Jetzo will ich, Lehnin, Dir sorgsam singen die Zukunft, Die mir gewiesen der Herr, der einstens alles erschaffen. Vaticinium Lehninense.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, während der Regie- rungsjahre Friedrich WilhelmsI. erschienen, an verschied- nen Druckorten, theils selbstständig, theils umfangreicheren Ar- beiten einverleibt, 100 gereimte lateinische Hexameter (sogenannte Leoninische Verse), die in dunklem Prophetenton über die Schick- sale der Mark und ihrer Fürsten sprachen und die Ueberschrift führten: "Weissagung des seligen Bruders Herrmann, wei- land Lehniner Mönches, der ums Jahr 1300 lebte und blühte." Diese Verse, die sich gleich selbst, in ihrer ersten Zeile, als eine Weissagung ankündigen ("Jetzt weissage ich Dir, Lehnin, Dein künftiges Schicksal") machten großes Aufsehen, da in denselben mit bemerkenswerthem Geschick und jedenfalls mit ungewöhnlicher poetischer Begabung das Aussterben der Hohenzollern in der elften Generation nach JoachimII. und die gleichzeitige Rück- kehr der Mark in den Schooß der katholischen Kirche prophezeit wurde. Eine solche Prophezeihung war durchaus dazu angethan, Aufsehn zu erregen, da es auch damals (1721) in Deutschland nicht an Parteien fehlte, die freudig aufhorchten, wenn der Untergang der Hohenzollern in nähere oder fernere Aussicht gestellt wurde. In Berlin selbst, wie sich annehmen läßt, war das Interesse nicht geringer, und man begann nachzuforschen, nach welchem Manuscript die Veröffentlichung dieser Weis-
Die Lehninſche Meiſſagung.
Jetzo will ich, Lehnin, Dir ſorgſam ſingen die Zukunft, Die mir gewieſen der Herr, der einſtens alles erſchaffen. Vaticinium Lehninense.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, während der Regie- rungsjahre Friedrich WilhelmsI. erſchienen, an verſchied- nen Druckorten, theils ſelbſtſtändig, theils umfangreicheren Ar- beiten einverleibt, 100 gereimte lateiniſche Hexameter (ſogenannte Leoniniſche Verſe), die in dunklem Prophetenton über die Schick- ſale der Mark und ihrer Fürſten ſprachen und die Ueberſchrift führten: „Weiſſagung des ſeligen Bruders Herrmann, wei- land Lehniner Mönches, der ums Jahr 1300 lebte und blühte.“ Dieſe Verſe, die ſich gleich ſelbſt, in ihrer erſten Zeile, als eine Weiſſagung ankündigen („Jetzt weiſſage ich Dir, Lehnin, Dein künftiges Schickſal“) machten großes Aufſehen, da in denſelben mit bemerkenswerthem Geſchick und jedenfalls mit ungewöhnlicher poetiſcher Begabung das Ausſterben der Hohenzollern in der elften Generation nach JoachimII. und die gleichzeitige Rück- kehr der Mark in den Schooß der katholiſchen Kirche prophezeit wurde. Eine ſolche Prophezeihung war durchaus dazu angethan, Aufſehn zu erregen, da es auch damals (1721) in Deutſchland nicht an Parteien fehlte, die freudig aufhorchten, wenn der Untergang der Hohenzollern in nähere oder fernere Ausſicht geſtellt wurde. In Berlin ſelbſt, wie ſich annehmen läßt, war das Intereſſe nicht geringer, und man begann nachzuforſchen, nach welchem Manuſcript die Veröffentlichung dieſer Weiſ-
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[[110]/0128]
Die Lehninſche Meiſſagung.
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ſorgſam ſingen die Zukunft,
Die mir gewieſen der Herr, der
einſtens alles erſchaffen.
Vaticinium Lehninense.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, während der Regie-
rungsjahre Friedrich Wilhelms I. erſchienen, an verſchied-
nen Druckorten, theils ſelbſtſtändig, theils umfangreicheren Ar-
beiten einverleibt, 100 gereimte lateiniſche Hexameter (ſogenannte
Leoniniſche Verſe), die in dunklem Prophetenton über die Schick-
ſale der Mark und ihrer Fürſten ſprachen und die Ueberſchrift
führten: „Weiſſagung des ſeligen Bruders Herrmann, wei-
land Lehniner Mönches, der ums Jahr 1300 lebte und blühte.“
Dieſe Verſe, die ſich gleich ſelbſt, in ihrer erſten Zeile, als eine
Weiſſagung ankündigen („Jetzt weiſſage ich Dir, Lehnin, Dein
künftiges Schickſal“) machten großes Aufſehen, da in denſelben
mit bemerkenswerthem Geſchick und jedenfalls mit ungewöhnlicher
poetiſcher Begabung das Ausſterben der Hohenzollern in der
elften Generation nach Joachim II. und die gleichzeitige Rück-
kehr der Mark in den Schooß der katholiſchen Kirche prophezeit
wurde. Eine ſolche Prophezeihung war durchaus dazu angethan,
Aufſehn zu erregen, da es auch damals (1721) in Deutſchland
nicht an Parteien fehlte, die freudig aufhorchten, wenn der
Untergang der Hohenzollern in nähere oder fernere Ausſicht
geſtellt wurde. In Berlin ſelbſt, wie ſich annehmen läßt, war
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [110]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/128>, abgerufen am 26.11.2024.
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