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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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So vergingen Jahrhunderte. Die Eichen wurden immer höher,
das Gestrüpp immer dichter, -- die alte Stadt schien verschwunden.
Nur um die Winterzeit, wenn Alles kahl stand, wurden die Reste
alten Mauerwerkes sichtbar. Aber wer war, der ihrer geachtet hätte?
Es waren die Zeiten des 30jährigen Krieges und der Jahre, die
folgten; -- so viele Dorf- und Stadtstellen lagen wüst, so viel
neue Herde waren zerstört; wer hätte Lust und Zeit gehabt, sich
um alte, halbvergessene Zerstörung zu kümmern?

So kam das Jahr 1689 und mit diesem Jahre tritt die
alte Stadt, die bis 1375 ein Stück wirklicher Geschichte gehabt
hatte und dann erst sagenhaft geworden war, aufs Neue in die
Geschichte ein. 1689 besuchte Bürgermeister Grüvel aus Kremmen
die Stadtstelle und fand noch Feldsteinmauern, die den Boden in
Mannshöhe überragten. Von da ab folgten weitere Besuche in
immer kürzeren Zwischenräumen: Beckmann um 1750, Bernouilli
um 1777; beide fanden Mauerreste und hielten sie für die Ueber-
bleibsel einer alten Stadt. Noch andere Reisende kamen; aber
ausführlichere Mittheilungen gelangten erst wieder zur Kenntniß
des Publicums, als im Jahre 1843 der Geistliche des benachbar-
ten Dorfes Prötzel, einen auf genaue Forschung gegründeten Bericht
veröffentlichte. In diesem heißt es: Die merkwürdige Stadtstelle
Blumenthal ist unstreitig *) in alten Zeiten ein menschlicher
Wohnort gewesen. Man sieht noch jetzt Spuren von Feldstein-
mauern. Vor einigen Jahren sind von den Waldarbeitern mehrere
Werkzeuge, Hämmer, Sporen u. dergl. gefunden worden, die, den
Kindern dann zum Spielen gegeben, leider wieder verloren gingen.
Kalk wird noch jetzt dort gefunden. Die Stadt soll von den Hus-

*) Dies "unstreitig" bezieht sich auf die Klödenschen Auslassungen
über die "Stadtstelle", die es bestreiten, daß hier eine Stadt gestanden
habe. Er nimmt an, daß es eine heidnische Begräbnißstätte gewe-
sen sei und findet in den Steinreihen nichts als eine Art Feldstein-Um-
zäunung oder Einfriedigung dieser Stätte. Er irrt darin ganz unbedingt.
Hätte er die Stelle gesehen, wie sie jetzt daliegt, so hätte er sich auf den
flüchtigsten Blick von seinem Irrthum überzeugen müssen.

So vergingen Jahrhunderte. Die Eichen wurden immer höher,
das Geſtrüpp immer dichter, — die alte Stadt ſchien verſchwunden.
Nur um die Winterzeit, wenn Alles kahl ſtand, wurden die Reſte
alten Mauerwerkes ſichtbar. Aber wer war, der ihrer geachtet hätte?
Es waren die Zeiten des 30jährigen Krieges und der Jahre, die
folgten; — ſo viele Dorf- und Stadtſtellen lagen wüſt, ſo viel
neue Herde waren zerſtört; wer hätte Luſt und Zeit gehabt, ſich
um alte, halbvergeſſene Zerſtörung zu kümmern?

So kam das Jahr 1689 und mit dieſem Jahre tritt die
alte Stadt, die bis 1375 ein Stück wirklicher Geſchichte gehabt
hatte und dann erſt ſagenhaft geworden war, aufs Neue in die
Geſchichte ein. 1689 beſuchte Bürgermeiſter Grüvel aus Kremmen
die Stadtſtelle und fand noch Feldſteinmauern, die den Boden in
Mannshöhe überragten. Von da ab folgten weitere Beſuche in
immer kürzeren Zwiſchenräumen: Beckmann um 1750, Bernouilli
um 1777; beide fanden Mauerreſte und hielten ſie für die Ueber-
bleibſel einer alten Stadt. Noch andere Reiſende kamen; aber
ausführlichere Mittheilungen gelangten erſt wieder zur Kenntniß
des Publicums, als im Jahre 1843 der Geiſtliche des benachbar-
ten Dorfes Prötzel, einen auf genaue Forſchung gegründeten Bericht
veröffentlichte. In dieſem heißt es: Die merkwürdige Stadtſtelle
Blumenthal iſt unſtreitig *) in alten Zeiten ein menſchlicher
Wohnort geweſen. Man ſieht noch jetzt Spuren von Feldſtein-
mauern. Vor einigen Jahren ſind von den Waldarbeitern mehrere
Werkzeuge, Hämmer, Sporen u. dergl. gefunden worden, die, den
Kindern dann zum Spielen gegeben, leider wieder verloren gingen.
Kalk wird noch jetzt dort gefunden. Die Stadt ſoll von den Huſ-

