deckte man indessen plötzlich, daß der Wildschwan bei Potsdam und der Wildschwan flußabwärts auf den weiten, einsamen Flächen des Schwilow, der Schlänitz und der Wublitz ein ander Ding sei, und eine erste Jagd auf den großen Seen wurde abgehalten. Sie schlug ein. Hier war der Schwan noch scheu, und speziell auf der stillen, abgelegenen Wublitz, auf der eben bloß die gelben Mummeln und die weißen Schwäne zu Hause sind (wohl dreihundert und mehr) bot ein treffliches Jagdrevier. So oft das Boot durch Schilf und Rohr heranschlich, horchte der Wildschwan auf, hier hatte er noch den Instinkt der Gefahr, und wenn der erste Schuß fiel, erhoben sich fünfzig der maje- stätischen Vögel und rauschten mit schwerem Flügelschlage durch die Luft.
Die Schönheit und Poesie dieses Thieres aber, vor allem die mächtige Schußfläche, die es bietet, werden sehr wahrscheinlich immer ein Hinderniß bleiben, die Schwanenjagd in Jägeraugen zu etwas Ansehnlichem zu machen. Es unterbricht nur 'mal den gewöhnlichen Lauf der Dinge. Ein Zwischengericht, das willkommen ist.
Die Schwäne der Havel bilden auch einen Versandt- Artikel; viele, von näher gelegenen Punkten zu schweigen, gehen bis Petersburg und nach den großen Städten der Union. Mannigfach sind die Versuche, ihn auch an andern Stellen einzubürgern. Es mag indessen lange dauern, ehe der Havel- Schwan übertroffen wird.
Der Limfjord, auf jenen weiten Wasserbassins, wo Tau- sende von Möven wie weiße Nymphäen schwimmen, bietet ein ähnliches Bild. Aber doch nur ein ähnliches. Die Möve ist eben kein Schwan.
Noch ist die Havel mit ihren 2000 Schwänen unerreicht.
deckte man indeſſen plötzlich, daß der Wildſchwan bei Potsdam und der Wildſchwan flußabwärts auf den weiten, einſamen Flächen des Schwilow, der Schlänitz und der Wublitz ein ander Ding ſei, und eine erſte Jagd auf den großen Seen wurde abgehalten. Sie ſchlug ein. Hier war der Schwan noch ſcheu, und ſpeziell auf der ſtillen, abgelegenen Wublitz, auf der eben bloß die gelben Mummeln und die weißen Schwäne zu Hauſe ſind (wohl dreihundert und mehr) bot ein treffliches Jagdrevier. So oft das Boot durch Schilf und Rohr heranſchlich, horchte der Wildſchwan auf, hier hatte er noch den Inſtinkt der Gefahr, und wenn der erſte Schuß fiel, erhoben ſich fünfzig der maje- ſtätiſchen Vögel und rauſchten mit ſchwerem Flügelſchlage durch die Luft.
Die Schönheit und Poeſie dieſes Thieres aber, vor allem die mächtige Schußfläche, die es bietet, werden ſehr wahrſcheinlich immer ein Hinderniß bleiben, die Schwanenjagd in Jägeraugen zu etwas Anſehnlichem zu machen. Es unterbricht nur ’mal den gewöhnlichen Lauf der Dinge. Ein Zwiſchengericht, das willkommen iſt.
Die Schwäne der Havel bilden auch einen Verſandt- Artikel; viele, von näher gelegenen Punkten zu ſchweigen, gehen bis Petersburg und nach den großen Städten der Union. Mannigfach ſind die Verſuche, ihn auch an andern Stellen einzubürgern. Es mag indeſſen lange dauern, ehe der Havel- Schwan übertroffen wird.
Der Limfjord, auf jenen weiten Waſſerbaſſins, wo Tau- ſende von Möven wie weiße Nymphäen ſchwimmen, bietet ein ähnliches Bild. Aber doch nur ein ähnliches. Die Möve iſt eben kein Schwan.
Noch iſt die Havel mit ihren 2000 Schwänen unerreicht.
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deckte man indeſſen plötzlich, daß der Wildſchwan bei Potsdam
und der Wildſchwan flußabwärts auf den weiten, einſamen
Flächen des Schwilow, der Schlänitz und der Wublitz ein ander
Ding ſei, und eine erſte Jagd auf den großen Seen wurde
abgehalten. Sie ſchlug ein. Hier war der Schwan noch ſcheu,
und ſpeziell auf der ſtillen, abgelegenen Wublitz, auf der eben
bloß die gelben Mummeln und die weißen Schwäne zu Hauſe
ſind (wohl dreihundert und mehr) bot ein treffliches Jagdrevier.
So oft das Boot durch Schilf und Rohr heranſchlich, horchte
der Wildſchwan auf, hier hatte er noch den Inſtinkt der Gefahr,
und wenn der erſte Schuß fiel, erhoben ſich fünfzig der maje-
ſtätiſchen Vögel und rauſchten mit ſchwerem Flügelſchlage durch
die Luft.
Die Schönheit und Poeſie dieſes Thieres aber, vor allem
die mächtige Schußfläche, die es bietet, werden ſehr wahrſcheinlich
immer ein Hinderniß bleiben, die Schwanenjagd in Jägeraugen
zu etwas Anſehnlichem zu machen. Es unterbricht nur ’mal
den gewöhnlichen Lauf der Dinge. Ein Zwiſchengericht, das
willkommen iſt.
Die Schwäne der Havel bilden auch einen Verſandt-
Artikel; viele, von näher gelegenen Punkten zu ſchweigen, gehen
bis Petersburg und nach den großen Städten der Union.
Mannigfach ſind die Verſuche, ihn auch an andern Stellen
einzubürgern. Es mag indeſſen lange dauern, ehe der Havel-
Schwan übertroffen wird.
Der Limfjord, auf jenen weiten Waſſerbaſſins, wo Tau-
ſende von Möven wie weiße Nymphäen ſchwimmen, bietet ein
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eben kein Schwan.
Noch iſt die Havel mit ihren 2000 Schwänen unerreicht.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/146>, abgerufen am 24.11.2024.
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