machte nämlich, wenn überhaupt eine passirbare und möglichst gerade Straße geschaffen werden sollte, die Ueberbrückung des Gamen-Grundes nöthig, und da die Herstellung eines Dammes als passendstes Mittel dafür erschien, so wurde eine Art Viaduct quer durch die Schlucht geführt, der nun das Hüben und Drüben des Hügellandes verbindet. Von der Höhe dieses Viaducts aus blickt man nun nach links hin in die Wassertiefe des Gamen- Sees, nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen-Grundes hinab. Der Vorüberfahrende fühlt sich wie an diese Stelle gebannt, und der Eiligste hat es nicht eilig genug, um nicht ein paar Minuten an dieser Stelle zu verweilen. Beide Bilder sind schön, auch einzeln betrachtet; aber wie überall da, wo zwei Landschafts- bilder neben einander hängen, das eine die Wirkung des andern unterstützt und beide erst, wie Abend und Morgen, eine höhere Einheit herstellen, so schöpft auch hier jedes einzelne der beiden Bilder einen gesteigerten Reiz aus der Nachbarschaft des andern. Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der Gamen-See, wie ein Flußarm, windet sich in leis gespanntem Bogen zwischen den Tannenhügeln hin und nichts unterbricht die Stille, als ein plät- schernder Fisch, den die Nachmittagssonne an die Oberfläche treibt. Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem Grunde herauf, bis an die Höhe des Dammes (beinahe greifbar für unsere Hände) steigen die ältesten Eichen des Waldes, und während sich die Stämme in Schatten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne über die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge steigen auf und nieder und die Vögel singen in einer Herzlichkeit, als wäre dies das Thal des Lebens und als wäre nie ein Falk oder Weih über den Gamen-Grund hingezogen. In der Ferne Kukukruf und ein blauer Himmel über dem Ganzen, heiß und fest wie eine Glocke.
Die Westhälfte des "Blumenthals" ist der landschaftlich
kann, ist die Glienicker Brücke, die sich unterhalb des Babelsberges über die Havel zieht. Der Blick von Babelsberg erhält erst dadurch seinen vollen Reiz.
machte nämlich, wenn überhaupt eine paſſirbare und möglichſt gerade Straße geſchaffen werden ſollte, die Ueberbrückung des Gamen-Grundes nöthig, und da die Herſtellung eines Dammes als paſſendſtes Mittel dafür erſchien, ſo wurde eine Art Viaduct quer durch die Schlucht geführt, der nun das Hüben und Drüben des Hügellandes verbindet. Von der Höhe dieſes Viaducts aus blickt man nun nach links hin in die Waſſertiefe des Gamen- Sees, nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen-Grundes hinab. Der Vorüberfahrende fühlt ſich wie an dieſe Stelle gebannt, und der Eiligſte hat es nicht eilig genug, um nicht ein paar Minuten an dieſer Stelle zu verweilen. Beide Bilder ſind ſchön, auch einzeln betrachtet; aber wie überall da, wo zwei Landſchafts- bilder neben einander hängen, das eine die Wirkung des andern unterſtützt und beide erſt, wie Abend und Morgen, eine höhere Einheit herſtellen, ſo ſchöpft auch hier jedes einzelne der beiden Bilder einen geſteigerten Reiz aus der Nachbarſchaft des andern. Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der Gamen-See, wie ein Flußarm, windet ſich in leis geſpanntem Bogen zwiſchen den Tannenhügeln hin und nichts unterbricht die Stille, als ein plät- ſchernder Fiſch, den die Nachmittagsſonne an die Oberfläche treibt. Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem Grunde herauf, bis an die Höhe des Dammes (beinahe greifbar für unſere Hände) ſteigen die älteſten Eichen des Waldes, und während ſich die Stämme in Schatten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne über die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge ſteigen auf und nieder und die Vögel ſingen in einer Herzlichkeit, als wäre dies das Thal des Lebens und als wäre nie ein Falk oder Weih über den Gamen-Grund hingezogen. In der Ferne Kukukruf und ein blauer Himmel über dem Ganzen, heiß und feſt wie eine Glocke.
Die Weſthälfte des „Blumenthals“ iſt der landſchaftlich
kann, iſt die Glienicker Brücke, die ſich unterhalb des Babelsberges über die Havel zieht. Der Blick von Babelsberg erhält erſt dadurch ſeinen vollen Reiz.
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machte nämlich, wenn überhaupt eine paſſirbare und möglichſt
gerade Straße geſchaffen werden ſollte, die Ueberbrückung des
Gamen-Grundes nöthig, und da die Herſtellung eines Dammes
als paſſendſtes Mittel dafür erſchien, ſo wurde eine Art Viaduct
quer durch die Schlucht geführt, der nun das Hüben und Drüben
des Hügellandes verbindet. Von der Höhe dieſes Viaducts aus
blickt man nun nach links hin in die Waſſertiefe des Gamen-
Sees, nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen-Grundes
hinab. Der Vorüberfahrende fühlt ſich wie an dieſe Stelle gebannt,
und der Eiligſte hat es nicht eilig genug, um nicht ein paar
Minuten an dieſer Stelle zu verweilen. Beide Bilder ſind ſchön,
auch einzeln betrachtet; aber wie überall da, wo zwei Landſchafts-
bilder neben einander hängen, das eine die Wirkung des andern
unterſtützt und beide erſt, wie Abend und Morgen, eine höhere
Einheit herſtellen, ſo ſchöpft auch hier jedes einzelne der beiden
Bilder einen geſteigerten Reiz aus der Nachbarſchaft des andern.
Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der Gamen-See, wie
ein Flußarm, windet ſich in leis geſpanntem Bogen zwiſchen den
Tannenhügeln hin und nichts unterbricht die Stille, als ein plät-
ſchernder Fiſch, den die Nachmittagsſonne an die Oberfläche treibt.
Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem Grunde herauf, bis
an die Höhe des Dammes (beinahe greifbar für unſere Hände)
ſteigen die älteſten Eichen des Waldes, und während ſich die
Stämme in Schatten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne
über die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge ſteigen auf
und nieder und die Vögel ſingen in einer Herzlichkeit, als wäre
dies das Thal des Lebens und als wäre nie ein Falk oder Weih
über den Gamen-Grund hingezogen. In der Ferne Kukukruf und
ein blauer Himmel über dem Ganzen, heiß und feſt wie eine Glocke.
Die Weſthälfte des „Blumenthals“ iſt der landſchaftlich
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*) kann, iſt die Glienicker Brücke, die ſich unterhalb des Babelsberges über
die Havel zieht. Der Blick von Babelsberg erhält erſt dadurch ſeinen
vollen Reiz.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/83>, abgerufen am 23.11.2024.
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