und die "gelben Birkenwerderschen." Aber was ihnen ihre Vorzüglichkeit leiht, ist nicht das Material, sondern die Sorg- lichkeit, die Kunst, mit der sie hergestellt werden. Jedem ein- zelnen Stein wird eine gewisse Liebe zugewandt. Das macht's. Der Birkenwerdersche Thon beispielsweise ist unscheinbar, aber geschlemmt, gesäubert, gemahlen, wird er zu einem allerdings feinen Materiale entwickelt, und die Art des Streichens und Brennens macht ihn schließlich zu etwas in seiner Art Voll- endetem. Man geht dabei so weit, daß die Messer beim Formen des Steines jedesmal geölt werden, um dem Ziegel dadurch die Glätte, Ebenheit und Schärfe zu geben, die ihn auszeichnet.
Auch in Glindow und seinen Dependenzien wird ein vor- züglicher Stein gebrannt, aber dennoch nicht ein Stein, der den Rathenowern und Birkenwerderschen gleichkäme. Die Herstellung (im Dorfe Glindow selbst) erfolgt durch etwa 500 Arbeiter aller Art. Wir unterscheiden dabei: fremde Ziegelstreicher, einheimische Ziegelstreicher und Tagelöhner. Ueber alle drei Kategorien ein Wort.
Fremde Ziegelstreicher werden hier seit lange verwandt. Die einheimischen Kräfte reichten eben nicht aus. Früher waren es "Eichsfelder," die kamen, und hier ähnlich wie die Warthe- bruch-Schnitter oder Linumer Torfgräber eine Sommer-Campagne durchmachten. Aber die "Eichsfelder" blieben schließlich aus oder wurden abgeschafft, und an ihre Stelle traten die "Lipper." Diese behaupten noch jetzt das Feld.
Die Lipper (nur Männer) kommen im April und bleiben bis Mitte Oktober. Sie ziehen in ein massives Haus, das unten Küche, im 1. Stock Eßsaal, im 2. Stock Schlafraum hat. Sie erheben gewisse Ansprüche. So muß jedem ein Handtuch ge- liefert werden. An ihrer Spitze steht ein Meister, der nur Direktion und Verwaltung hat. Er schließt die Contracte, empfängt die Gelder und vertheilt sie. Die Arbeit ist Accord- Arbeit, das Brennmaterial und die Geräthschaften werden sämmtlich geliefert; der Lehm wird ihnen bis an die "Sümpfe" gefahren; der Ofen ist zu ihrer Disposition. Alles andere ist
und die „gelben Birkenwerderſchen.“ Aber was ihnen ihre Vorzüglichkeit leiht, iſt nicht das Material, ſondern die Sorg- lichkeit, die Kunſt, mit der ſie hergeſtellt werden. Jedem ein- zelnen Stein wird eine gewiſſe Liebe zugewandt. Das macht’s. Der Birkenwerderſche Thon beiſpielsweiſe iſt unſcheinbar, aber geſchlemmt, geſäubert, gemahlen, wird er zu einem allerdings feinen Materiale entwickelt, und die Art des Streichens und Brennens macht ihn ſchließlich zu etwas in ſeiner Art Voll- endetem. Man geht dabei ſo weit, daß die Meſſer beim Formen des Steines jedesmal geölt werden, um dem Ziegel dadurch die Glätte, Ebenheit und Schärfe zu geben, die ihn auszeichnet.
Auch in Glindow und ſeinen Dependenzien wird ein vor- züglicher Stein gebrannt, aber dennoch nicht ein Stein, der den Rathenowern und Birkenwerderſchen gleichkäme. Die Herſtellung (im Dorfe Glindow ſelbſt) erfolgt durch etwa 500 Arbeiter aller Art. Wir unterſcheiden dabei: fremde Ziegelſtreicher, einheimiſche Ziegelſtreicher und Tagelöhner. Ueber alle drei Kategorien ein Wort.
