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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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uns; hier weist der Engel des Friedens nach oben; dort, aus
dem weißen Marmorkreuz hervor, blickt das Dornenantlitz zu
uns nieder, das zuerst auf dem Schweißtuche der heiligen
Veronika stand. Nur die Sellos, die eigentlichen Herren des
Platzes, haben den künstlerischen Schmuck verschmäht: einfache
Feldsteinblöcke tragen ihre Namen und die Daten von Geburt
und Tod.

Sie haben den künstlerischen Schmuck verschmäht, nur nicht
den, der ihnen zustand. Die alten Gärtner wollten in einem
Garten schlafen. So viele Gräber, so viele Beete, -- das
Ganze verandaartig von Pfeilern und Balkenlagen umstellt.
Die Pfeiler wieder hüllen sich in Epheu und wilden Wein,
Linden und Nußbäume strecken von Außen her ihre Zweige
weit über die Balkenlagen fort, zwischen den Gräbern
selbst aber stehen Taxus und Cypressen, und die brennende
Liebe der Verbenen spinnt ihr Roth in das dunkelgrüne Ge-
zweig.

Aus der Sello'schen Begräbnißparzelle sind wir auf den
eigentlichen Kirchhof zurückgeschritten; noch ein Denkmal verbleibt
uns, an das wir heranzutreten haben: ein wunderliches Gebilde,
das, in übermüthigem Widerspruch mit Marmorkreuz und
Friedensengel, den Ernst dieser Stunde wie ein groteskes Satyr-
spiel beschließt. Es ist dies das Grabdenkmal des bekannten
Freiherrn Paul Jakob v. Gundling, der Witz und Wüstheit,
Wein- und Wissensdurst, niedere Gesinnung und stupende Ge-
lehrsamkeit in sich vereinigte, und der, in seiner Doppeleigenschaft
als Trinker und Hofnarr, in einem Weinfaß begraben wurde.
In der bornstädter Kirche selbst, in der Nähe des Altars. Ueber
seinem Grabe ließ König Friedrich Wilhelm I. einen Stein
errichten, der trotz des zwiefachen Neubaus, den die Kirche seit-
dem erfuhr, derselben erhalten blieb. Dieß Epitaphium (ein
Kuriosum ersten Ranges) bildet immer noch die Hauptsehens-
würdigkeit der Kirche. Hübsche Basiliken giebt es viele; ein solches
Denkmal giebt es nur einmal. Ehe wir eine Beschreibung desselben
versuchen, begleiten wir den Freiherrn durch seine letzten Tage,

uns; hier weiſt der Engel des Friedens nach oben; dort, aus
dem weißen Marmorkreuz hervor, blickt das Dornenantlitz zu
uns nieder, das zuerſt auf dem Schweißtuche der heiligen
Veronika ſtand. Nur die Sellos, die eigentlichen Herren des
Platzes, haben den künſtleriſchen Schmuck verſchmäht: einfache
Feldſteinblöcke tragen ihre Namen und die Daten von Geburt
und Tod.

Sie haben den künſtleriſchen Schmuck verſchmäht, nur nicht
den, der ihnen zuſtand. Die alten Gärtner wollten in einem
Garten ſchlafen. So viele Gräber, ſo viele Beete, — das
Ganze verandaartig von Pfeilern und Balkenlagen umſtellt.
Die Pfeiler wieder hüllen ſich in Epheu und wilden Wein,
Linden und Nußbäume ſtrecken von Außen her ihre Zweige
weit über die Balkenlagen fort, zwiſchen den Gräbern
ſelbſt aber ſtehen Taxus und Cypreſſen, und die brennende
Liebe der Verbenen ſpinnt ihr Roth in das dunkelgrüne Ge-
zweig.

