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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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zu bebauen, aber diese Absichten scheiterten an der Ungunst der
Zeiten. 1348 war das große Sterben; 50 Jahre später, als neue
Colonisten muthmaßlich eben anfingen dem todten Orte ein neues
Leben zu geben, fielen die Pommern ins Land und wieder 30
Jahre später ging der Hussitenzug (der bei Bernau sein Ende
fand) mit Mord und Brand über "den Blumenthal" hin. In
80 Jahren die Pest, die Pommern und die Hussiten, -- das war
zu viel für das Leben von Blumendal. Ein Fluch schien über den
Ort ausgesprochen zu sein. Er war nun wirklich todt, die Wieder-
belebungsversuche blieben aus und das Mauerwerk zerfiel. Der
Wald mit Eichen und Schlingkraut zog in die offenen Thore ein
und die Mallinekens rankten und blühten über Steintrog und
Brunnen hinweg. Die Sage fing an ihre Kreise um diesen Stein-
platz zu ziehen und ehe ein Jahrhundert um war, war es ein
unheimlicher Ort, eine "verwunschene Stelle." Jeder mied sie. Wie
es Seen und Seestellen giebt, wo die Fischer nicht fischen, weil sie
fürchten, daß eine Hand aus der Tiefe fahren und sie hernieder
zerren wird, so berührte kein Jäger die Stelle, wo die alte Stadt
gestanden hatte. Rundum tobte die Jagd, die Kurfürsten selbst
jagten hier mit "Hund und Horn"; aber vorüber an der
Stadtstelle zog der Zug. Und waren Kinder beim Himbeersuchen
unerwartet unter das alte Mauerwerk gerathen, so befiel sie's
plötzlich wie bittere Todesangst und sie flohen blindlings, durch
Gestrüpp und Dorn, bis sie zitternd und athemlos die Ihrigen
erreichten. Was gab es da nicht alles zu erzählen! So wuchs die
Sage und zog immer festere Kreise um die "Stadt im Wald." Immer
gefürchteter wurde der Platz. Selbst das Wild schien die Stelle zu
meiden und nur Bache und Keiler hatten ihre Tummelplätze hier.
An den tiefer gelegenen Stellen der "alten Stadt", wo aus
moderndem Eichenlaub und sickerndem Quellwasser sich Sumpfland-
stücke gebildet hatten, kamen die Wildschweinsheerden aus dem
ganzen "Blumenthal" zusammen und wenn sie dann in Mond-
scheinnächten ihre Feste feierten, klang ihr unheimliches Getös bis
weit in den Wald hinein und mehrte die Schauer des Orts.


zu bebauen, aber dieſe Abſichten ſcheiterten an der Ungunſt der
Zeiten. 1348 war das große Sterben; 50 Jahre ſpäter, als neue
Coloniſten muthmaßlich eben anfingen dem todten Orte ein neues
Leben zu geben, fielen die Pommern ins Land und wieder 30
Jahre ſpäter ging der Huſſitenzug (der bei Bernau ſein Ende
fand) mit Mord und Brand über „den Blumenthal“ hin. In
80 Jahren die Peſt, die Pommern und die Huſſiten, — das war
zu viel für das Leben von Blumendal. Ein Fluch ſchien über den
Ort ausgeſprochen zu ſein. Er war nun wirklich todt, die Wieder-
belebungsverſuche blieben aus und das Mauerwerk zerfiel. Der
Wald mit Eichen und Schlingkraut zog in die offenen Thore ein
und die Mallinekens rankten und blühten über Steintrog und
Brunnen hinweg. Die Sage fing an ihre Kreiſe um dieſen Stein-
platz zu ziehen und ehe ein Jahrhundert um war, war es ein
unheimlicher Ort, eine „verwunſchene Stelle.“ Jeder mied ſie. Wie
es Seen und Seeſtellen giebt, wo die Fiſcher nicht fiſchen, weil ſie
fürchten, daß eine Hand aus der Tiefe fahren und ſie hernieder
zerren wird, ſo berührte kein Jäger die Stelle, wo die alte Stadt
geſtanden hatte. Rundum tobte die Jagd, die Kurfürſten ſelbſt
jagten hier mit „Hund und Horn“; aber vorüber an der
Stadtſtelle zog der Zug. Und waren Kinder beim Himbeerſuchen
unerwartet unter das alte Mauerwerk gerathen, ſo befiel ſie’s
plötzlich wie bittere Todesangſt und ſie flohen blindlings, durch
Geſtrüpp und Dorn, bis ſie zitternd und athemlos die Ihrigen
erreichten. Was gab es da nicht alles zu erzählen! So wuchs die
Sage und zog immer feſtere Kreiſe um die „Stadt im Wald.“ Immer
gefürchteter wurde der Platz. Selbſt das Wild ſchien die Stelle zu
meiden und nur Bache und Keiler hatten ihre Tummelplätze hier.