Fremde Ziegelſtreicher werden hier ſeit lange verwandt. Die einheimiſchen Kräfte reichten eben nicht aus. Früher waren es „Eichsfelder,“ die kamen, und hier ähnlich wie die Warthe- bruch-Schnitter oder Linumer Torfgräber eine Sommer-Campagne durchmachten. Aber die „Eichsfelder“ blieben ſchließlich aus oder wurden abgeſchafft, und an ihre Stelle traten die „Lipper.“ Dieſe behaupten noch jetzt das Feld.
Die Lipper (nur Männer) kommen im April und bleiben bis Mitte Oktober. Sie ziehen in ein maſſives Haus, das unten Küche, im 1. Stock Eßſaal, im 2. Stock Schlafraum hat. Sie erheben gewiſſe Anſprüche. So muß jedem ein Handtuch ge- liefert werden. An ihrer Spitze ſteht ein Meiſter, der nur Direktion und Verwaltung hat. Er ſchließt die Contracte, empfängt die Gelder und vertheilt ſie. Die Arbeit iſt Accord- Arbeit, das Brennmaterial und die Geräthſchaften werden ſämmtlich geliefert; der Lehm wird ihnen bis an die „Sümpfe“ gefahren; der Ofen iſt zu ihrer Dispoſition. Alles andere iſt
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und die „gelben Birkenwerderſchen.“ Aber was ihnen ihre
Vorzüglichkeit leiht, iſt nicht das Material, ſondern die Sorg-
lichkeit, die Kunſt, mit der ſie hergeſtellt werden. Jedem ein-
zelnen Stein wird eine gewiſſe Liebe zugewandt. Das macht’s.
Der Birkenwerderſche Thon beiſpielsweiſe iſt unſcheinbar, aber
geſchlemmt, geſäubert, gemahlen, wird er zu einem allerdings
feinen Materiale entwickelt, und die Art des Streichens und
Brennens macht ihn ſchließlich zu etwas in ſeiner Art Voll-
endetem. Man geht dabei ſo weit, daß die Meſſer beim Formen
des Steines jedesmal geölt werden, um dem Ziegel dadurch die
Glätte, Ebenheit und Schärfe zu geben, die ihn auszeichnet.
Auch in Glindow und ſeinen Dependenzien wird ein vor-
züglicher Stein gebrannt, aber dennoch nicht ein Stein, der den
Rathenowern und Birkenwerderſchen gleichkäme. Die Herſtellung
(im Dorfe Glindow ſelbſt) erfolgt durch etwa 500 Arbeiter
aller Art. Wir unterſcheiden dabei: fremde Ziegelſtreicher,
einheimiſche Ziegelſtreicher und Tagelöhner. Ueber alle
drei Kategorien ein Wort.
Fremde Ziegelſtreicher werden hier ſeit lange verwandt.
Die einheimiſchen Kräfte reichten eben nicht aus. Früher waren
es „Eichsfelder,“ die kamen, und hier ähnlich wie die Warthe-
bruch-Schnitter oder Linumer Torfgräber eine Sommer-Campagne
durchmachten. Aber die „Eichsfelder“ blieben ſchließlich aus
oder wurden abgeſchafft, und an ihre Stelle traten die „Lipper.“
Dieſe behaupten noch jetzt das Feld.
Die Lipper (nur Männer) kommen im April und bleiben
bis Mitte Oktober. Sie ziehen in ein maſſives Haus, das unten
Küche, im 1. Stock Eßſaal, im 2. Stock Schlafraum hat. Sie
erheben gewiſſe Anſprüche. So muß jedem ein Handtuch ge-
liefert werden. An ihrer Spitze ſteht ein Meiſter, der nur
Direktion und Verwaltung hat. Er ſchließt die Contracte,
empfängt die Gelder und vertheilt ſie. Die Arbeit iſt Accord-
Arbeit, das Brennmaterial und die Geräthſchaften werden
ſämmtlich geliefert; der Lehm wird ihnen bis an die „Sümpfe“
gefahren; der Ofen iſt zu ihrer Dispoſition. Alles andere iſt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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