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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Und dann

Und nun kommt der, welcher Dich, Lehnin, nur allzu sehr haßt,
Wie ein Messer Dich zertheilt, ein Gottesleugner, ein Ehebrecher,
Er macht wüste die Kirche, verschleudert die Kirchengüter.
Geh, mein Volk: Du hast keinen Beschützer mehr,
Bis die Stunde kommen wird, wo die Wiederherstellung (restitutio)
kommt.

Die Vorgänge in der Mark in dem zweiten Viertel des
16. Jahrhunderts, der Uebertritt Elisabeths zur neuen
Lehre und die Aufhebung der Klöster durch Joachim II., der
die Axt an den Stamm legte, konnten, wir wiederholen von
katholischem Standpunkt aus, nicht zutreffender und nicht in besse-
rem Prophetenton geschildert werden. Aber zugegeben nun,
daß -- wie die Angreifer erwidern -- der Verfasser im Jahre
1690 gut prophezeihen hatte in Betreff von Vorgängen, die
150 Jahre zurücklagen, warum, so fragen wir weiter, prophe-
zeihte er theils falsch, theils dunkel in Betreff so vieler anderen
Vorgänge, die, wenn 1690 die Scheidelinie ziehen soll, eben-
falls der Vergangenheit angehörten. Nehmen wir ein Beispiel
statt vieler, -- die Verse, die sich auf George Wilhelm, also
auf die Epoche während des 30jährigen Krieges beziehn. Es sind
die folgenden:

Nach dem Vater ist der Sohn Herr des Markgrafenthums.
Er läßt nicht viele leben nach ihrem Sinne, ohne sie zu
strafen.
Indem er zu stark vertrauet, frißt der Wolf das arme
Vieh,
Und es folgt in Kurzem der Diener dem Herrn im Tode.

Die vierte Zeile ist auf den Tod Adam Schwarzen-
bergs
gedeutet worden, wogegen sich nichts sagen läßt. Der
Inhalt dieser Zeile träfe also zu. Aber die zweite und dritte
geben, wenn man das auch hier vorhandene Dunkel durch-
dringt, eine Charakteristik der Zeit sowohl wie des Mannes,
wie sie nicht leicht falscher gedacht werden kann. Wenn es um-
gekehrt hieße: "Er ließ alle leben nach ihrem Sinne, ohne sie
zu strafen," und "er vertraute (da er bekanntlich immer

8*

Und dann

Und nun kommt der, welcher Dich, Lehnin, nur allzu ſehr haßt,
Wie ein Meſſer Dich zertheilt, ein Gottesleugner, ein Ehebrecher,
Er macht wüſte die Kirche, verſchleudert die Kirchengüter.
Geh, mein Volk: Du haſt keinen Beſchützer mehr,
Bis die Stunde kommen wird, wo die Wiederherſtellung (restitutio)
kommt.

Die Vorgänge in der Mark in dem zweiten Viertel des
16. Jahrhunderts, der Uebertritt Eliſabeths zur neuen
Lehre und die Aufhebung der Klöſter durch Joachim II., der
die Axt an den Stamm legte, konnten, wir wiederholen von
katholiſchem Standpunkt aus, nicht zutreffender und nicht in beſſe-
rem Prophetenton geſchildert werden. Aber zugegeben nun,
daß — wie die Angreifer erwidern — der Verfaſſer im Jahre
1690 gut prophezeihen hatte in Betreff von Vorgängen, die
150 Jahre zurücklagen, warum, ſo fragen wir weiter, prophe-
zeihte er theils falſch, theils dunkel in Betreff ſo vieler anderen
Vorgänge, die, wenn 1690 die Scheidelinie ziehen ſoll, eben-
falls der Vergangenheit angehörten. Nehmen wir ein Beiſpiel
ſtatt vieler, — die Verſe, die ſich auf George Wilhelm, alſo
auf die Epoche während des 30jährigen Krieges beziehn. Es ſind
die folgenden:

Nach dem Vater iſt der Sohn Herr des Markgrafenthums.
Er läßt nicht viele leben nach ihrem Sinne, ohne ſie zu
ſtrafen.
Indem er zu ſtark vertrauet, frißt der Wolf das arme
Vieh,
Und es folgt in Kurzem der Diener dem Herrn im Tode.

Die vierte Zeile iſt auf den Tod Adam Schwarzen-
bergs
gedeutet worden, wogegen ſich nichts ſagen läßt. Der
Inhalt dieſer Zeile träfe alſo zu. Aber die zweite und dritte
geben, wenn man das auch hier vorhandene Dunkel durch-
dringt, eine Charakteriſtik der Zeit ſowohl wie des Mannes,
wie ſie nicht leicht falſcher gedacht werden kann. Wenn es um-
gekehrt hieße: „Er ließ alle leben nach ihrem Sinne, ohne ſie
zu ſtrafen,“ und „er vertraute (da er bekanntlich immer

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[115/0133] Und dann Und nun kommt der, welcher Dich, Lehnin, nur allzu ſehr haßt, Wie ein Meſſer Dich zertheilt, ein Gottesleugner, ein Ehebrecher, Er macht wüſte die Kirche, verſchleudert die Kirchengüter. Geh, mein Volk: Du haſt keinen Beſchützer mehr, Bis die Stunde kommen wird, wo die Wiederherſtellung (restitutio) kommt. Die Vorgänge in der Mark in dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts, der Uebertritt Eliſabeths zur neuen Lehre und die Aufhebung der Klöſter durch Joachim II., der die Axt an den Stamm legte, konnten, wir wiederholen von katholiſchem Standpunkt aus, nicht zutreffender und nicht in beſſe- rem Prophetenton geſchildert werden. Aber zugegeben nun, daß — wie die Angreifer erwidern — der Verfaſſer im Jahre 1690 gut prophezeihen hatte in Betreff von Vorgängen, die 150 Jahre zurücklagen, warum, ſo fragen wir weiter, prophe- zeihte er theils falſch, theils dunkel in Betreff ſo vieler anderen Vorgänge, die, wenn 1690 die Scheidelinie ziehen ſoll, eben- falls der Vergangenheit angehörten. Nehmen wir ein Beiſpiel ſtatt vieler, — die Verſe, die ſich auf George Wilhelm, alſo auf die Epoche während des 30jährigen Krieges beziehn. Es ſind die folgenden: Nach dem Vater iſt der Sohn Herr des Markgrafenthums. Er läßt nicht viele leben nach ihrem Sinne, ohne ſie zu ſtrafen. Indem er zu ſtark vertrauet, frißt der Wolf das arme Vieh, Und es folgt in Kurzem der Diener dem Herrn im Tode. Die vierte Zeile iſt auf den Tod Adam Schwarzen- bergs gedeutet worden, wogegen ſich nichts ſagen läßt. Der Inhalt dieſer Zeile träfe alſo zu. Aber die zweite und dritte geben, wenn man das auch hier vorhandene Dunkel durch- dringt, eine Charakteriſtik der Zeit ſowohl wie des Mannes, wie ſie nicht leicht falſcher gedacht werden kann. Wenn es um- gekehrt hieße: „Er ließ alle leben nach ihrem Sinne, ohne ſie zu ſtrafen,“ und „er vertraute (da er bekanntlich immer 8*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/133>, abgerufen am 25.11.2024.