Seine ersten Feldzüge machte er unter Sparr, Derfflinger und Görtzke. Er focht mit in Polen (die dreitägige Schlacht bei Warschau), in Pommern, in Preußen und am Rhein. Bei Fehr- bellin war er höchst wahrscheinlich nicht, da er zu allen Zeiten beim Fußvolk stand, das brandenburgischerseits in dieser Reiterschlacht fast gar nicht zur Verwendung kam. Auch Schöning (aus gleichem Grunde, wie schon erzählt) fehlte bei Fehrbellin. Im Uebrigen be- gann schon damals der Unterschied zwischen Schöning und Barfus, auch in ihrer äußern Stellung hervorzutreten. Schöning war mit 35 Jahren Generalmajor, Barfus mit 35 Jahren -- Lieute- nant. Das durfte nicht Wunder nehmen. Erwies sich Schöning doch in allem und jedem als der "Ausnahmemensch", als der Mann der "großen Carriere". Barfus hingegen war der Durch- schnittsmensch, der Mann der Anciennität. Freilich gehörte er jener Classe von Personen zu, die man als die subalternen Genies bezeichnen könnte, zu jener Classe von Leuten, die eine mäßige Begabung glücklich und segensreich für sich und andere auszubeu- ten wissen. Ihre Tugenden sind Charaktersache und ihre Genialität heißt: Abwarten, Ausdauer, Consequenz. Eine solche Natur war die unseres Hans Albrecht.
Im Jahr 1670, fünfunddreißig Jahre alt, war er noch Lieutenant, aber sei es, daß die immer sich schneller folgenden Kriegszüge ihm eine rasch wachsende Gelegenheit gaben, sich aus- zuzeichnen, oder daß das Glück, das ihm so wenig hold gewesen war, plötzlich seine gute Laune ihm zuwandte, gleichviel, mit 35 Jahren noch Lieutenant, war er mit 43 Jahren bereits Obrist eines Regiments und wenige Jahre später Generalmajor. (In der neueren preußischen Kriegsgeschichte bietet vielleicht nur Gneisenau ein ähnliches Beispiel verspäteten und dann sehr raschen Avance- ments, Gneisenau, der 1806 noch Capitän und 1813 bereits Ge- nerallieutenant war.) Als solcher machte Barfus zwei Türkenzüge mit, den ersten (1683) behufs des Entsatzes von Wien, den an- dern (1686) wegen der Eroberung von Ofen. Die Belagerung dieser Festung und den besonders ruhmreichen Antheil, den Hans
Seine erſten Feldzüge machte er unter Sparr, Derfflinger und Görtzke. Er focht mit in Polen (die dreitägige Schlacht bei Warſchau), in Pommern, in Preußen und am Rhein. Bei Fehr- bellin war er höchſt wahrſcheinlich nicht, da er zu allen Zeiten beim Fußvolk ſtand, das brandenburgiſcherſeits in dieſer Reiterſchlacht faſt gar nicht zur Verwendung kam. Auch Schöning (aus gleichem Grunde, wie ſchon erzählt) fehlte bei Fehrbellin. Im Uebrigen be- gann ſchon damals der Unterſchied zwiſchen Schöning und Barfus, auch in ihrer äußern Stellung hervorzutreten. Schöning war mit 35 Jahren Generalmajor, Barfus mit 35 Jahren — Lieute- nant. Das durfte nicht Wunder nehmen. Erwies ſich Schöning doch in allem und jedem als der „Ausnahmemenſch“, als der Mann der „großen Carrière“. Barfus hingegen war der Durch- ſchnittsmenſch, der Mann der Anciennität. Freilich gehörte er jener Claſſe von Perſonen zu, die man als die ſubalternen Genies bezeichnen könnte, zu jener Claſſe von Leuten, die eine mäßige Begabung glücklich und ſegensreich für ſich und andere auszubeu- ten wiſſen. Ihre Tugenden ſind Charakterſache und ihre Genialität heißt: Abwarten, Ausdauer, Conſequenz. Eine ſolche Natur war die unſeres Hans Albrecht.
