Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

(auf Stolpe), Matthias von Arnim (auf Biesenthal). An dem noch vor-
handenen Theilungsvertrags-Briefe vom 18. März 1575 sind die Ecken
eines jeden Blattes, der größeren Sicherheit wegen, umgeklappt und mit
einem Siegel befestigt. Werners Ende war betrübender Art: er gerieth
mit seinem Schwager in Streitigkeiten und erstach ihn, wurde aber dabei
so schwer verwundet, daß er wenige Stunden später ebenfalls verschied.
Man erzählt sich über Werners Ende folgendes:

Werner von Uchtenhagen war ein ehrsamer, sehr frommer Mann.
Einmal (es war auf Tag und Stunde ein Jahr vor seinem Tode) war
er beim Gebet; da tropften plötzlich drei Tropfen Bluts von seiner Stirn
und fielen auf das Gebetbuch, auf dessen aufgeschlagenem Blatt sie ein
schreckenerregendes Zeichen bildeten. Wie dies Zeichen war, das weiß nie-
mand; aber es stand von jetzt an Tag und Nacht vor Werners Seele und
peinigte und ängstigte ihn. Es bildete sich in seinem Innern eine Ahnung
von kommendem Unheil, und diese Ahnung hatte Recht. Ein Jahr, nach-
dem er jenes Zeichen gesehen, beging seine Schwester das Fest ihrer Ver-
mählung. Werner war auch unter den Gästen. Am dritten Tage des Festes
saßen Werner und sein neu-vermählter Schwager bei einander, und beide
scherzten und lachten und sprachen dem Weine gut zu. Die Sinne beider
waren schon berauscht, da fiel es Werners Schwager ein, über einige Glau-
benssätze der christlichen Kirche spöttische Bemerkungen zu machen. Hier-
durch verletzt, sprang Werner von Uchtenhagen auf, ein lauter Wortwechsel
entstand, zuletzt ein Zweikampf. Der Weinrausch machte, daß sie unsichere
Hiebe führten, von beiden Seiten ward blind zugeschlagen, bis Werner
eine tödtliche Wunde erhielt. Aber fast in demselben Augenblicke durch-
bohrte er seines Schwagers Brust, der nun leblos zu Boden stürzte. Als
die Gäste herbei eilten, war es zu spät. Werner starb selben Tages noch
in bitterster Reue, die Neuvermählte bald darauf vor Gram. Zu derselben
Stunde aber, als Werner seinen Schwager durchbohrte, geschah in einer
Stadt, die sechs Meilen von Freienwalde entfernt ist, etwas Wunderbares:
ein junges Mädchen sprang plötzlich von ihrem Lager auf, und ihre Hand
nach Freienwalde hin ausstreckend, rief sie: "Seht, wie sie mit gezückten
Schwertern auf einander rennen und sich beide morden!" Dies hörten
ihre Eltern, aber sie verstanden es nicht. Die Stadt, wo das Mädchen
diese Worte sprach, war wahrscheinlich Sonnenburg, das geraume Zeit den
Uchtenhagens gehörte. All dies geschah aber um 1580.

3. Der große Kurfürst und der alte Uchtenhagen bei
Freienwalde
.

Auf dem Schloßberge hat Uchtenhagen's Schloß gestanden; noch jetzt
sieht man die alten Keller oben und die vielen Verwallungen an den Ge-
hängen der Berge. Einer davon heißt der Räuberberg, da waren die Höh-
len für seine Leute. Er ist nämlich ein Räuberhauptmann gewesen und

(auf Stolpe), Matthias von Arnim (auf Bieſenthal). An dem noch vor-
handenen Theilungsvertrags-Briefe vom 18. März 1575 ſind die Ecken
eines jeden Blattes, der größeren Sicherheit wegen, umgeklappt und mit
einem Siegel befeſtigt. Werners Ende war betrübender Art: er gerieth
mit ſeinem Schwager in Streitigkeiten und erſtach ihn, wurde aber dabei
ſo ſchwer verwundet, daß er wenige Stunden ſpäter ebenfalls verſchied.
Man erzählt ſich über Werners Ende folgendes:

Werner von Uchtenhagen war ein ehrſamer, ſehr frommer Mann.
Einmal (es war auf Tag und Stunde ein Jahr vor ſeinem Tode) war
er beim Gebet; da tropften plötzlich drei Tropfen Bluts von ſeiner Stirn
und fielen auf das Gebetbuch, auf deſſen aufgeſchlagenem Blatt ſie ein
ſchreckenerregendes Zeichen bildeten. Wie dies Zeichen war, das weiß nie-
mand; aber es ſtand von jetzt an Tag und Nacht vor Werners Seele und
peinigte und ängſtigte ihn. Es bildete ſich in ſeinem Innern eine Ahnung
von kommendem Unheil, und dieſe Ahnung hatte Recht. Ein Jahr, nach-
dem er jenes Zeichen geſehen, beging ſeine Schweſter das Feſt ihrer Ver-
mählung. Werner war auch unter den Gäſten. Am dritten Tage des Feſtes
ſaßen Werner und ſein neu-vermählter Schwager bei einander, und beide
ſcherzten und lachten und ſprachen dem Weine gut zu. Die Sinne beider
waren ſchon berauſcht, da fiel es Werners Schwager ein, über einige Glau-
bensſätze der chriſtlichen Kirche ſpöttiſche Bemerkungen zu machen. Hier-
durch verletzt, ſprang Werner von Uchtenhagen auf, ein lauter Wortwechſel
entſtand, zuletzt ein Zweikampf. Der Weinrauſch machte, daß ſie unſichere
Hiebe führten, von beiden Seiten ward blind zugeſchlagen, bis Werner
eine tödtliche Wunde erhielt. Aber faſt in demſelben Augenblicke durch-
bohrte er ſeines Schwagers Bruſt, der nun leblos zu Boden ſtürzte. Als
die Gäſte herbei eilten, war es zu ſpät. Werner ſtarb ſelben Tages noch
in bitterſter Reue, die Neuvermählte bald darauf vor Gram. Zu derſelben
Stunde aber, als Werner ſeinen Schwager durchbohrte, geſchah in einer
Stadt, die ſechs Meilen von Freienwalde entfernt iſt, etwas Wunderbares:
ein junges Mädchen ſprang plötzlich von ihrem Lager auf, und ihre Hand
nach Freienwalde hin ausſtreckend, rief ſie: „Seht, wie ſie mit gezückten
Schwertern auf einander rennen und ſich beide morden!“ Dies hörten
ihre Eltern, aber ſie verſtanden es nicht. Die Stadt, wo das Mädchen
dieſe Worte ſprach, war wahrſcheinlich Sonnenburg, das geraume Zeit den
Uchtenhagens gehörte. All dies geſchah aber um 1580.