An den tiefer gelegenen Stellen der „alten Stadt“, wo aus
moderndem Eichenlaub und ſickerndem Quellwaſſer ſich Sumpfland-
ſtücke gebildet hatten, kamen die Wildſchweinsheerden aus dem
ganzen „Blumenthal“ zuſammen und wenn ſie dann in Mond-
ſcheinnächten ihre Feſte feierten, klang ihr unheimliches Getös bis
weit in den Wald hinein und mehrte die Schauer des Orts.


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[73/0085] zu bebauen, aber dieſe Abſichten ſcheiterten an der Ungunſt der Zeiten. 1348 war das große Sterben; 50 Jahre ſpäter, als neue Coloniſten muthmaßlich eben anfingen dem todten Orte ein neues Leben zu geben, fielen die Pommern ins Land und wieder 30 Jahre ſpäter ging der Huſſitenzug (der bei Bernau ſein Ende fand) mit Mord und Brand über „den Blumenthal“ hin. In 80 Jahren die Peſt, die Pommern und die Huſſiten, — das war zu viel für das Leben von Blumendal. Ein Fluch ſchien über den Ort ausgeſprochen zu ſein. Er war nun wirklich todt, die Wieder- belebungsverſuche blieben aus und das Mauerwerk zerfiel. Der Wald mit Eichen und Schlingkraut zog in die offenen Thore ein und die Mallinekens rankten und blühten über Steintrog und Brunnen hinweg. Die Sage fing an ihre Kreiſe um dieſen Stein- platz zu ziehen und ehe ein Jahrhundert um war, war es ein unheimlicher Ort, eine „verwunſchene Stelle.“ Jeder mied ſie. Wie es Seen und Seeſtellen giebt, wo die Fiſcher nicht fiſchen, weil ſie fürchten, daß eine Hand aus der Tiefe fahren und ſie hernieder zerren wird, ſo berührte kein Jäger die Stelle, wo die alte Stadt geſtanden hatte. Rundum tobte die Jagd, die Kurfürſten ſelbſt jagten hier mit „Hund und Horn“; aber vorüber an der Stadtſtelle zog der Zug. Und waren Kinder beim Himbeerſuchen unerwartet unter das alte Mauerwerk gerathen, ſo befiel ſie’s plötzlich wie bittere Todesangſt und ſie flohen blindlings, durch Geſtrüpp und Dorn, bis ſie zitternd und athemlos die Ihrigen erreichten. Was gab es da nicht alles zu erzählen! So wuchs die Sage und zog immer feſtere Kreiſe um die „Stadt im Wald.“ Immer gefürchteter wurde der Platz. Selbſt das Wild ſchien die Stelle zu meiden und nur Bache und Keiler hatten ihre Tummelplätze hier. An den tiefer gelegenen Stellen der „alten Stadt“, wo aus moderndem Eichenlaub und ſickerndem Quellwaſſer ſich Sumpfland- ſtücke gebildet hatten, kamen die Wildſchweinsheerden aus dem ganzen „Blumenthal“ zuſammen und wenn ſie dann in Mond- ſcheinnächten ihre Feſte feierten, klang ihr unheimliches Getös bis weit in den Wald hinein und mehrte die Schauer des Orts.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/85>, abgerufen am 23.11.2024.