Gleichviel indeß was die Umwandlung brachte, sie kam; die Flußausbeute verlor mehr und mehr ihre Bedeutung; die Gärtnerzunft begann die Fischerzunft aus dem Felde zu schlagen, und das sich namentlich unter König Friedrich Wilhelm I., auch nach der Seite der "guten Küche" hin, schnell entwickelnde Potsdam, begann seinen Einfluß auf die Umwandlung Werders zu üben. Der König, selber ein Feinschmecker, mochte unter den ersten sein, die anfingen eine Werdersche Kirsche von den üblichen Landesprodukten gleiches Namens zu unterscheiden. Außer den Kirschen aber war es zumeist das Strauchobst, das die Aufmerksamkeit des Kenners auf Werder hinlenkte. Statt der bekannten Bauern-Himbeere, wie man ihr noch jetzt begegnet, (die Schattenseite hart, die Sonnenseite madig) gedieh hier eine Species, die in Farbe, Größe und strotzender Fülle prunkend, aus Gegenden hierhergetragen schien, wo Sonne und Wasser eine südliche Brutkraft üben.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Umwandlung völlig vollzogen: Werder war eine Garten- Insel geworden; seinem Charakter nach war es dasselbe wie heut, aber freilich nicht seiner Bedeutung nach. Sein Ruhm, sein Glück begannen erst mit jenem Tage, wo der erste Wer- deraner (ihm würden Bildsäulen zu errichten sein) mit seinem Kahne an Potsdam vorüber- und Berlin entgegenschwamm. Damit brach die Großzeit an. In Wirklichkeit ließ sie noch ein halbes Jahrhundert auf sich warten; in der Idee war sie geboren. Mit dem rapide wachsenden Berlin wuchs auch Werder und verdreifachte in 50 Jahren seine Einwohnerzahl, genau wie die Hauptstadt. Der Dampf kam hinzu, um den Triumph zu ver- vollständigen. Bis 1850 hielt sich die Schute, dann wurde sie als altehrwürdiges Institut bei Seite gelegt und ein "auf Gegen- seitigkeit" gebauter Dampfer, der bald gezwungen war, einen großen Havelkahn ins Schlepptau zu nehmen, leitete die neue Aera der Werderaner ein. Von 1853 bis 1860 fuhr die "Marie Luise;" seitdem fährt der "König Wilhelm" zwischen Werder und Berlin.
Gleichviel indeß was die Umwandlung brachte, ſie kam; die Flußausbeute verlor mehr und mehr ihre Bedeutung; die Gärtnerzunft begann die Fiſcherzunft aus dem Felde zu ſchlagen, und das ſich namentlich unter König Friedrich Wilhelm I., auch nach der Seite der „guten Küche“ hin, ſchnell entwickelnde Potsdam, begann ſeinen Einfluß auf die Umwandlung Werders zu üben. Der König, ſelber ein Feinſchmecker, mochte unter den erſten ſein, die anfingen eine Werderſche Kirſche von den üblichen Landesprodukten gleiches Namens zu unterſcheiden. Außer den Kirſchen aber war es zumeiſt das Strauchobſt, das die Aufmerkſamkeit des Kenners auf Werder hinlenkte. Statt der bekannten Bauern-Himbeere, wie man ihr noch jetzt begegnet, (die Schattenſeite hart, die Sonnenſeite madig) gedieh hier eine Species, die in Farbe, Größe und ſtrotzender Fülle prunkend, aus Gegenden hierhergetragen ſchien, wo Sonne und Waſſer eine ſüdliche Brutkraft üben.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte ſich die Umwandlung völlig vollzogen: Werder war eine Garten- Inſel geworden; ſeinem Charakter nach war es daſſelbe wie heut, aber freilich nicht ſeiner Bedeutung nach. Sein Ruhm, ſein Glück begannen erſt mit jenem Tage, wo der erſte Wer- deraner (ihm würden Bildſäulen zu errichten ſein) mit ſeinem Kahne an Potsdam vorüber- und Berlin entgegenſchwamm. Damit brach die Großzeit an. In Wirklichkeit ließ ſie noch ein halbes Jahrhundert auf ſich warten; in der Idee war ſie geboren. Mit dem rapide wachſenden Berlin wuchs auch Werder und verdreifachte in 50 Jahren ſeine Einwohnerzahl, genau wie die Hauptſtadt. Der Dampf kam hinzu, um den Triumph zu ver- vollſtändigen. Bis 1850 hielt ſich die Schute, dann wurde ſie als altehrwürdiges Inſtitut bei Seite gelegt und ein „auf Gegen- ſeitigkeit“ gebauter Dampfer, der bald gezwungen war, einen großen Havelkahn ins Schlepptau zu nehmen, leitete die neue Aera der Werderaner ein. Von 1853 bis 1860 fuhr die „Marie Luiſe;“ ſeitdem fährt der „König Wilhelm“ zwiſchen Werder und Berlin.
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Gleichviel indeß was die Umwandlung brachte, ſie kam;
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und das ſich namentlich unter König Friedrich Wilhelm I., auch
nach der Seite der „guten Küche“ hin, ſchnell entwickelnde
Potsdam, begann ſeinen Einfluß auf die Umwandlung Werders
zu üben. Der König, ſelber ein Feinſchmecker, mochte unter
den erſten ſein, die anfingen eine Werderſche Kirſche von den
üblichen Landesprodukten gleiches Namens zu unterſcheiden.
Außer den Kirſchen aber war es zumeiſt das Strauchobſt, das
die Aufmerkſamkeit des Kenners auf Werder hinlenkte. Statt
der bekannten Bauern-Himbeere, wie man ihr noch jetzt begegnet,
(die Schattenſeite hart, die Sonnenſeite madig) gedieh hier eine
Species, die in Farbe, Größe und ſtrotzender Fülle prunkend,
aus Gegenden hierhergetragen ſchien, wo Sonne und Waſſer
eine ſüdliche Brutkraft üben.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte ſich die
Umwandlung völlig vollzogen: Werder war eine Garten-
Inſel geworden; ſeinem Charakter nach war es daſſelbe wie
heut, aber freilich nicht ſeiner Bedeutung nach. Sein Ruhm,
ſein Glück begannen erſt mit jenem Tage, wo der erſte Wer-
deraner (ihm würden Bildſäulen zu errichten ſein) mit ſeinem Kahne
an Potsdam vorüber- und Berlin entgegenſchwamm. Damit
brach die Großzeit an. In Wirklichkeit ließ ſie noch ein halbes
Jahrhundert auf ſich warten; in der Idee war ſie geboren.
Mit dem rapide wachſenden Berlin wuchs auch Werder und
verdreifachte in 50 Jahren ſeine Einwohnerzahl, genau wie die
Hauptſtadt. Der Dampf kam hinzu, um den Triumph zu ver-
vollſtändigen. Bis 1850 hielt ſich die Schute, dann wurde ſie
als altehrwürdiges Inſtitut bei Seite gelegt und ein „auf Gegen-
ſeitigkeit“ gebauter Dampfer, der bald gezwungen war, einen
großen Havelkahn ins Schlepptau zu nehmen, leitete die neue
Aera der Werderaner ein. Von 1853 bis 1860 fuhr die
„Marie Luiſe;“ ſeitdem fährt der „König Wilhelm“ zwiſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/246>, abgerufen am 24.11.2024.
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