3. Der große Kurfürſt und der alte Uchtenhagen bei
Freienwalde
.

Auf dem Schloßberge hat Uchtenhagen’s Schloß geſtanden; noch jetzt
ſieht man die alten Keller oben und die vielen Verwallungen an den Ge-
hängen der Berge. Einer davon heißt der Räuberberg, da waren die Höh-
len für ſeine Leute. Er iſt nämlich ein Räuberhauptmann geweſen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0550" n="538"/>
(auf Stolpe), Matthias von Arnim (auf Bie&#x017F;enthal). An dem noch vor-<lb/>
handenen Theilungsvertrags-Briefe vom 18. März 1575 &#x017F;ind die Ecken<lb/>
eines jeden Blattes, der größeren Sicherheit wegen, umgeklappt und mit<lb/>
einem Siegel befe&#x017F;tigt. Werners Ende war betrübender Art: er gerieth<lb/>
mit &#x017F;einem Schwager in Streitigkeiten und er&#x017F;tach ihn, wurde aber dabei<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwer verwundet, daß er wenige Stunden &#x017F;päter ebenfalls ver&#x017F;chied.<lb/>
Man erzählt &#x017F;ich über Werners Ende folgendes:</p><lb/>
              <p>Werner von Uchtenhagen war ein ehr&#x017F;amer, &#x017F;ehr frommer Mann.<lb/>
Einmal (es war auf Tag und Stunde ein Jahr vor &#x017F;einem Tode) war<lb/>
er beim Gebet; da tropften plötzlich drei Tropfen Bluts von &#x017F;einer Stirn<lb/>
und fielen auf das Gebetbuch, auf de&#x017F;&#x017F;en aufge&#x017F;chlagenem Blatt &#x017F;ie ein<lb/>
&#x017F;chreckenerregendes Zeichen bildeten. Wie dies Zeichen war, das weiß nie-<lb/>
mand; aber es &#x017F;tand von jetzt an Tag und Nacht vor Werners Seele und<lb/>
peinigte und äng&#x017F;tigte ihn. Es bildete &#x017F;ich in &#x017F;einem Innern eine Ahnung<lb/>
von kommendem Unheil, und die&#x017F;e Ahnung hatte Recht. Ein Jahr, nach-<lb/>
dem er jenes Zeichen ge&#x017F;ehen, beging &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter das Fe&#x017F;t ihrer Ver-<lb/>
mählung. Werner war auch unter den Gä&#x017F;ten. Am dritten Tage des Fe&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;aßen Werner und &#x017F;ein neu-vermählter Schwager bei einander, und beide<lb/>
&#x017F;cherzten und lachten und &#x017F;prachen dem Weine gut zu. Die Sinne beider<lb/>
waren &#x017F;chon berau&#x017F;cht, da fiel es Werners Schwager ein, über einige Glau-<lb/>
bens&#x017F;ätze der chri&#x017F;tlichen Kirche &#x017F;pötti&#x017F;che Bemerkungen zu machen. Hier-<lb/>
durch verletzt, &#x017F;prang Werner von Uchtenhagen auf, ein lauter Wortwech&#x017F;el<lb/>
ent&#x017F;tand, zuletzt ein Zweikampf. Der Weinrau&#x017F;ch machte, daß &#x017F;ie un&#x017F;ichere<lb/>
Hiebe führten, von beiden Seiten ward blind zuge&#x017F;chlagen, bis Werner<lb/>
eine tödtliche Wunde erhielt. Aber fa&#x017F;t in dem&#x017F;elben Augenblicke durch-<lb/>
bohrte er &#x017F;eines Schwagers Bru&#x017F;t, der nun leblos zu Boden &#x017F;türzte. Als<lb/>
die Gä&#x017F;te herbei eilten, war es zu &#x017F;pät. Werner &#x017F;tarb &#x017F;elben Tages noch<lb/>
in bitter&#x017F;ter Reue, die Neuvermählte bald darauf vor Gram. Zu der&#x017F;elben<lb/>
Stunde aber, als Werner &#x017F;einen Schwager durchbohrte, ge&#x017F;chah in einer<lb/>
Stadt, die &#x017F;echs Meilen von Freienwalde entfernt i&#x017F;t, etwas Wunderbares:<lb/>
ein junges Mädchen &#x017F;prang plötzlich von ihrem Lager auf, und ihre Hand<lb/>
nach Freienwalde hin aus&#x017F;treckend, rief &#x017F;ie: &#x201E;Seht, wie &#x017F;ie mit gezückten<lb/>
Schwertern auf einander rennen und &#x017F;ich beide morden!&#x201C; Dies hörten<lb/>
ihre Eltern, aber &#x017F;ie ver&#x017F;tanden es nicht. Die Stadt, wo das Mädchen<lb/>
die&#x017F;e Worte &#x017F;prach, war wahr&#x017F;cheinlich Sonnenburg, das geraume Zeit den<lb/>
