hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem Blühdorn folgt die Hagerose und dem Faulbaum der Akazienstrauch; die rothen Erd- beeren lösen sich ab mit den rötheren "Malinekens" (wie der Land- mann, poetischen Klanges, hier die Himbeeren nennt) und wenn endlich der Herbst kommt, so lachen die Ebreschen-Beeren überall aus dem dunklen Laube hervor. Dabei ein Reichthum an Hölzern, wie ihn Märkische Forsten wohl kaum zum zweiten Male zeigen. In reichstem Gemisch stehen alle Arten von Laub- und Nadelholz; Eiche und Edeltanne, Else und Kiefer, Buche und Lärchenbaum machen sich den Rang der Schönheit streitig; vor allem aber ist es die Birke, der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und langem Haar vorüber fliegt und das Auge des Reisenden immer wieder entzückt.
Der Blumenthal ist fast 2 Meilen lang und ziemlich eben so breit. Hier und dort aber, wie schon angedeutet, unterbrechen weite Ackerstrecken das Waldrevier und dringen, von rechts und links her, bis zur Chaussee hin vor. Ungefähr in der Mitte des Waldes treffen von Nord und Süd zwei solcher Einschnitte beinahe zusammen und theilen dadurch den Forst in zwei ziemlich gleiche Hälften, in eine westliche und eine östliche, oder in eine Wer- neuchensche und eine Prötzelsche Hälfte. Die erste ist die landschaft- lich schönere, die andere die historisch interessantere.
Der schönste Punkt der westlichen Hälfte ist der Gamen- Grund, genau eine Meile östlich von Werneuchen gelegen. Dies war die Waldesstelle, wo Schmidt von Werneuchen, Jahr aus Jahr ein, die Sommer- und Familienfeste zu feiern liebte. Sein feiner Natursinn bekundete sich auch in der Wahl dieser Stelle. Sie ist von aparter Schönheit, und während sonst der Bau einer Chaussee wenig zum Reiz einer Landschaft beizusteuern pflegt, liegt hier ein Fall vor, wo das Landschaftsbild durch die durchschnei- dende Weglinie entschieden gewonnen hat. *) Der Chausseebau
*) Das glänzendste Beispiel hierlandes, wie solche schnurgerade, durch die Landschaft gezogene Linie die Schönheit des Bildes wesentlich erhöhen
hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem Blühdorn folgt die Hageroſe und dem Faulbaum der Akazienſtrauch; die rothen Erd- beeren löſen ſich ab mit den rötheren „Malinekens“ (wie der Land- mann, poetiſchen Klanges, hier die Himbeeren nennt) und wenn endlich der Herbſt kommt, ſo lachen die Ebreſchen-Beeren überall aus dem dunklen Laube hervor. Dabei ein Reichthum an Hölzern, wie ihn Märkiſche Forſten wohl kaum zum zweiten Male zeigen. In reichſtem Gemiſch ſtehen alle Arten von Laub- und Nadelholz; Eiche und Edeltanne, Elſe und Kiefer, Buche und Lärchenbaum machen ſich den Rang der Schönheit ſtreitig; vor allem aber iſt es die Birke, der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und langem Haar vorüber fliegt und das Auge des Reiſenden immer wieder entzückt.
Der Blumenthal iſt faſt 2 Meilen lang und ziemlich eben ſo breit. Hier und dort aber, wie ſchon angedeutet, unterbrechen weite Ackerſtrecken das Waldrevier und dringen, von rechts und links her, bis zur Chauſſee hin vor. Ungefähr in der Mitte des Waldes treffen von Nord und Süd zwei ſolcher Einſchnitte beinahe zuſammen und theilen dadurch den Forſt in zwei ziemlich gleiche Hälften, in eine weſtliche und eine öſtliche, oder in eine Wer- neuchenſche und eine Prötzelſche Hälfte. Die erſte iſt die landſchaft- lich ſchönere, die andere die hiſtoriſch intereſſantere.
Der ſchönſte Punkt der weſtlichen Hälfte iſt der Gamen- Grund, genau eine Meile öſtlich von Werneuchen gelegen. Dies war die Waldesſtelle, wo Schmidt von Werneuchen, Jahr aus Jahr ein, die Sommer- und Familienfeſte zu feiern liebte. Sein feiner Naturſinn bekundete ſich auch in der Wahl dieſer Stelle. Sie iſt von aparter Schönheit, und während ſonſt der Bau einer Chauſſee wenig zum Reiz einer Landſchaft beizuſteuern pflegt, liegt hier ein Fall vor, wo das Landſchaftsbild durch die durchſchnei- dende Weglinie entſchieden gewonnen hat. *) Der Chauſſeebau
*) Das glänzendſte Beiſpiel hierlandes, wie ſolche ſchnurgerade, durch die Landſchaft gezogene Linie die Schönheit des Bildes weſentlich erhöhen
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hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem Blühdorn folgt die
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beeren löſen ſich ab mit den rötheren „Malinekens“ (wie der Land-
mann, poetiſchen Klanges, hier die Himbeeren nennt) und wenn
endlich der Herbſt kommt, ſo lachen die Ebreſchen-Beeren überall
aus dem dunklen Laube hervor. Dabei ein Reichthum an Hölzern,
wie ihn Märkiſche Forſten wohl kaum zum zweiten Male zeigen.
In reichſtem Gemiſch ſtehen alle Arten von Laub- und Nadelholz;
Eiche und Edeltanne, Elſe und Kiefer, Buche und Lärchenbaum
machen ſich den Rang der Schönheit ſtreitig; vor allem aber iſt
es die Birke, der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und
langem Haar vorüber fliegt und das Auge des Reiſenden immer
wieder entzückt.
Der Blumenthal iſt faſt 2 Meilen lang und ziemlich eben
ſo breit. Hier und dort aber, wie ſchon angedeutet, unterbrechen
weite Ackerſtrecken das Waldrevier und dringen, von rechts und
links her, bis zur Chauſſee hin vor. Ungefähr in der Mitte des
Waldes treffen von Nord und Süd zwei ſolcher Einſchnitte beinahe
zuſammen und theilen dadurch den Forſt in zwei ziemlich gleiche
Hälften, in eine weſtliche und eine öſtliche, oder in eine Wer-
neuchenſche und eine Prötzelſche Hälfte. Die erſte iſt die landſchaft-
lich ſchönere, die andere die hiſtoriſch intereſſantere.
Der ſchönſte Punkt der weſtlichen Hälfte iſt der Gamen-
Grund, genau eine Meile öſtlich von Werneuchen gelegen. Dies
war die Waldesſtelle, wo Schmidt von Werneuchen, Jahr aus
Jahr ein, die Sommer- und Familienfeſte zu feiern liebte. Sein
feiner Naturſinn bekundete ſich auch in der Wahl dieſer Stelle.
Sie iſt von aparter Schönheit, und während ſonſt der Bau einer
Chauſſee wenig zum Reiz einer Landſchaft beizuſteuern pflegt, liegt
hier ein Fall vor, wo das Landſchaftsbild durch die durchſchnei-
dende Weglinie entſchieden gewonnen hat. *) Der Chauſſeebau
*) Das glänzendſte Beiſpiel hierlandes, wie ſolche ſchnurgerade, durch
die Landſchaft gezogene Linie die Schönheit des Bildes weſentlich erhöhen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/82>, abgerufen am 27.11.2024.
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