beim Grafen in Tamsel erschien und ihm von einem Küstriner Klempner erzählte, der in, ich fürchte, mißverstandenem patriotischem Eifer auf die Idee gekommen war, den alten Fritz in Weißblech zu treiben. Er hatte jahrelang seine Feierabendstunden daran gesetzt; nun stand der alte Fritz endlich da, sieben Fuß hoch und blank wie ein Zinnlöffel; aber niemand wollte ihn haben. Der Graf, der nicht nur ein kunstsinniger, sondern, wie schon angedeutet, vor allem auch ein sehr humaner Mann war, überlegte sich's einen Augenblick, acceptirte dann das angebotene Kunstwerk, zahlte einen guten Preis und traf seine Dispositionen."
"Ein paar Tage später traf die getriebene Arbeit in Tamsel ein. Tamsel indeß war nicht Bestimmungsort; der Graf hatte schon anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer gewissen Be- sorgniß, man könnte sagen mit Vorahnung."
"Es war Anfang November, als, bald nach Mitternacht, ein Leiterwagen vor dem Tamsler Schloß hielt. Die Statue wurde rasch aufgeladen, und ehe zehn Minuten um waren, setzte sich der Zug unter Begleitung von einem Maurerpolier und drei Gesellen -- anderer Dienstleute zu geschweigen -- in Bewegung. Es ging still durch Schlucht und Wald, noch stiller durch Zorndorf hindurch, an Mertens Gehöft vorbei, bis der Wagen hier zu Füßen des Hügels hielt. Rasch, ängstlich, mit fast gespenstischer Stille, wurde der blecherne Fritz auf den Granitwürfel gestellt. Sie können noch sehen, wo der Mörtel gesessen hat. Dann, in stiller Nacht, wie der Zug gekommen war, verschwand er auch wieder."
"Am andern Morgen trat Mertens ältester Sohn in die Hausthür, um nach dem Wetter zu sehen. Er sah auch zufällig nach dem Monument hinüber und bemerkte, daß eine menschliche Figur regungslos auf dem Steinwürfel stand. Er schüttelte den Kopf, dachte aber nichts Arges. Nach einer Stunde -- er hatte inzwischen die Pferde gefüttert -- trat er wieder vor's Haus, sah wieder hierher und brummte vor sich hin: "He steiht immer noch!"
beim Grafen in Tamſel erſchien und ihm von einem Küſtriner Klempner erzählte, der in, ich fürchte, mißverſtandenem patriotiſchem Eifer auf die Idee gekommen war, den alten Fritz in Weißblech zu treiben. Er hatte jahrelang ſeine Feierabendſtunden daran geſetzt; nun ſtand der alte Fritz endlich da, ſieben Fuß hoch und blank wie ein Zinnlöffel; aber niemand wollte ihn haben. Der Graf, der nicht nur ein kunſtſinniger, ſondern, wie ſchon angedeutet, vor allem auch ein ſehr humaner Mann war, überlegte ſich’s einen Augenblick, acceptirte dann das angebotene Kunſtwerk, zahlte einen guten Preis und traf ſeine Dispoſitionen.“
„Ein paar Tage ſpäter traf die getriebene Arbeit in Tamſel ein. Tamſel indeß war nicht Beſtimmungsort; der Graf hatte ſchon anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer gewiſſen Be- ſorgniß, man könnte ſagen mit Vorahnung.“
„Es war Anfang November, als, bald nach Mitternacht, ein Leiterwagen vor dem Tamsler Schloß hielt. Die Statue wurde raſch aufgeladen, und ehe zehn Minuten um waren, ſetzte ſich der Zug unter Begleitung von einem Maurerpolier und drei Geſellen — anderer Dienſtleute zu geſchweigen — in Bewegung. Es ging ſtill durch Schlucht und Wald, noch ſtiller durch Zorndorf hindurch, an Mertens Gehöft vorbei, bis der Wagen hier zu Füßen des Hügels hielt. Raſch, ängſtlich, mit faſt geſpenſtiſcher Stille, wurde der blecherne Fritz auf den Granitwürfel geſtellt. Sie können noch ſehen, wo der Mörtel geſeſſen hat. Dann, in ſtiller Nacht, wie der Zug gekommen war, verſchwand er auch wieder.“
„Am andern Morgen trat Mertens älteſter Sohn in die Hausthür, um nach dem Wetter zu ſehen. Er ſah auch zufällig nach dem Monument hinüber und bemerkte, daß eine menſchliche Figur regungslos auf dem Steinwürfel ſtand. Er ſchüttelte den Kopf, dachte aber nichts Arges. Nach einer Stunde — er hatte inzwiſchen die Pferde gefüttert — trat er wieder vor’s Haus, ſah wieder hierher und brummte vor ſich hin: „He ſteiht immer noch!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0078"n="66"/>
beim Grafen in Tamſel erſchien und ihm von einem Küſtriner<lb/>
Klempner erzählte, der in, ich fürchte, mißverſtandenem patriotiſchem<lb/>