Uchtenhagens gehörte. All dies ge&#x017F;chah aber um 1580.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>3. <hi rendition="#g">Der große Kurfür&#x017F;t und der alte Uchtenhagen bei<lb/>
Freienwalde</hi>.</head><lb/>
              <p>Auf dem Schloßberge hat Uchtenhagen&#x2019;s Schloß ge&#x017F;tanden; noch jetzt<lb/>
&#x017F;ieht man die alten Keller oben und die vielen Verwallungen an den Ge-<lb/>
hängen der Berge. Einer davon heißt der Räuberberg, da waren die Höh-<lb/>
len für &#x017F;eine Leute. Er i&#x017F;t nämlich ein Räuberhauptmann gewe&#x017F;en und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[538/0550] (auf Stolpe), Matthias von Arnim (auf Bieſenthal). An dem noch vor- handenen Theilungsvertrags-Briefe vom 18. März 1575 ſind die Ecken eines jeden Blattes, der größeren Sicherheit wegen, umgeklappt und mit einem Siegel befeſtigt. Werners Ende war betrübender Art: er gerieth mit ſeinem Schwager in Streitigkeiten und erſtach ihn, wurde aber dabei ſo ſchwer verwundet, daß er wenige Stunden ſpäter ebenfalls verſchied. Man erzählt ſich über Werners Ende folgendes: Werner von Uchtenhagen war ein ehrſamer, ſehr frommer Mann. Einmal (es war auf Tag und Stunde ein Jahr vor ſeinem Tode) war er beim Gebet; da tropften plötzlich drei Tropfen Bluts von ſeiner Stirn und fielen auf das Gebetbuch, auf deſſen aufgeſchlagenem Blatt ſie ein ſchreckenerregendes Zeichen bildeten. Wie dies Zeichen war, das weiß nie- mand; aber es ſtand von jetzt an Tag und Nacht vor Werners Seele und peinigte und ängſtigte ihn. Es bildete ſich in ſeinem Innern eine Ahnung von kommendem Unheil, und dieſe Ahnung hatte Recht. Ein Jahr, nach- dem er jenes Zeichen geſehen, beging ſeine Schweſter das Feſt ihrer Ver- mählung. Werner war auch unter den Gäſten. Am dritten Tage des Feſtes ſaßen Werner und ſein neu-vermählter Schwager bei einander, und beide ſcherzten und lachten und ſprachen dem Weine gut zu. Die Sinne beider waren ſchon berauſcht, da fiel es Werners Schwager ein, über einige Glau- bensſätze der chriſtlichen Kirche ſpöttiſche Bemerkungen zu machen. Hier- durch verletzt, ſprang Werner von Uchtenhagen auf, ein lauter Wortwechſel entſtand, zuletzt ein Zweikampf. Der Weinrauſch machte, daß ſie unſichere Hiebe führten, von beiden Seiten ward blind zugeſchlagen, bis Werner eine tödtliche Wunde erhielt. Aber faſt in demſelben Augenblicke durch- bohrte er ſeines Schwagers Bruſt, der nun leblos zu Boden ſtürzte. Als die Gäſte herbei eilten, war es zu ſpät. Werner ſtarb ſelben Tages noch in bitterſter Reue, die Neuvermählte bald darauf vor Gram. Zu derſelben Stunde aber, als Werner ſeinen Schwager durchbohrte, geſchah in einer Stadt, die ſechs Meilen von Freienwalde entfernt iſt, etwas Wunderbares: ein junges Mädchen ſprang plötzlich von ihrem Lager auf, und ihre Hand nach Freienwalde hin ausſtreckend, rief ſie: „Seht, wie ſie mit gezückten Schwertern auf einander rennen und ſich beide morden!“ Dies hörten ihre Eltern, aber ſie verſtanden es nicht. Die Stadt, wo das Mädchen dieſe Worte ſprach, war wahrſcheinlich Sonnenburg, das geraume Zeit den Uchtenhagens gehörte. All dies geſchah aber um 1580. 3. Der große Kurfürſt und der alte Uchtenhagen bei Freienwalde. Auf dem Schloßberge hat Uchtenhagen’s Schloß geſtanden; noch jetzt ſieht man die alten Keller oben und die vielen Verwallungen an den Ge- hängen der Berge. Einer davon heißt der Räuberberg, da waren die Höh- len für ſeine Leute. Er iſt nämlich ein Räuberhauptmann geweſen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/550
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/550>, abgerufen am 03.12.2024.