Aus der Sello’ſchen Begräbnißparzelle ſind wir auf den
eigentlichen Kirchhof zurückgeſchritten; noch ein Denkmal verbleibt
uns, an das wir heranzutreten haben: ein wunderliches Gebilde,
das, in übermüthigem Widerſpruch mit Marmorkreuz und
Friedensengel, den Ernſt dieſer Stunde wie ein groteskes Satyr-
ſpiel beſchließt. Es iſt dies das Grabdenkmal des bekannten
Freiherrn Paul Jakob v. Gundling, der Witz und Wüſtheit,
Wein- und Wiſſensdurſt, niedere Geſinnung und ſtupende Ge-
lehrſamkeit in ſich vereinigte, und der, in ſeiner Doppeleigenſchaft
als Trinker und Hofnarr, in einem Weinfaß begraben wurde.
In der bornſtädter Kirche ſelbſt, in der Nähe des Altars. Ueber
ſeinem Grabe ließ König Friedrich Wilhelm I. einen Stein
errichten, der trotz des zwiefachen Neubaus, den die Kirche ſeit-
dem erfuhr, derſelben erhalten blieb. Dieß Epitaphium (ein
Kurioſum erſten Ranges) bildet immer noch die Hauptſehens-
würdigkeit der Kirche. Hübſche Baſiliken giebt es viele; ein ſolches
Denkmal giebt es nur einmal. Ehe wir eine Beſchreibung deſſelben
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[252/0270] uns; hier weiſt der Engel des Friedens nach oben; dort, aus dem weißen Marmorkreuz hervor, blickt das Dornenantlitz zu uns nieder, das zuerſt auf dem Schweißtuche der heiligen Veronika ſtand. Nur die Sellos, die eigentlichen Herren des Platzes, haben den künſtleriſchen Schmuck verſchmäht: einfache Feldſteinblöcke tragen ihre Namen und die Daten von Geburt und Tod. Sie haben den künſtleriſchen Schmuck verſchmäht, nur nicht den, der ihnen zuſtand. Die alten Gärtner wollten in einem Garten ſchlafen. So viele Gräber, ſo viele Beete, — das Ganze verandaartig von Pfeilern und Balkenlagen umſtellt. Die Pfeiler wieder hüllen ſich in Epheu und wilden Wein, Linden und Nußbäume ſtrecken von Außen her ihre Zweige weit über die Balkenlagen fort, zwiſchen den Gräbern ſelbſt aber ſtehen Taxus und Cypreſſen, und die brennende Liebe der Verbenen ſpinnt ihr Roth in das dunkelgrüne Ge- zweig. Aus der Sello’ſchen Begräbnißparzelle ſind wir auf den eigentlichen Kirchhof zurückgeſchritten; noch ein Denkmal verbleibt uns, an das wir heranzutreten haben: ein wunderliches Gebilde, das, in übermüthigem Widerſpruch mit Marmorkreuz und Friedensengel, den Ernſt dieſer Stunde wie ein groteskes Satyr- ſpiel beſchließt. Es iſt dies das Grabdenkmal des bekannten Freiherrn Paul Jakob v. Gundling, der Witz und Wüſtheit, Wein- und Wiſſensdurſt, niedere Geſinnung und ſtupende Ge- lehrſamkeit in ſich vereinigte, und der, in ſeiner Doppeleigenſchaft als Trinker und Hofnarr, in einem Weinfaß begraben wurde. In der bornſtädter Kirche ſelbſt, in der Nähe des Altars. Ueber ſeinem Grabe ließ König Friedrich Wilhelm I. einen Stein errichten, der trotz des zwiefachen Neubaus, den die Kirche ſeit- dem erfuhr, derſelben erhalten blieb. Dieß Epitaphium (ein Kurioſum erſten Ranges) bildet immer noch die Hauptſehens- würdigkeit der Kirche. Hübſche Baſiliken giebt es viele; ein ſolches Denkmal giebt es nur einmal. Ehe wir eine Beſchreibung deſſelben verſuchen, begleiten wir den Freiherrn durch ſeine letzten Tage,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/270>, abgerufen am 01.09.2024.