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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Unter diesen drei Hauptstämmen der Westwenden, ja viel-
leicht der Wenden überhaupt, waren wiederum die Liutizen
(denen also die märkischen Wenden als wesentlicher Bruchtheil
zugehörten) die ausgedehntesten und mächtigsten. Mit ihnen
stand und fiel die Vormauer des Slaventhums, und der beste,
zuverlässigste und wichtigste Theil der ganzen Wendengeschichte ist
die Geschichte dieses Stammes, die Geschichte der Liutizen.
Schaffarick sagt von ihnen: "Unter den polabischen d. h.
den an der Elbe wohnenden Slaven waren die Liutizen oder
Lutizer oder Weleten durch ihre Volksmenge und Streitbarkeit,
wie durch ihre Ausdauer bei alten Sitten und Gebräuchen, die
berühmtesten. Ihr Name wird in den deutschen Annalen von
Karl dem Großen bis zu ihrer völligen Unterwerfung (1157)
öfter denn irgend ein andrer Volksname genannt; er herrscht
sogar in altdeutschen Sagen und Märchen. In russischen Volks-
sagen wird er noch heutigentags vom Volke mit Schrecken
erwähnt." So weit Schaffarick. Eh wir indessen zu einer
kurzgefaßten Geschichte der Liutizen überhaupt übergehn, schicke
ich den Versuch einer politischen Geographie des Liutizier-Lan-
des vorauf.

Die Liutizen, wie schon angedeutet, hatten ihre Sitze nicht
blos in der Mark; einige ihrer hervorragendsten Stämme bewohn-
ten Neu-Vorpommern, noch andere (darunter die vielgenannten
Redarier) das heutige Mecklenburg-Strelitz. Sie lebten inner-
halb dieser drei Landestheile: Mark, Strelitz, Vorpommern, in
einer nicht genau zu bestimmenden Anzahl von Gauen, von
denen folgende die wichtigsten waren oder doch die bekanntesten
gewesen sind.

In der Mark: die Brizaner in der Priegnitz; die
Morizaner in der Gegend von Leitzkau, Grabow, Nedlitz;
die Stodoraner und Heveller in Havelland und Zauche; die
Spriavaner im Teltow und Nieder-Barnim also zu beiden
Seiten der Spree; die Riezaner in der Nähe von Wriezen
(Ober-Barnim, Oderbruch); die Ukraner in der Nähe von
Pasewalk.

Unter dieſen drei Hauptſtämmen der Weſtwenden, ja viel-
leicht der Wenden überhaupt, waren wiederum die Liutizen
(denen alſo die märkiſchen Wenden als weſentlicher Bruchtheil
zugehörten) die ausgedehnteſten und mächtigſten. Mit ihnen
ſtand und fiel die Vormauer des Slaventhums, und der beſte,
zuverläſſigſte und wichtigſte Theil der ganzen Wendengeſchichte iſt
die Geſchichte dieſes Stammes, die Geſchichte der Liutizen.
Schaffarick ſagt von ihnen: „Unter den polabiſchen d. h.
den an der Elbe wohnenden Slaven waren die Liutizen oder
Lutizer oder Weleten durch ihre Volksmenge und Streitbarkeit,
wie durch ihre Ausdauer bei alten Sitten und Gebräuchen, die
berühmteſten. Ihr Name wird in den deutſchen Annalen von
Karl dem Großen bis zu ihrer völligen Unterwerfung (1157)
öfter denn irgend ein andrer Volksname genannt; er herrſcht
ſogar in altdeutſchen Sagen und Märchen. In ruſſiſchen Volks-
ſagen wird er noch heutigentags vom Volke mit Schrecken
erwähnt.“ So weit Schaffarick. Eh wir indeſſen zu einer
kurzgefaßten Geſchichte der Liutizen überhaupt übergehn, ſchicke
ich den Verſuch einer politiſchen Geographie des Liutizier-Lan-
des vorauf.

Die Liutizen, wie ſchon angedeutet, hatten ihre Sitze nicht
blos in der Mark; einige ihrer hervorragendſten Stämme bewohn-
ten Neu-Vorpommern, noch andere (darunter die vielgenannten
Redarier) das heutige Mecklenburg-Strelitz. Sie lebten inner-
halb dieſer drei Landestheile: Mark, Strelitz, Vorpommern, in
einer nicht genau zu beſtimmenden Anzahl von Gauen, von
denen folgende die wichtigſten waren oder doch die bekannteſten
geweſen ſind.

In der Mark: die Brizaner in der Priegnitz; die
Morizaner in der Gegend von Leitzkau, Grabow, Nedlitz;
die Stodoraner und Heveller in Havelland und Zauche; die
Spriavaner im Teltow und Nieder-Barnim alſo zu beiden
Seiten der Spree; die Riezaner in der Nähe von Wriezen
(Ober-Barnim, Oderbruch); die Ukraner in der Nähe von
Paſewalk.

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[7/0025] Unter dieſen drei Hauptſtämmen der Weſtwenden, ja viel- leicht der Wenden überhaupt, waren wiederum die Liutizen (denen alſo die märkiſchen Wenden als weſentlicher Bruchtheil zugehörten) die ausgedehnteſten und mächtigſten. Mit ihnen ſtand und fiel die Vormauer des Slaventhums, und der beſte, zuverläſſigſte und wichtigſte Theil der ganzen Wendengeſchichte iſt die Geſchichte dieſes Stammes, die Geſchichte der Liutizen. Schaffarick ſagt von ihnen: „Unter den polabiſchen d. h. den an der Elbe wohnenden Slaven waren die Liutizen oder Lutizer oder Weleten durch ihre Volksmenge und Streitbarkeit, wie durch ihre Ausdauer bei alten Sitten und Gebräuchen, die berühmteſten. Ihr Name wird in den deutſchen Annalen von Karl dem Großen bis zu ihrer völligen Unterwerfung (1157) öfter denn irgend ein andrer Volksname genannt; er herrſcht ſogar in altdeutſchen Sagen und Märchen. In ruſſiſchen Volks- ſagen wird er noch heutigentags vom Volke mit Schrecken erwähnt.“ So weit Schaffarick. Eh wir indeſſen zu einer kurzgefaßten Geſchichte der Liutizen überhaupt übergehn, ſchicke ich den Verſuch einer politiſchen Geographie des Liutizier-Lan- des vorauf. Die Liutizen, wie ſchon angedeutet, hatten ihre Sitze nicht blos in der Mark; einige ihrer hervorragendſten Stämme bewohn- ten Neu-Vorpommern, noch andere (darunter die vielgenannten Redarier) das heutige Mecklenburg-Strelitz. Sie lebten inner- halb dieſer drei Landestheile: Mark, Strelitz, Vorpommern, in einer nicht genau zu beſtimmenden Anzahl von Gauen, von denen folgende die wichtigſten waren oder doch die bekannteſten geweſen ſind. In der Mark: die Brizaner in der Priegnitz; die Morizaner in der Gegend von Leitzkau, Grabow, Nedlitz; die Stodoraner und Heveller in Havelland und Zauche; die Spriavaner im Teltow und Nieder-Barnim alſo zu beiden Seiten der Spree; die Riezaner in der Nähe von Wriezen (Ober-Barnim, Oderbruch); die Ukraner in der Nähe von Paſewalk.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/25>, abgerufen am 26.11.2024.