Kammer 4. und 5. wurden wenigstens "angeschmoocht," wie der technische Ausdruck lautet. Die Steine in Kammer 2., die nun am zweiten Tage unter Feuer kommen, brauchen natürlich, halb fertig, wie sie bereits sind, ein geringeres Brennmaterial, um zur Perfektion zu kommen, und so geht es weiter; wohin immer das Feuer kommt, findet es 12,000 Steine vor, die bereits drei Tage lang und zwar in wachsender Progression durch eine Feuer- behandlung gegangen sind. Der eine (vorderste) Eisen-Schieber rückt jeden Tag um eine Kammer weiter, der andere Eisenschieber, vom entgegengesetzten Flügel her, folgt und giebt dadurch die Kammer frei, in der am Tage zuvor gebrannt wurde. So vollzieht sich ein Kreislauf. In die leeren Kammern, bevor der Schieber sie in den Feuer-Rayon hineinzwingt, wird eingekarrt, aus den im Feuer gewesenen, vom Schieber freigegebenen Kammern wird ausgekarrt. Der Prozeß, so lange die Brenn- Campagne dauert, ist ohne Ende; das Feuer rückt von Kammer zu Kammer, bis es herum ist und beginnt dann seinen Kreis- lauf von neuem. Der Vortheil liegt auf der Hand. Er steigt aber insonderheit auch noch dadurch, daß der Ringofen in seinen Feueransprüchen nicht wählerisch ist. Er frißt Alles. Jedes Material dient ihm: Holz, Torf, Braunkohle, Alles hat einen gleichen oder doch einen verwandten Werth und das billigste Material behauptet sich neben dem theuersten. Die Ziegelbren- nerei ist dadurch in eine ganz neue Phase getreten, zum Vortheil der Bauunternehmer, die seitdem die Steine für den halben Preis erstehen, aber wenig zum Vortheil der alten Ziegel- Brennerfirmen, die, ehe die Dinge diese modern-industrielle Behandlung und Ausnutzung erfuhren, sich besser standen. Wobei übrigens auch noch bemerkt sein mag, daß die besten Steine, beispielsweise die Rathenower und Birkenwerderschen, nach wie vor in den Ziegelöfen alter Construction gebrannt werden. Der Ringofen hat keine andern Vorzüge, als daß er ein Sparofen ist.
Solcher Ringöfen hat Glindow selbst, wie wir schon hervorgehoben, etwa 9, der Distrikt Glindow aber, mit
Kammer 4. und 5. wurden wenigſtens „angeſchmoocht,“ wie der techniſche Ausdruck lautet. Die Steine in Kammer 2., die nun am zweiten Tage unter Feuer kommen, brauchen natürlich, halb fertig, wie ſie bereits ſind, ein geringeres Brennmaterial, um zur Perfektion zu kommen, und ſo geht es weiter; wohin immer das Feuer kommt, findet es 12,000 Steine vor, die bereits drei Tage lang und zwar in wachſender Progreſſion durch eine Feuer- behandlung gegangen ſind. Der eine (vorderſte) Eiſen-Schieber rückt jeden Tag um eine Kammer weiter, der andere Eiſenſchieber, vom entgegengeſetzten Flügel her, folgt und giebt dadurch die Kammer frei, in der am Tage zuvor gebrannt wurde. So vollzieht ſich ein Kreislauf. In die leeren Kammern, bevor der Schieber ſie in den Feuer-Rayon hineinzwingt, wird eingekarrt, aus den im Feuer geweſenen, vom Schieber freigegebenen Kammern wird ausgekarrt. Der Prozeß, ſo lange die Brenn- Campagne dauert, iſt ohne Ende; das Feuer rückt von Kammer zu Kammer, bis es herum iſt und beginnt dann ſeinen Kreis- lauf von neuem. Der Vortheil liegt auf der Hand. Er ſteigt aber inſonderheit auch noch dadurch, daß der Ringofen in ſeinen Feueranſprüchen nicht wähleriſch iſt. Er frißt Alles. Jedes Material dient ihm: Holz, Torf, Braunkohle, Alles hat einen gleichen oder doch einen verwandten Werth und das billigſte Material behauptet ſich neben dem theuerſten. Die Ziegelbren- nerei iſt dadurch in eine ganz neue Phaſe getreten, zum Vortheil der Bauunternehmer, die ſeitdem die Steine für den halben Preis erſtehen, aber wenig zum Vortheil der alten Ziegel- Brennerfirmen, die, ehe die Dinge dieſe modern-induſtrielle Behandlung und Ausnutzung erfuhren, ſich beſſer ſtanden. Wobei übrigens auch noch bemerkt ſein mag, daß die beſten Steine, beiſpielsweiſe die Rathenower und Birkenwerderſchen, nach wie vor in den Ziegelöfen alter Conſtruction gebrannt werden. Der Ringofen hat keine andern Vorzüge, als daß er ein Sparofen iſt.
