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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Dies ist aber zu niedrig gerechnet, da 360,000 Tienen, die
Tiene zu 15 Sgr., nur einer Gesammt-Einnahme von
180,000 Thalern entsprechen würden, während diese auf
280,000 Thaler angegeben wird. Gleichviel indeß; dem Ber-
liner wird unter allen Umständen der Ruhm verbleiben, als
Minimalsatz alljährlich 1 Million Metzen Werdersches Obst zu
consumiren. Solche Zahlen sind schmeichelhaft und richten auf.

Sie richten auf -- in erster Reihe natürlich die Werder-
schen selbst, die die entsprechende Summe einzuheimsen haben,
und in der That, auf dem Werder und seinen Dependenzien ist
ein solider Durchschnitts-Wohlstand zu Hause. Aber man
würde doch sehr irre gehn, wenn man hier, in modernem Sinne,
großes Vermögen, aufgespeicherte Schätze suchen wollte. Wer
persönlich anfaßt und fleißig arbeitet, wird selten reich; reich
wird der, der mit der Arbeit hundert Anderer Handel treibt,
sie als kluger Rechner sich zu Nutze macht. An solche Moder-
nität ist hier nicht zu denken. Dazu kommen die bedeutenden
Kosten, Lohnzahlungen und Ausfälle. Eine Tiene Obst, wir
gaben es schon an, bringt im Durchschnitt 15 Sgr.; davon
kommen sofort in Wegfall: 11/2 Sgr. für Pflückerlohn und
ebenfalls 11/2 Sgr. für Transport. Aber die eigentlichen Aus-
lagen liegen schon weit vorher. Die Führung großer Land-
wirthschaften ist aus den mannigfachsten Gründen, aus Mangel
an Wiesen und vielleicht nicht minder aus Mangel an Zeit und
Kräften, auf dem Werder so gut wie unmöglich; so fehlt es
denn an Dung und diese Unerläßlichkeit muß aus der Nachbar-
schaft, meist aus Potsdam, mühsam herbeigeschafft werden. Eine
Fuhre Dung kostet 7 Thaler. Dies allein bedingt die stärksten
Abzüge. Was aber vor allem einen eigentlichen Reichthum
nicht aufkommen läßt, das sind die Ausfall-Jahre, wo die
Anstrengungen (um noch größerem Unheil vorzubeugen) ver-
doppelt werden müssen, und wo dennoch mit einem Defizit
abgeschlossen wird. Die Ueberschüsse früherer Jahre müssen dann
aushelfen. Derartige Ausfalljahre sind solche, wo entweder
starke Fröste die großen Obstplantagen zerstören oder wo im

Dies iſt aber zu niedrig gerechnet, da 360,000 Tienen, die
Tiene zu 15 Sgr., nur einer Geſammt-Einnahme von
180,000 Thalern entſprechen würden, während dieſe auf
280,000 Thaler angegeben wird. Gleichviel indeß; dem Ber-
liner wird unter allen Umſtänden der Ruhm verbleiben, als
Minimalſatz alljährlich 1 Million Metzen Werderſches Obſt zu
conſumiren. Solche Zahlen ſind ſchmeichelhaft und richten auf.

