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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Sollen wir Anzeige machen? unterbrach Robert.

"Ei, was, Anzeige. Das wissen wir in Neu-Geltow
besser." Damit sprang er ins Haus zurück, stülpte sich eine
Filzkappe auf und stand im nächsten Moment mit zwei Dorn-
stöcken wieder auf dem Hof. "Da nimm."

Willst Du nicht lieber die Pistolen ...

Nein, ein Knittel geht immer los. Damit trat er auf die
nach Potsdam führende Chaussee. Der Bruder folgte.

Nun begann ein Suchen, wie es seit den Tagen des
"letzten Mohikaners" nicht mehr erlebt worden ist. Alle Künste,
die Falkenauge in seinen besten Momenten geübt, alle Instincte,
die den Uncas und Chingachgook jemals siegreich geleitet, wenn
sie aus einem abgebrochenen Tannenzweig oder aus dem Tritt
der Mocassins die Spur zu entdecken und die schon verlorene
wieder aufzufinden wußten, alle diese Künste und Instincte sie
wurden überboten von dem, was jetzt William Robertson in
dieser frühen Octoberstunde leistete. Das Terrain war das
schwierigste von der Welt. Es hatte in der Nacht geregnet,
und der Staub, der sonst auf der Chaussee liegt, war weggespült
worden. Aber wenn die harte Steinstraße keine Spur heraus-
gab, so zeigte sie sich dafür allemal da, wo der Kinderwagen
momentan in den sogenannten Sommerweg eingebogen war, wie
in eine Form gegossen. Die Brüder sprachen kein Wort, aber
in solchem Augenblick begrüßten sich ihre Blicke.

So hatten sie die Spur bis zum Thore verfolgt; hier
mußte sichs entscheiden. War er ein Potsdamer und hier in
die Stadt hineingefahren, so waren alle Mühen umsonst
gewesen; war er aber ein Berliner (und allerhand Zeichen
hatten schon dafür gesprochen), war er statt in die Stadt, um
diese herum und auf die Berliner Chaussee gebogen, so mußte
er eingeholt werden. Richtig; da war die Spur. Der
Sieg gestaltete sich muthmaßlich nur noch zu einer Frage der
Zeit.

Also weiter. Es war jetzt schon um die neunte Stunde.
Als sie eben die große Glinicker Brücke passirt hatten, sahen sie

Sollen wir Anzeige machen? unterbrach Robert.

„Ei, was, Anzeige. Das wiſſen wir in Neu-Geltow
beſſer.“ Damit ſprang er ins Haus zurück, ſtülpte ſich eine
Filzkappe auf und ſtand im nächſten Moment mit zwei Dorn-
ſtöcken wieder auf dem Hof. „Da nimm.“

Willſt Du nicht lieber die Piſtolen …

Nein, ein Knittel geht immer los. Damit trat er auf die
nach Potsdam führende Chauſſee. Der Bruder folgte.

Nun begann ein Suchen, wie es ſeit den Tagen des
„letzten Mohikaners“ nicht mehr erlebt worden iſt. Alle Künſte,
die Falkenauge in ſeinen beſten Momenten geübt, alle Inſtincte,
die den Uncas und Chingachgook jemals ſiegreich geleitet, wenn
ſie aus einem abgebrochenen Tannenzweig oder aus dem Tritt
der Mocaſſins die Spur zu entdecken und die ſchon verlorene
wieder aufzufinden wußten, alle dieſe Künſte und Inſtincte ſie
wurden überboten von dem, was jetzt William Robertſon in
dieſer frühen Octoberſtunde leiſtete. Das Terrain war das
ſchwierigſte von der Welt. Es hatte in der Nacht geregnet,
und der Staub, der ſonſt auf der Chauſſee liegt, war weggeſpült
worden. Aber wenn die harte Steinſtraße keine Spur heraus-
gab, ſo zeigte ſie ſich dafür allemal da, wo der Kinderwagen
momentan in den ſogenannten Sommerweg eingebogen war, wie
in eine Form gegoſſen. Die Brüder ſprachen kein Wort, aber
in ſolchem Augenblick begrüßten ſich ihre Blicke.

So hatten ſie die Spur bis zum Thore verfolgt; hier
mußte ſichs entſcheiden. War er ein Potsdamer und hier in
die Stadt hineingefahren, ſo waren alle Mühen umſonſt
geweſen; war er aber ein Berliner (und allerhand Zeichen
hatten ſchon dafür geſprochen), war er ſtatt in die Stadt, um
dieſe herum und auf die Berliner Chauſſee gebogen, ſo mußte
er eingeholt werden. Richtig; da war die Spur. Der
Sieg geſtaltete ſich muthmaßlich nur noch zu einer Frage der
Zeit.

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Als ſie eben die große Glinicker Brücke paſſirt hatten, ſahen ſie

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[214/0232] Sollen wir Anzeige machen? unterbrach Robert. „Ei, was, Anzeige. Das wiſſen wir in Neu-Geltow beſſer.“ Damit ſprang er ins Haus zurück, ſtülpte ſich eine Filzkappe auf und ſtand im nächſten Moment mit zwei Dorn- ſtöcken wieder auf dem Hof. „Da nimm.“ Willſt Du nicht lieber die Piſtolen … Nein, ein Knittel geht immer los. Damit trat er auf die nach Potsdam führende Chauſſee. Der Bruder folgte. Nun begann ein Suchen, wie es ſeit den Tagen des „letzten Mohikaners“ nicht mehr erlebt worden iſt. Alle Künſte, die Falkenauge in ſeinen beſten Momenten geübt, alle Inſtincte, die den Uncas und Chingachgook jemals ſiegreich geleitet, wenn ſie aus einem abgebrochenen Tannenzweig oder aus dem Tritt der Mocaſſins die Spur zu entdecken und die ſchon verlorene wieder aufzufinden wußten, alle dieſe Künſte und Inſtincte ſie wurden überboten von dem, was jetzt William Robertſon in dieſer frühen Octoberſtunde leiſtete. Das Terrain war das ſchwierigſte von der Welt. Es hatte in der Nacht geregnet, und der Staub, der ſonſt auf der Chauſſee liegt, war weggeſpült worden. Aber wenn die harte Steinſtraße keine Spur heraus- gab, ſo zeigte ſie ſich dafür allemal da, wo der Kinderwagen momentan in den ſogenannten Sommerweg eingebogen war, wie in eine Form gegoſſen. Die Brüder ſprachen kein Wort, aber in ſolchem Augenblick begrüßten ſich ihre Blicke. So hatten ſie die Spur bis zum Thore verfolgt; hier mußte ſichs entſcheiden. War er ein Potsdamer und hier in die Stadt hineingefahren, ſo waren alle Mühen umſonſt geweſen; war er aber ein Berliner (und allerhand Zeichen hatten ſchon dafür geſprochen), war er ſtatt in die Stadt, um dieſe herum und auf die Berliner Chauſſee gebogen, ſo mußte er eingeholt werden. Richtig; da war die Spur. Der Sieg geſtaltete ſich muthmaßlich nur noch zu einer Frage der Zeit. Alſo weiter. Es war jetzt ſchon um die neunte Stunde. Als ſie eben die große Glinicker Brücke paſſirt hatten, ſahen ſie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/232>, abgerufen am 25.11.2024.