Im Jahr 1670, fünfunddreißig Jahre alt, war er noch Lieutenant, aber ſei es, daß die immer ſich ſchneller folgenden Kriegszüge ihm eine raſch wachſende Gelegenheit gaben, ſich aus- zuzeichnen, oder daß das Glück, das ihm ſo wenig hold geweſen war, plötzlich ſeine gute Laune ihm zuwandte, gleichviel, mit 35 Jahren noch Lieutenant, war er mit 43 Jahren bereits Obriſt eines Regiments und wenige Jahre ſpäter Generalmajor. (In der neueren preußiſchen Kriegsgeſchichte bietet vielleicht nur Gneiſenau ein ähnliches Beiſpiel verſpäteten und dann ſehr raſchen Avance- ments, Gneiſenau, der 1806 noch Capitän und 1813 bereits Ge- nerallieutenant war.) Als ſolcher machte Barfus zwei Türkenzüge mit, den erſten (1683) behufs des Entſatzes von Wien, den an- dern (1686) wegen der Eroberung von Ofen. Die Belagerung dieſer Feſtung und den beſonders ruhmreichen Antheil, den Hans
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Seine erſten Feldzüge machte er unter Sparr, Derfflinger
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Warſchau), in Pommern, in Preußen und am Rhein. Bei Fehr-
bellin war er höchſt wahrſcheinlich nicht, da er zu allen Zeiten beim
Fußvolk ſtand, das brandenburgiſcherſeits in dieſer Reiterſchlacht faſt
gar nicht zur Verwendung kam. Auch Schöning (aus gleichem
Grunde, wie ſchon erzählt) fehlte bei Fehrbellin. Im Uebrigen be-
gann ſchon damals der Unterſchied zwiſchen Schöning und Barfus,
auch in ihrer äußern Stellung hervorzutreten. Schöning war mit
35 Jahren Generalmajor, Barfus mit 35 Jahren — Lieute-
nant. Das durfte nicht Wunder nehmen. Erwies ſich Schöning
doch in allem und jedem als der „Ausnahmemenſch“, als der
Mann der „großen Carrière“. Barfus hingegen war der Durch-
ſchnittsmenſch, der Mann der Anciennität. Freilich gehörte er jener
Claſſe von Perſonen zu, die man als die ſubalternen Genies
bezeichnen könnte, zu jener Claſſe von Leuten, die eine mäßige
Begabung glücklich und ſegensreich für ſich und andere auszubeu-
ten wiſſen. Ihre Tugenden ſind Charakterſache und ihre Genialität
heißt: Abwarten, Ausdauer, Conſequenz. Eine ſolche Natur war
die unſeres Hans Albrecht.
Im Jahr 1670, fünfunddreißig Jahre alt, war er noch
Lieutenant, aber ſei es, daß die immer ſich ſchneller folgenden
Kriegszüge ihm eine raſch wachſende Gelegenheit gaben, ſich aus-
zuzeichnen, oder daß das Glück, das ihm ſo wenig hold geweſen
war, plötzlich ſeine gute Laune ihm zuwandte, gleichviel, mit 35
Jahren noch Lieutenant, war er mit 43 Jahren bereits Obriſt
eines Regiments und wenige Jahre ſpäter Generalmajor. (In der
neueren preußiſchen Kriegsgeſchichte bietet vielleicht nur Gneiſenau
ein ähnliches Beiſpiel verſpäteten und dann ſehr raſchen Avance-
ments, Gneiſenau, der 1806 noch Capitän und 1813 bereits Ge-
nerallieutenant war.) Als ſolcher machte Barfus zwei Türkenzüge
mit, den erſten (1683) behufs des Entſatzes von Wien, den an-
dern (1686) wegen der Eroberung von Ofen. Die Belagerung
dieſer Feſtung und den beſonders ruhmreichen Antheil, den Hans
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/98>, abgerufen am 23.11.2024.
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