viele derselben bona fide geschrieben, dennoch haben sie sammt und sonders wenig Werth für die Entscheidung der Frage, da sie, ohne der Grundempfindung, aus der sie hervorgingen, zu nahe zu treten, doch schließlich aller eigentlichen Kritik ent- behren.
Unter den protestantischen Gelehrten, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, begegnen wir sehr bewährten, zum Theil sogar hervorragenden Namen.
Oberbibliothekar Wilckens,Dr. C. L. Gieseler, Pro- fessor Giesebrecht, Schulrath Otto Schulz, vor allem Professor Guhrauer in Breslau, meist Historiker, die mit einem großen Aufwand von Studium, Gelehrsamkeit und Scharf- sinn die Unächtheit darzuthun getrachtet haben; sie haben indes- sen, meinem Ermessen nach, den Fehler gemacht, daß sie zu viel und manches an der unrechten Stelle haben beweisen wollen. Anstatt einen entscheidenden Schlag zu thun, haben sie viele Schläge gethan, und wie es immer in solchen Fällen geht, sind die Schläge nicht nur vielfach nebenbei, sondern gelegentlich auch zurück gefallen. Man schadet einem einzigen, aber ganzen Beweise jedesmal dadurch, daß man zur Anfügung vieler Halbbeweise schreitet, namentlich dann aber, wenn man bei der Anwendung unkünstlerisch verfährt und statt aus dem Halben zum Ganzen fortzuschreiten, aus dem Ganzen zum Hal- ben hin die Dinge zurück entwickelt.
Ich sagte schon, die Angreifer hätten vielfach an unrech- ter Stelle angegriffen; ich muß hinzusetzen, nicht bloß an unrechter Stelle, sondern gelegentlich just an dem allerstärksten Punkt der feindlichen Position; dieser stärkste Punkt der Leh- niner Weissagung aber ist meinem Dafürhalten nach ihr Inhalt, ihr Geist, ihr Ton.
Sehen wir jetzt, in welcher Weise die Angreifer sich gegen diesen Inhalt gewandt haben. Sie haben zunächst als Verdacht erweckende Punkte hervorgehoben, erstens, daß der Prophet, wenn er denn nun 'mal durchaus ein solcher sein solle, vielfach falsch prophezeiht, zweitens aber, daß er in Vor-Hohenzollern-
viele derſelben bona fide geſchrieben, dennoch haben ſie ſammt und ſonders wenig Werth für die Entſcheidung der Frage, da ſie, ohne der Grundempfindung, aus der ſie hervorgingen, zu nahe zu treten, doch ſchließlich aller eigentlichen Kritik ent- behren.
Unter den proteſtantiſchen Gelehrten, die ſich mit dieſer Frage beſchäftigt haben, begegnen wir ſehr bewährten, zum Theil ſogar hervorragenden Namen.
Oberbibliothekar Wilckens,Dr. C. L. Gieſeler, Pro- feſſor Gieſebrecht, Schulrath Otto Schulz, vor allem Profeſſor Guhrauer in Breslau, meiſt Hiſtoriker, die mit einem großen Aufwand von Studium, Gelehrſamkeit und Scharf- ſinn die Unächtheit darzuthun getrachtet haben; ſie haben indeſ- ſen, meinem Ermeſſen nach, den Fehler gemacht, daß ſie zu viel und manches an der unrechten Stelle haben beweiſen wollen. Anſtatt einen entſcheidenden Schlag zu thun, haben ſie viele Schläge gethan, und wie es immer in ſolchen Fällen geht, ſind die Schläge nicht nur vielfach nebenbei, ſondern gelegentlich auch zurück gefallen. Man ſchadet einem einzigen, aber ganzen Beweiſe jedesmal dadurch, daß man zur Anfügung vieler Halbbeweiſe ſchreitet, namentlich dann aber, wenn man bei der Anwendung unkünſtleriſch verfährt und ſtatt aus dem Halben zum Ganzen fortzuſchreiten, aus dem Ganzen zum Hal- ben hin die Dinge zurück entwickelt.
Ich ſagte ſchon, die Angreifer hätten vielfach an unrech- ter Stelle angegriffen; ich muß hinzuſetzen, nicht bloß an unrechter Stelle, ſondern gelegentlich juſt an dem allerſtärkſten Punkt der feindlichen Poſition; dieſer ſtärkſte Punkt der Leh- niner Weiſſagung aber iſt meinem Dafürhalten nach ihr Inhalt, ihr Geiſt, ihr Ton.
Sehen wir jetzt, in welcher Weiſe die Angreifer ſich gegen dieſen Inhalt gewandt haben. Sie haben zunächſt als Verdacht erweckende Punkte hervorgehoben, erſtens, daß der Prophet, wenn er denn nun ’mal durchaus ein ſolcher ſein ſolle, vielfach falſch prophezeiht, zweitens aber, daß er in Vor-Hohenzollern-
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viele derſelben bona fide geſchrieben, dennoch haben ſie ſammt
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nahe zu treten, doch ſchließlich aller eigentlichen Kritik ent-
behren.
Unter den proteſtantiſchen Gelehrten, die ſich mit dieſer
Frage beſchäftigt haben, begegnen wir ſehr bewährten, zum Theil
ſogar hervorragenden Namen.
Oberbibliothekar Wilckens, Dr. C. L. Gieſeler, Pro-
feſſor Gieſebrecht, Schulrath Otto Schulz, vor allem
Profeſſor Guhrauer in Breslau, meiſt Hiſtoriker, die mit
einem großen Aufwand von Studium, Gelehrſamkeit und Scharf-
ſinn die Unächtheit darzuthun getrachtet haben; ſie haben indeſ-
ſen, meinem Ermeſſen nach, den Fehler gemacht, daß ſie zu
viel und manches an der unrechten Stelle haben beweiſen
wollen. Anſtatt einen entſcheidenden Schlag zu thun, haben ſie
viele Schläge gethan, und wie es immer in ſolchen Fällen
geht, ſind die Schläge nicht nur vielfach nebenbei, ſondern
gelegentlich auch zurück gefallen. Man ſchadet einem einzigen,
aber ganzen Beweiſe jedesmal dadurch, daß man zur Anfügung
vieler Halbbeweiſe ſchreitet, namentlich dann aber, wenn man
bei der Anwendung unkünſtleriſch verfährt und ſtatt aus dem
Halben zum Ganzen fortzuſchreiten, aus dem Ganzen zum Hal-
ben hin die Dinge zurück entwickelt.
Ich ſagte ſchon, die Angreifer hätten vielfach an unrech-
ter Stelle angegriffen; ich muß hinzuſetzen, nicht bloß an
unrechter Stelle, ſondern gelegentlich juſt an dem allerſtärkſten
Punkt der feindlichen Poſition; dieſer ſtärkſte Punkt der Leh-
niner Weiſſagung aber iſt meinem Dafürhalten nach ihr Inhalt,
ihr Geiſt, ihr Ton.
Sehen wir jetzt, in welcher Weiſe die Angreifer ſich gegen
dieſen Inhalt gewandt haben. Sie haben zunächſt als Verdacht
erweckende Punkte hervorgehoben, erſtens, daß der Prophet,
wenn er denn nun ’mal durchaus ein ſolcher ſein ſolle, vielfach
falſch prophezeiht, zweitens aber, daß er in Vor-Hohenzollern-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/130>, abgerufen am 26.11.2024.
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