Eifer auf die Idee gekommen war, den alten Fritz in Weißblech<lb/>
zu treiben. Er hatte jahrelang ſeine Feierabendſtunden daran geſetzt;<lb/>
nun ſtand der alte Fritz endlich da, ſieben Fuß hoch und blank<lb/>
wie ein Zinnlöffel; aber niemand wollte ihn haben. Der Graf,<lb/>
der nicht nur ein kunſtſinniger, ſondern, wie ſchon angedeutet, vor<lb/>
allem auch ein ſehr humaner Mann war, überlegte ſich’s einen<lb/>
Augenblick, acceptirte dann das angebotene Kunſtwerk, zahlte einen<lb/>
guten Preis und traf ſeine Dispoſitionen.“</p><lb/><p>„Ein paar Tage ſpäter traf die getriebene Arbeit in Tamſel<lb/>
ein. Tamſel indeß war nicht Beſtimmungsort; der Graf hatte<lb/>ſchon anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer gewiſſen Be-<lb/>ſorgniß, man könnte ſagen mit Vorahnung.“</p><lb/><p>„Es war Anfang November, als, bald nach Mitternacht, ein<lb/>
Leiterwagen vor dem Tamsler Schloß hielt. Die Statue wurde raſch<lb/>
aufgeladen, und ehe zehn Minuten um waren, ſetzte ſich der Zug<lb/>
unter Begleitung von einem Maurerpolier und drei Geſellen —<lb/>
anderer Dienſtleute zu geſchweigen — in Bewegung. Es ging ſtill<lb/>
durch Schlucht und Wald, noch ſtiller durch Zorndorf hindurch,<lb/>
an Mertens Gehöft vorbei, bis der Wagen hier zu Füßen des<lb/>
Hügels hielt. Raſch, ängſtlich, mit faſt geſpenſtiſcher Stille, wurde<lb/>
der blecherne Fritz auf den Granitwürfel geſtellt. Sie können noch<lb/>ſehen, wo der Mörtel geſeſſen hat. Dann, in ſtiller Nacht, wie der<lb/>
Zug gekommen war, verſchwand er auch wieder.“</p><lb/><p>„Am andern Morgen trat Mertens älteſter Sohn in die<lb/>
Hausthür, um nach dem Wetter zu ſehen. Er ſah auch zufällig<lb/>
nach dem Monument hinüber und bemerkte, daß eine menſchliche<lb/>
Figur regungslos auf dem Steinwürfel ſtand. Er ſchüttelte den<lb/>
Kopf, dachte aber nichts Arges. Nach einer Stunde — er hatte<lb/>
inzwiſchen die Pferde gefüttert — trat er wieder vor’s Haus, ſah<lb/>
wieder hierher und brummte vor ſich hin: „He ſteiht immer noch!“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0078]
beim Grafen in Tamſel erſchien und ihm von einem Küſtriner
Klempner erzählte, der in, ich fürchte, mißverſtandenem patriotiſchem
Eifer auf die Idee gekommen war, den alten Fritz in Weißblech
zu treiben. Er hatte jahrelang ſeine Feierabendſtunden daran geſetzt;
nun ſtand der alte Fritz endlich da, ſieben Fuß hoch und blank
wie ein Zinnlöffel; aber niemand wollte ihn haben. Der Graf,
der nicht nur ein kunſtſinniger, ſondern, wie ſchon angedeutet, vor
allem auch ein ſehr humaner Mann war, überlegte ſich’s einen
Augenblick, acceptirte dann das angebotene Kunſtwerk, zahlte einen
guten Preis und traf ſeine Dispoſitionen.“
„Ein paar Tage ſpäter traf die getriebene Arbeit in Tamſel
ein. Tamſel indeß war nicht Beſtimmungsort; der Graf hatte
ſchon anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer gewiſſen Be-
ſorgniß, man könnte ſagen mit Vorahnung.“
„Es war Anfang November, als, bald nach Mitternacht, ein
Leiterwagen vor dem Tamsler Schloß hielt. Die Statue wurde raſch
aufgeladen, und ehe zehn Minuten um waren, ſetzte ſich der Zug
unter Begleitung von einem Maurerpolier und drei Geſellen —
anderer Dienſtleute zu geſchweigen — in Bewegung. Es ging ſtill
durch Schlucht und Wald, noch ſtiller durch Zorndorf hindurch,
an Mertens Gehöft vorbei, bis der Wagen hier zu Füßen des
Hügels hielt. Raſch, ängſtlich, mit faſt geſpenſtiſcher Stille, wurde
der blecherne Fritz auf den Granitwürfel geſtellt. Sie können noch
ſehen, wo der Mörtel geſeſſen hat. Dann, in ſtiller Nacht, wie der
Zug gekommen war, verſchwand er auch wieder.“
„Am andern Morgen trat Mertens älteſter Sohn in die
Hausthür, um nach dem Wetter zu ſehen. Er ſah auch zufällig
nach dem Monument hinüber und bemerkte, daß eine menſchliche
Figur regungslos auf dem Steinwürfel ſtand. Er ſchüttelte den
Kopf, dachte aber nichts Arges. Nach einer Stunde — er hatte
inzwiſchen die Pferde gefüttert — trat er wieder vor’s Haus, ſah
wieder hierher und brummte vor ſich hin: „He ſteiht immer noch!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/78>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.