kunde</hi>“ vorleſen zu dürfen. Dies geſchah<lb/>
dann auch an zwei Abenden, die ich bei Biſchofswerder unter<lb/>
vier Augen zubrachte. Er machte, als ich geendet hatte, einige<lb/>
treffende Bemerkungen. Unter andern ſagte er Folgendes:<lb/>„Selbſt angenommen, daß dies alles nur <hirendition="#g">politiſch-mili-<lb/>
täriſche Romane</hi> wären, ſo würde doch die Lectüre derſel-<lb/>
ben den Prinzen des königlichen Hauſes ungemein nützlich ſein,<lb/>
nützlicher als die Lectüre von Grandiſon und Lovelace. Die<lb/>
jungen Herren würden dadurch die militäriſche Statiſtik unſeres<lb/>
Staates und der benachbarten Staaten kennen lernen.“</p><lb/><p>Das Ende meines Aufſatzes (ſo ſchließt Maſſenbach) ließ<lb/>
er ſich zweimal vorleſen. Er lächelte. Als ich in ihn drang,<lb/>
mir dies Lächeln zu erklären, ſagte er: „Der Generalſtab wird,<lb/>
wenn Ihre Idee zur Ausführung kommt, eine <hirendition="#g">geſchloſſene<lb/>
Geſellſchaft</hi>, die einen entſcheidenden Einfluß auf die Regie-<lb/>
rung des Staates haben wird. <hirendition="#g">Ihr</hi> General-Quartiermeiſter<lb/>
greift in alle Staatsverhältniſſe ein. Sein Einfluß wird grö-<lb/>
ßer, als der des jetzigen General-Adjutanten. So lange Zaſtrow<lb/>
der vortragende General-Adjutant iſt, wird Ihre Idee nicht<lb/>
ausgeführt werden. Jetzt müſſen Sie dieſe Idee gar nicht zur<lb/>
Sprache bringen. Theilen Sie ſolche Niemandem mit. Die<lb/>
Sache ſpricht ſich herum, und Sie haben dann große Schwie-<lb/>
rigkeiten zu bekämpfen. … Ihren Antrag wegen der <hirendition="#g">Reiſen</hi><lb/>
der Offiziere des Generalquartiermeiſter-Stabes will ich gern<lb/>
beim Könige unterſtützen.“ (Dies geſchah.)</p><lb/><p>Maſſenbach, der immer Gerechtigkeit gegen Biſchofswerder<lb/>
geübt und nur ſeine Geheimthuerei, ſein ſich verläugnen-laſſen<lb/>
und ſein diplomatiſch-undeutliches Sprechen, das er „Bauch-<lb/>
rednerei“ nannte, gelegentlich perſiflirt hatte, war nach dieſen<lb/>
Unterredungen ſo entzückt, daß er ihre Aufzeichnung mit den<lb/>
Worten begleitet: „Ich gewann den Mann lieb; er erſchien<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[274/0292]
hatte, bezog ſich auf die Neu-Organiſation des Generalquartier-
meiſterſtabes. Ich bat um die Erlaubniß, ihm meinen Aufſatz
über die Nothwendigkeit einer „Verbindung der Kriegs-
und Staats-Kunde“ vorleſen zu dürfen. Dies geſchah
dann auch an zwei Abenden, die ich bei Biſchofswerder unter
vier Augen zubrachte. Er machte, als ich geendet hatte, einige
treffende Bemerkungen. Unter andern ſagte er Folgendes:
„Selbſt angenommen, daß dies alles nur politiſch-mili-
täriſche Romane wären, ſo würde doch die Lectüre derſel-
ben den Prinzen des königlichen Hauſes ungemein nützlich ſein,
nützlicher als die Lectüre von Grandiſon und Lovelace. Die
jungen Herren würden dadurch die militäriſche Statiſtik unſeres
Staates und der benachbarten Staaten kennen lernen.“
Das Ende meines Aufſatzes (ſo ſchließt Maſſenbach) ließ
er ſich zweimal vorleſen. Er lächelte. Als ich in ihn drang,
mir dies Lächeln zu erklären, ſagte er: „Der Generalſtab wird,
wenn Ihre Idee zur Ausführung kommt, eine geſchloſſene
Geſellſchaft, die einen entſcheidenden Einfluß auf die Regie-
rung des Staates haben wird. Ihr General-Quartiermeiſter
greift in alle Staatsverhältniſſe ein. Sein Einfluß wird grö-
ßer, als der des jetzigen General-Adjutanten. So lange Zaſtrow
der vortragende General-Adjutant iſt, wird Ihre Idee nicht
ausgeführt werden. Jetzt müſſen Sie dieſe Idee gar nicht zur
Sprache bringen. Theilen Sie ſolche Niemandem mit. Die
Sache ſpricht ſich herum, und Sie haben dann große Schwie-
rigkeiten zu bekämpfen. … Ihren Antrag wegen der Reiſen
der Offiziere des Generalquartiermeiſter-Stabes will ich gern
beim Könige unterſtützen.“ (Dies geſchah.)
Maſſenbach, der immer Gerechtigkeit gegen Biſchofswerder
geübt und nur ſeine Geheimthuerei, ſein ſich verläugnen-laſſen
und ſein diplomatiſch-undeutliches Sprechen, das er „Bauch-
rednerei“ nannte, gelegentlich perſiflirt hatte, war nach dieſen
Unterredungen ſo entzückt, daß er ihre Aufzeichnung mit den
Worten begleitet: „Ich gewann den Mann lieb; er erſchien
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/292>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.