*) Dies „unſtreitig“ bezieht ſich auf die Klödenſchen Auslaſſungen
über die „Stadtſtelle“, die es beſtreiten, daß hier eine Stadt geſtanden
habe. Er nimmt an, daß es eine heidniſche Begräbnißſtätte gewe-
ſen ſei und findet in den Steinreihen nichts als eine Art Feldſtein-Um-
zäunung oder Einfriedigung dieſer Stätte. Er irrt darin ganz unbedingt.
Hätte er die Stelle geſehen, wie ſie jetzt daliegt, ſo hätte er ſich auf den
flüchtigſten Blick von ſeinem Irrthum überzeugen müſſen.
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[74/0086] So vergingen Jahrhunderte. Die Eichen wurden immer höher, das Geſtrüpp immer dichter, — die alte Stadt ſchien verſchwunden. Nur um die Winterzeit, wenn Alles kahl ſtand, wurden die Reſte alten Mauerwerkes ſichtbar. Aber wer war, der ihrer geachtet hätte? Es waren die Zeiten des 30jährigen Krieges und der Jahre, die folgten; — ſo viele Dorf- und Stadtſtellen lagen wüſt, ſo viel neue Herde waren zerſtört; wer hätte Luſt und Zeit gehabt, ſich um alte, halbvergeſſene Zerſtörung zu kümmern? So kam das Jahr 1689 und mit dieſem Jahre tritt die alte Stadt, die bis 1375 ein Stück wirklicher Geſchichte gehabt hatte und dann erſt ſagenhaft geworden war, aufs Neue in die Geſchichte ein. 1689 beſuchte Bürgermeiſter Grüvel aus Kremmen die Stadtſtelle und fand noch Feldſteinmauern, die den Boden in Mannshöhe überragten. Von da ab folgten weitere Beſuche in immer kürzeren Zwiſchenräumen: Beckmann um 1750, Bernouilli um 1777; beide fanden Mauerreſte und hielten ſie für die Ueber- bleibſel einer alten Stadt. Noch andere Reiſende kamen; aber ausführlichere Mittheilungen gelangten erſt wieder zur Kenntniß des Publicums, als im Jahre 1843 der Geiſtliche des benachbar- ten Dorfes Prötzel, einen auf genaue Forſchung gegründeten Bericht veröffentlichte. In dieſem heißt es: Die merkwürdige Stadtſtelle Blumenthal iſt unſtreitig *) in alten Zeiten ein menſchlicher Wohnort geweſen. Man ſieht noch jetzt Spuren von Feldſtein- mauern. Vor einigen Jahren ſind von den Waldarbeitern mehrere Werkzeuge, Hämmer, Sporen u. dergl. gefunden worden, die, den Kindern dann zum Spielen gegeben, leider wieder verloren gingen. Kalk wird noch jetzt dort gefunden. Die Stadt ſoll von den Huſ- *) Dies „unſtreitig“ bezieht ſich auf die Klödenſchen Auslaſſungen über die „Stadtſtelle“, die es beſtreiten, daß hier eine Stadt geſtanden habe. Er nimmt an, daß es eine heidniſche Begräbnißſtätte gewe- ſen ſei und findet in den Steinreihen nichts als eine Art Feldſtein-Um- zäunung oder Einfriedigung dieſer Stätte. Er irrt darin ganz unbedingt. Hätte er die Stelle geſehen, wie ſie jetzt daliegt, ſo hätte er ſich auf den flüchtigſten Blick von ſeinem Irrthum überzeugen müſſen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/86>, abgerufen am 23.11.2024.