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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Er wartete, es wurde nicht anders. Nun wurde ihm die Sache
bedenklich. Er weckte den Alten; der Alte kam und alles Haus-
gesinde mit ihm. Aber es blieb, wie es war. "De snacksche Kerel
steiht ümmer noch", wiederholte der Sohn. Und in der That, im
Nebel des Novembermorgens, grau, gespenstisch, räthselvoll, stand
eine Figur auf dem Schlachtenstein. Welche Hypothesen in jener
Stunde durch die verschiedenen Köpfe der Familie Mertens gegan-
gen sein mögen, ist schwer zu sagen. Endlich, wie sich von selbst
versteht, löste sich der Spuk."

"Die Mertensschen waren nun zufrieden, auch die Zorndorfer
und die Quartschener vielleicht; aber Graf Schwerin, der diese
Umwandlung geschaffen hatte, war es keineswegs. Sein künstleri-
sches Gewissen schlug ihm, und wenn Anfangs das gute Herz über
die ästhetischen Instinkte gesiegt hatte, so rächten sich diese jetzt und
drangen ihrerseits auf Abhülfe. Der Graf, der zeitlebens nur Gutes
gethan hatte, ging an dem "alten Fritz" vorbei, wie an einer
Schuld, welche Sühne verlangt."

"Er fand sie endlich auf die einfachste Weise. Nachdem der
"alte Fritz" einen Winter lang den Stürmen getrotzt und alles
Blanke seiner Erscheinung längst eingebüßt hatte, erschienen die
Vermummten wieder, und nächtlicherweile, wie die Statue gekom-
men, so verschwand sie wieder. Es war eine kurze Existenz. Wie
Leidtragende folgten der Maurerpolier und die Seinen, als man
die Figur nach Tamsel zurück geleitete. Sie wurde dort im Koh-
lenkeller deponirt und ist dort verschollen. Ich bleibe dabei: das
einfachste Monument das beste, wenigstens auf einem Schlachtfeld."

Während der Erzählung war es dunkler geworden, und war
es nun die Kühle des Abends, oder die Stelle, auf der wir stan-
den, ein leises Frösteln lief über uns hin. Dann sprangen wir,
über die Ligusterwand weg, vom Hügel aus mitten in's Kornfeld
hinein, und Arm und Brust vorschiebend, schwammen wir durch
das Kornfeld durch. Wir hörten nichts als das Knistern der

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Er wartete, es wurde nicht anders. Nun wurde ihm die Sache
bedenklich. Er weckte den Alten; der Alte kam und alles Haus-
geſinde mit ihm. Aber es blieb, wie es war. „De ſnackſche Kerel
ſteiht ümmer noch“, wiederholte der Sohn. Und in der That, im
Nebel des Novembermorgens, grau, geſpenſtiſch, räthſelvoll, ſtand
eine Figur auf dem Schlachtenſtein. Welche Hypotheſen in jener
Stunde durch die verſchiedenen Köpfe der Familie Mertens gegan-
gen ſein mögen, iſt ſchwer zu ſagen. Endlich, wie ſich von ſelbſt
verſteht, löste ſich der Spuk.“

„Die Mertensſchen waren nun zufrieden, auch die Zorndorfer
und die Quartſchener vielleicht; aber Graf Schwerin, der dieſe
Umwandlung geſchaffen hatte, war es keineswegs. Sein künſtleri-
ſches Gewiſſen ſchlug ihm, und wenn Anfangs das gute Herz über
die äſthetiſchen Inſtinkte geſiegt hatte, ſo rächten ſich dieſe jetzt und
drangen ihrerſeits auf Abhülfe. Der Graf, der zeitlebens nur Gutes
gethan hatte, ging an dem „alten Fritz“ vorbei, wie an einer
Schuld, welche Sühne verlangt.“

„Er fand ſie endlich auf die einfachſte Weiſe. Nachdem der
„alte Fritz“ einen Winter lang den Stürmen getrotzt und alles
Blanke ſeiner Erſcheinung längſt eingebüßt hatte, erſchienen die
Vermummten wieder, und nächtlicherweile, wie die Statue gekom-
men, ſo verſchwand ſie wieder. Es war eine kurze Exiſtenz. Wie
Leidtragende folgten der Maurerpolier und die Seinen, als man
die Figur nach Tamſel zurück geleitete. Sie wurde dort im Koh-
lenkeller deponirt und iſt dort verſchollen. Ich bleibe dabei: das
einfachſte Monument das beſte, wenigſtens auf einem Schlachtfeld.“

Während der Erzählung war es dunkler geworden, und war
es nun die Kühle des Abends, oder die Stelle, auf der wir ſtan-
den, ein leiſes Fröſteln lief über uns hin. Dann ſprangen wir,
über die Liguſterwand weg, vom Hügel aus mitten in’s Kornfeld
hinein, und Arm und Bruſt vorſchiebend, ſchwammen wir durch
das Kornfeld durch. Wir hörten nichts als das Kniſtern der

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[67/0079] Er wartete, es wurde nicht anders. Nun wurde ihm die Sache bedenklich. Er weckte den Alten; der Alte kam und alles Haus- geſinde mit ihm. Aber es blieb, wie es war. „De ſnackſche Kerel ſteiht ümmer noch“, wiederholte der Sohn. Und in der That, im Nebel des Novembermorgens, grau, geſpenſtiſch, räthſelvoll, ſtand eine Figur auf dem Schlachtenſtein. Welche Hypotheſen in jener Stunde durch die verſchiedenen Köpfe der Familie Mertens gegan- gen ſein mögen, iſt ſchwer zu ſagen. Endlich, wie ſich von ſelbſt verſteht, löste ſich der Spuk.“ „Die Mertensſchen waren nun zufrieden, auch die Zorndorfer und die Quartſchener vielleicht; aber Graf Schwerin, der dieſe Umwandlung geſchaffen hatte, war es keineswegs. Sein künſtleri- ſches Gewiſſen ſchlug ihm, und wenn Anfangs das gute Herz über die äſthetiſchen Inſtinkte geſiegt hatte, ſo rächten ſich dieſe jetzt und drangen ihrerſeits auf Abhülfe. Der Graf, der zeitlebens nur Gutes gethan hatte, ging an dem „alten Fritz“ vorbei, wie an einer Schuld, welche Sühne verlangt.“ „Er fand ſie endlich auf die einfachſte Weiſe. Nachdem der „alte Fritz“ einen Winter lang den Stürmen getrotzt und alles Blanke ſeiner Erſcheinung längſt eingebüßt hatte, erſchienen die Vermummten wieder, und nächtlicherweile, wie die Statue gekom- men, ſo verſchwand ſie wieder. Es war eine kurze Exiſtenz. Wie Leidtragende folgten der Maurerpolier und die Seinen, als man die Figur nach Tamſel zurück geleitete. Sie wurde dort im Koh- lenkeller deponirt und iſt dort verſchollen. Ich bleibe dabei: das einfachſte Monument das beſte, wenigſtens auf einem Schlachtfeld.“ Während der Erzählung war es dunkler geworden, und war es nun die Kühle des Abends, oder die Stelle, auf der wir ſtan- den, ein leiſes Fröſteln lief über uns hin. Dann ſprangen wir, über die Liguſterwand weg, vom Hügel aus mitten in’s Kornfeld hinein, und Arm und Bruſt vorſchiebend, ſchwammen wir durch das Kornfeld durch. Wir hörten nichts als das Kniſtern der 5*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/79>, abgerufen am 23.11.2024.