Sie richten auf — in erſter Reihe natürlich die Werder-
ſchen ſelbſt, die die entſprechende Summe einzuheimſen haben,
und in der That, auf dem Werder und ſeinen Dependenzien iſt
ein ſolider Durchſchnitts-Wohlſtand zu Hauſe. Aber man
würde doch ſehr irre gehn, wenn man hier, in modernem Sinne,
großes Vermögen, aufgeſpeicherte Schätze ſuchen wollte. Wer
perſönlich anfaßt und fleißig arbeitet, wird ſelten reich; reich
wird der, der mit der Arbeit hundert Anderer Handel treibt,
ſie als kluger Rechner ſich zu Nutze macht. An ſolche Moder-
nität iſt hier nicht zu denken. Dazu kommen die bedeutenden
Koſten, Lohnzahlungen und Ausfälle. Eine Tiene Obſt, wir
gaben es ſchon an, bringt im Durchſchnitt 15 Sgr.; davon
kommen ſofort in Wegfall: 1½ Sgr. für Pflückerlohn und
ebenfalls 1½ Sgr. für Transport. Aber die eigentlichen Aus-
lagen liegen ſchon weit vorher. Die Führung großer Land-
wirthſchaften iſt aus den mannigfachſten Gründen, aus Mangel
an Wieſen und vielleicht nicht minder aus Mangel an Zeit und
Kräften, auf dem Werder ſo gut wie unmöglich; ſo fehlt es
denn an Dung und dieſe Unerläßlichkeit muß aus der Nachbar-
ſchaft, meiſt aus Potsdam, mühſam herbeigeſchafft werden. Eine
Fuhre Dung koſtet 7 Thaler. Dies allein bedingt die ſtärkſten
Abzüge. Was aber vor allem einen eigentlichen Reichthum
nicht aufkommen läßt, das ſind die Ausfall-Jahre, wo die
Anſtrengungen (um noch größerem Unheil vorzubeugen) ver-
doppelt werden müſſen, und wo dennoch mit einem Defizit
abgeſchloſſen wird. Die Ueberſchüſſe früherer Jahre müſſen dann
aushelfen. Derartige Ausfalljahre ſind ſolche, wo entweder
ſtarke Fröſte die großen Obſtplantagen zerſtören oder wo im

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[230/0248] Dies iſt aber zu niedrig gerechnet, da 360,000 Tienen, die Tiene zu 15 Sgr., nur einer Geſammt-Einnahme von 180,000 Thalern entſprechen würden, während dieſe auf 280,000 Thaler angegeben wird. Gleichviel indeß; dem Ber- liner wird unter allen Umſtänden der Ruhm verbleiben, als Minimalſatz alljährlich 1 Million Metzen Werderſches Obſt zu conſumiren. Solche Zahlen ſind ſchmeichelhaft und richten auf. Sie richten auf — in erſter Reihe natürlich die Werder- ſchen ſelbſt, die die entſprechende Summe einzuheimſen haben, und in der That, auf dem Werder und ſeinen Dependenzien iſt ein ſolider Durchſchnitts-Wohlſtand zu Hauſe. Aber man würde doch ſehr irre gehn, wenn man hier, in modernem Sinne, großes Vermögen, aufgeſpeicherte Schätze ſuchen wollte. Wer perſönlich anfaßt und fleißig arbeitet, wird ſelten reich; reich wird der, der mit der Arbeit hundert Anderer Handel treibt, ſie als kluger Rechner ſich zu Nutze macht. An ſolche Moder- nität iſt hier nicht zu denken. Dazu kommen die bedeutenden Koſten, Lohnzahlungen und Ausfälle. Eine Tiene Obſt, wir gaben es ſchon an, bringt im Durchſchnitt 15 Sgr.; davon kommen ſofort in Wegfall: 1½ Sgr. für Pflückerlohn und ebenfalls 1½ Sgr. für Transport. Aber die eigentlichen Aus- lagen liegen ſchon weit vorher. Die Führung großer Land- wirthſchaften iſt aus den mannigfachſten Gründen, aus Mangel an Wieſen und vielleicht nicht minder aus Mangel an Zeit und Kräften, auf dem Werder ſo gut wie unmöglich; ſo fehlt es denn an Dung und dieſe Unerläßlichkeit muß aus der Nachbar- ſchaft, meiſt aus Potsdam, mühſam herbeigeſchafft werden. Eine Fuhre Dung koſtet 7 Thaler. Dies allein bedingt die ſtärkſten Abzüge. Was aber vor allem einen eigentlichen Reichthum nicht aufkommen läßt, das ſind die Ausfall-Jahre, wo die Anſtrengungen (um noch größerem Unheil vorzubeugen) ver- doppelt werden müſſen, und wo dennoch mit einem Defizit abgeſchloſſen wird. Die Ueberſchüſſe früherer Jahre müſſen dann aushelfen. Derartige Ausfalljahre ſind ſolche, wo entweder ſtarke Fröſte die großen Obſtplantagen zerſtören oder wo im

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/248>, abgerufen am 21.11.2024.