Solcher Ringöfen hat Glindow ſelbſt, wie wir ſchon hervorgehoben, etwa 9, der Diſtrikt Glindow aber, mit
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Kammer 4. und 5. wurden wenigſtens „angeſchmoocht,“ wie der
techniſche Ausdruck lautet. Die Steine in Kammer 2., die nun
am zweiten Tage unter Feuer kommen, brauchen natürlich, halb
fertig, wie ſie bereits ſind, ein geringeres Brennmaterial, um
zur Perfektion zu kommen, und ſo geht es weiter; wohin immer
das Feuer kommt, findet es 12,000 Steine vor, die bereits drei
Tage lang und zwar in wachſender Progreſſion durch eine Feuer-
behandlung gegangen ſind. Der eine (vorderſte) Eiſen-Schieber
rückt jeden Tag um eine Kammer weiter, der andere Eiſenſchieber,
vom entgegengeſetzten Flügel her, folgt und giebt dadurch die
Kammer frei, in der am Tage zuvor gebrannt wurde. So
vollzieht ſich ein Kreislauf. In die leeren Kammern, bevor der
Schieber ſie in den Feuer-Rayon hineinzwingt, wird eingekarrt,
aus den im Feuer geweſenen, vom Schieber freigegebenen
Kammern wird ausgekarrt. Der Prozeß, ſo lange die Brenn-
Campagne dauert, iſt ohne Ende; das Feuer rückt von Kammer
zu Kammer, bis es herum iſt und beginnt dann ſeinen Kreis-
lauf von neuem. Der Vortheil liegt auf der Hand. Er ſteigt
aber inſonderheit auch noch dadurch, daß der Ringofen in ſeinen
Feueranſprüchen nicht wähleriſch iſt. Er frißt Alles. Jedes
Material dient ihm: Holz, Torf, Braunkohle, Alles hat einen
gleichen oder doch einen verwandten Werth und das billigſte
Material behauptet ſich neben dem theuerſten. Die Ziegelbren-
nerei iſt dadurch in eine ganz neue Phaſe getreten, zum Vortheil
der Bauunternehmer, die ſeitdem die Steine für den halben
Preis erſtehen, aber wenig zum Vortheil der alten Ziegel-
Brennerfirmen, die, ehe die Dinge dieſe modern-induſtrielle
Behandlung und Ausnutzung erfuhren, ſich beſſer ſtanden.
Wobei übrigens auch noch bemerkt ſein mag, daß die beſten
Steine, beiſpielsweiſe die Rathenower und Birkenwerderſchen,
nach wie vor in den Ziegelöfen alter Conſtruction gebrannt
werden. Der Ringofen hat keine andern Vorzüge, als daß er
ein Sparofen iſt.
Solcher Ringöfen hat Glindow ſelbſt, wie wir ſchon
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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