zimmer. Die meisten Räume quadratisch und groß. Alle haben sie jene Patina, die alten Schlössern so wohl kleidet und An- gesichts welcher es gleichgültig ist, ob Raum und Inhalt sich in Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die Dinge sind, sondern ob alt überhaupt, das ist es, was die Entscheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch verdunkelten Tapeten, die Geräthschaften und Nippsachen, -- es sind nicht Erinnerungsstücke genau aus jener Zeit Caputischen Glanzes, aber sie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen sie hin wie etwa einen gothischen Pfeiler an einem romanischen Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und unsere Empfindung übersieht es gern, daß zwei Jahrhunderte zwischen dem einen und dem anderen liegen.
Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen- stände häuslicher Einrichtung, sie sind weder aus den Tagen der strengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürstin, die damals hier einander ablösten; die Hand der Zerstörung hat mitleidlos aufgeräumt an dieser Stelle. Aber wohin die Hand der Zerstörung buchstäblich nicht reichen konnte, -- die hohen Deckengemälde, sie sind geblieben und sprechen zu uns von jener Morgenzeit brandenburgischer Macht und brandenburgischer Kunst. Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen histo- rischen Abriß, den wir gaben, beschrieben, aber viel reizvoller sind die kleinen. Ich schwelgte im Anblick dieser wonnigen Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und doch, bei so wenigem, so viel! Ein bequemes Symbolisiren nach der Tradition; in gewissem Sinne fabrikmäßig; alles aus der Werkstatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden ohne besondere Anstrengung. Aber wie gemacht! welche Tech- nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze, wie erheiternd. Jetzt setzen die Künstler ihre Kraft an eine Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieser und oft auch hinter sich selbst zurück. Wie anders damals. Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen nichts, nun, so war es immer noch eine hübsche Tapete; erwies
zimmer. Die meiſten Räume quadratiſch und groß. Alle haben ſie jene Patina, die alten Schlöſſern ſo wohl kleidet und An- geſichts welcher es gleichgültig iſt, ob Raum und Inhalt ſich in Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die Dinge ſind, ſondern ob alt überhaupt, das iſt es, was die Entſcheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch verdunkelten Tapeten, die Geräthſchaften und Nippſachen, — es ſind nicht Erinnerungsſtücke genau aus jener Zeit Caputiſchen Glanzes, aber ſie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen ſie hin wie etwa einen gothiſchen Pfeiler an einem romaniſchen Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und unſere Empfindung überſieht es gern, daß zwei Jahrhunderte zwiſchen dem einen und dem anderen liegen.
Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen- ſtände häuslicher Einrichtung, ſie ſind weder aus den Tagen der ſtrengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürſtin, die damals hier einander ablöſten; die Hand der Zerſtörung hat mitleidlos aufgeräumt an dieſer Stelle. Aber wohin die Hand der Zerſtörung buchſtäblich nicht reichen konnte, — die hohen Deckengemälde, ſie ſind geblieben und ſprechen zu uns von jener Morgenzeit brandenburgiſcher Macht und brandenburgiſcher Kunſt. Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen hiſto- riſchen Abriß, den wir gaben, beſchrieben, aber viel reizvoller ſind die kleinen. Ich ſchwelgte im Anblick dieſer wonnigen Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und doch, bei ſo wenigem, ſo viel! Ein bequemes Symboliſiren nach der Tradition; in gewiſſem Sinne fabrikmäßig; alles aus der Werkſtatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden ohne beſondere Anſtrengung. Aber wie gemacht! welche Tech- nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze, wie erheiternd. Jetzt ſetzen die Künſtler ihre Kraft an eine Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieſer und oft auch hinter ſich ſelbſt zurück. Wie anders damals. Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen nichts, nun, ſo war es immer noch eine hübſche Tapete; erwies
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zimmer. Die meiſten Räume quadratiſch und groß. Alle haben
ſie jene Patina, die alten Schlöſſern ſo wohl kleidet und An-
geſichts welcher es gleichgültig iſt, ob Raum und Inhalt ſich in
Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die
Dinge ſind, ſondern ob alt überhaupt, das iſt es, was die
Entſcheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch
verdunkelten Tapeten, die Geräthſchaften und Nippſachen, — es
ſind nicht Erinnerungsſtücke genau aus jener Zeit Caputiſchen
Glanzes, aber ſie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen
ſie hin wie etwa einen gothiſchen Pfeiler an einem romaniſchen
Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und
unſere Empfindung überſieht es gern, daß zwei Jahrhunderte
zwiſchen dem einen und dem anderen liegen.
Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen-
ſtände häuslicher Einrichtung, ſie ſind weder aus den Tagen
der ſtrengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürſtin, die
damals hier einander ablöſten; die Hand der Zerſtörung hat
mitleidlos aufgeräumt an dieſer Stelle. Aber wohin die Hand
der Zerſtörung buchſtäblich nicht reichen konnte, — die hohen
Deckengemälde, ſie ſind geblieben und ſprechen zu uns von jener
Morgenzeit brandenburgiſcher Macht und brandenburgiſcher Kunſt.
Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen hiſto-
riſchen Abriß, den wir gaben, beſchrieben, aber viel reizvoller
ſind die kleinen. Ich ſchwelgte im Anblick dieſer wonnigen
Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und
doch, bei ſo wenigem, ſo viel! Ein bequemes Symboliſiren
nach der Tradition; in gewiſſem Sinne fabrikmäßig; alles
aus der Werkſtatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden
ohne beſondere Anſtrengung. Aber wie gemacht! welche Tech-
nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze,
wie erheiternd. Jetzt ſetzen die Künſtler ihre Kraft an eine
Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieſer
und oft auch hinter ſich ſelbſt zurück. Wie anders damals.
Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen
nichts, nun, ſo war es immer noch eine hübſche Tapete; erwies
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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