waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu plaidiren. Solche entschuldigenden Umstände waren denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus der Anklage selbst entnehmen können, in dem Parteihaß, der eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in zwei Theile theilte. Es war die baierische Zeit; dies sagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propst von Bernau erschlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den Bischof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und in denen sich das Volk der Kirche so entfremdete, daß es ver- wundert aufhorchte, als zum ersten Male wieder die Glocken durch's Land klangen. Der alte Kampfesruf "hie Welf, hie Waibling!" schallte wieder aller Orten, und "bairisch oder päpstlich" klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiser und seiner Partei, war bairisch, der märkische Adel (vielfach zurückgesetzt) war anti- bairisch. Aus diesem Zustande ergaben sich Conflikte zwischen dem Kloster und dem benachbarten Adel fast wie von selbst, und die Ermordung Falco's, die nach den Aussagen Dietrichs von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gastfreundschaft erscheint, war möglicherweise nur blutige Abwehr, nur ein Rache-nehmen an einem Eindringling, der sich stark genug geglaubt hatte, den Klosterfrieden brechen zu dürfen. Ritter Falco und die Seinen, wenn sie wirklich Gäste des Klosters waren, waren vielleicht sehr ungebetene Gäste, Gäste, die sich nach eigenem Dafürhalten im Kloster einquartiert hatten, vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchst wahr- scheinlich (im Gegensatz zur Loburgschen Partei) zum Papste hielt. *)
*) Daß die Majorität des Klosters und dadurch das Kloster selbst entschieden bairisch war, ergiebt sich unter anderm daraus, daß Papst Clemens in seiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlassung nahm, dem Kloster seine Hinneigung zur Sache des bairi- schen Hauses vorzuwerfen. Auch das Erscheinen des Klage führen-
waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu plaidiren. Solche entſchuldigenden Umſtände waren denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus der Anklage ſelbſt entnehmen können, in dem Parteihaß, der eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in zwei Theile theilte. Es war die baieriſche Zeit; dies ſagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propſt von Bernau erſchlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den Biſchof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und in denen ſich das Volk der Kirche ſo entfremdete, daß es ver- wundert aufhorchte, als zum erſten Male wieder die Glocken durch’s Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie Waibling!“ ſchallte wieder aller Orten, und „bairiſch oder päpſtlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiſer und ſeiner Partei, war bairiſch, der märkiſche Adel (vielfach zurückgeſetzt) war anti- bairiſch. Aus dieſem Zuſtande ergaben ſich Conflikte zwiſchen dem Kloſter und dem benachbarten Adel faſt wie von ſelbſt, und die Ermordung Falco’s, die nach den Ausſagen Dietrichs von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gaſtfreundſchaft erſcheint, war möglicherweiſe nur blutige Abwehr, nur ein Rache-nehmen an einem Eindringling, der ſich ſtark genug geglaubt hatte, den Kloſterfrieden brechen zu dürfen. Ritter Falco und die Seinen, wenn ſie wirklich Gäſte des Kloſters waren, waren vielleicht ſehr ungebetene Gäſte, Gäſte, die ſich nach eigenem Dafürhalten im Kloſter einquartiert hatten, vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchſt wahr- ſcheinlich (im Gegenſatz zur Loburgſchen Partei) zum Papſte hielt. *)
*) Daß die Majorität des Kloſters und dadurch das Kloſter ſelbſt entſchieden bairiſch war, ergiebt ſich unter anderm daraus, daß Papſt Clemens in ſeiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlaſſung nahm, dem Kloſter ſeine Hinneigung zur Sache des bairi- ſchen Hauſes vorzuwerfen. Auch das Erſcheinen des Klage führen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0108"n="90"/>
waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade<lb/>
zu plaidiren. Solche entſchuldigenden Umſtände waren denn wohl<lb/>
auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus<lb/>
der Anklage ſelbſt entnehmen können, in dem Parteihaß, der<lb/>
eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in<lb/>
zwei Theile theilte. Es war die <hirendition="#g">baieriſche Zeit</hi>; dies ſagt<lb/>
alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propſt von<lb/>
Bernau erſchlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den<lb/>
Biſchof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes<lb/>
und des Interdikts, Tage, die <hirendition="#g">dreißig Jahre</hi> währten, und<lb/>
in denen ſich das Volk der Kirche ſo entfremdete, daß es ver-<lb/>
wundert aufhorchte, als zum erſten Male wieder die Glocken<lb/>
durch’s Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie<lb/>
Waibling!“ſchallte wieder aller Orten, und „bairiſch oder<lb/>
päpſtlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg.<lb/>
Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiſer und ſeiner Partei, war<lb/><hirendition="#g">bairiſch</hi>, der märkiſche Adel (vielfach zurückgeſetzt) war <hirendition="#g">anti-<lb/>
bairiſch</hi>. Aus dieſem Zuſtande ergaben ſich Conflikte zwiſchen<lb/>
dem Kloſter und dem benachbarten Adel faſt wie von ſelbſt, und<lb/>
die Ermordung <hirendition="#g">Falco’s</hi>, die nach den Ausſagen <hirendition="#g">Dietrichs</hi><lb/>
von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gaſtfreundſchaft<lb/>
erſcheint, war möglicherweiſe nur blutige Abwehr, nur ein<lb/>
Rache-nehmen an einem Eindringling, der ſich ſtark genug<lb/>
geglaubt hatte, den Kloſterfrieden brechen zu dürfen. Ritter<lb/><hirendition="#g">Falco</hi> und die Seinen, wenn ſie wirklich Gäſte des Kloſters<lb/>
waren, waren vielleicht ſehr <hirendition="#g">ungebetene Gäſte, Gäſte</hi>,<lb/>
die ſich nach eigenem Dafürhalten im Kloſter einquartiert hatten,<lb/>
vielleicht im Complott mit der <hirendition="#g">Minorität</hi>, die höchſt wahr-<lb/>ſcheinlich (im Gegenſatz zur Loburgſchen Partei) zum Papſte<lb/>
hielt. <notexml:id="note-0108"next="#note-0109"place="foot"n="*)">Daß die Majorität des Kloſters und dadurch das Kloſter ſelbſt<lb/>
entſchieden bairiſch war, ergiebt ſich unter anderm daraus, daß Papſt<lb/><hirendition="#g">Clemens</hi> in ſeiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlaſſung<lb/>
nahm, dem <hirendition="#g">Kloſter ſeine Hinneigung zur Sache des bairi-<lb/>ſchen Hauſes vorzuwerfen</hi>. Auch das Erſcheinen des Klage führen-</note></p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0108]
waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade
zu plaidiren. Solche entſchuldigenden Umſtände waren denn wohl
auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus
der Anklage ſelbſt entnehmen können, in dem Parteihaß, der
eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in
zwei Theile theilte. Es war die baieriſche Zeit; dies ſagt
alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propſt von
Bernau erſchlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den
Biſchof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes
und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und
in denen ſich das Volk der Kirche ſo entfremdete, daß es ver-
wundert aufhorchte, als zum erſten Male wieder die Glocken
durch’s Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie
Waibling!“ ſchallte wieder aller Orten, und „bairiſch oder
päpſtlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg.
Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiſer und ſeiner Partei, war
bairiſch, der märkiſche Adel (vielfach zurückgeſetzt) war anti-
bairiſch. Aus dieſem Zuſtande ergaben ſich Conflikte zwiſchen
dem Kloſter und dem benachbarten Adel faſt wie von ſelbſt, und
die Ermordung Falco’s, die nach den Ausſagen Dietrichs
von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gaſtfreundſchaft
erſcheint, war möglicherweiſe nur blutige Abwehr, nur ein
Rache-nehmen an einem Eindringling, der ſich ſtark genug
geglaubt hatte, den Kloſterfrieden brechen zu dürfen. Ritter
Falco und die Seinen, wenn ſie wirklich Gäſte des Kloſters
waren, waren vielleicht ſehr ungebetene Gäſte, Gäſte,
die ſich nach eigenem Dafürhalten im Kloſter einquartiert hatten,
vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchſt wahr-
ſcheinlich (im Gegenſatz zur Loburgſchen Partei) zum Papſte
hielt. *)
*) Daß die Majorität des Kloſters und dadurch das Kloſter ſelbſt
entſchieden bairiſch war, ergiebt ſich unter anderm daraus, daß Papſt
Clemens in ſeiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlaſſung
nahm, dem Kloſter ſeine Hinneigung zur Sache des bairi-
ſchen Hauſes vorzuwerfen. Auch das Erſcheinen des Klage führen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/108>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.