Schöning aber erschien überall der Unfriede und die Gekränkten und Beeinträchtigten wichen ihm entweder aus, d. h. quittirten den Dienst, oder forderten ihn zum Duell. *) Auch dem Kurfürsten (Friedrich III.) gegenüber verdarb er es, während der Barfusstreit noch schwebte, durch seinen anmaßenden Ton. Er mußte Recht haben, er war ja Schöning; in diesem Sinne stellte er seine An- träge, und dies war es, was ihn endlich stürzte, nachdem er sich längst um alle Sympathien gebracht hatte.
So weit nehmen wir nicht Anstand, in die Angriffe seiner Feinde (auch den Vorwurf der Habsucht abzuweisen, möchte schwer sein) mit einzustimmen; aber wenn wir auch die Schatten, die sein Charakter aufweist, weder leugnen noch sie verringern wollen, so können wir ihm doch dadurch gerecht werden, daß wir seine Lichtseiten mehr hervortreten lassen, als seine befangenen Zeitge- nossen es konnten oder wollten. Schöning hatte keine Freunde unter denen, die ihm gleich standen, aber diejenigen, die über ihm standen, und zwar je höher je mehr, diese zeichneten ihn aus und gaben ihm die Beweise eines besonderen Vertrauens. Kurfürst Friedrich III. war zu unselbstständig, zu unkriegerisch, trotz seiner Kriege, und persönlich zu leicht verletzbar, um über die Vorzüge Schönings die Schwächen desselben vergessen zu können; der große Kurfürst aber und Friedrich August der Starke bewiesen ihm dauernd ihre Werthschätzung und ihre Huld. Seine Stellung, zu- mal zum großen Kurfürsten, erinnert an das Verhältniß, das Win- terfeldt, siebzig Jahre später, zum großen König einnahm. Auch Winterfeldt erkaufte die Liebe Eines durch den Haß Vieler. Die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, waren zum Theil die-
*) Zum Theil freilich waren die schiefen Stellungen, in die er be- ständig gerieth, unverschuldet. General von Promnitz wollte sich mit ihm schießen, weil Schöning statt seiner das Commando zur Verfolgung Horns erhalten hatte, und General Beauvais d'Espagne nahm 1687 den Ab- schied, "weil er es nicht ertragen konnte, daß man dem General Schöning, der nach dem ungarischen Feldzug ein Liebling des großen Kurfürsten ge- worden war, den Vorzug einräumte."
Schöning aber erſchien überall der Unfriede und die Gekränkten und Beeinträchtigten wichen ihm entweder aus, d. h. quittirten den Dienſt, oder forderten ihn zum Duell. *) Auch dem Kurfürſten (Friedrich III.) gegenüber verdarb er es, während der Barfusſtreit noch ſchwebte, durch ſeinen anmaßenden Ton. Er mußte Recht haben, er war ja Schöning; in dieſem Sinne ſtellte er ſeine An- träge, und dies war es, was ihn endlich ſtürzte, nachdem er ſich längſt um alle Sympathien gebracht hatte.
So weit nehmen wir nicht Anſtand, in die Angriffe ſeiner Feinde (auch den Vorwurf der Habſucht abzuweiſen, möchte ſchwer ſein) mit einzuſtimmen; aber wenn wir auch die Schatten, die ſein Charakter aufweiſt, weder leugnen noch ſie verringern wollen, ſo können wir ihm doch dadurch gerecht werden, daß wir ſeine Lichtſeiten mehr hervortreten laſſen, als ſeine befangenen Zeitge- noſſen es konnten oder wollten. Schöning hatte keine Freunde unter denen, die ihm gleich ſtanden, aber diejenigen, die über ihm ſtanden, und zwar je höher je mehr, dieſe zeichneten ihn aus und gaben ihm die Beweiſe eines beſonderen Vertrauens. Kurfürſt Friedrich III. war zu unſelbſtſtändig, zu unkriegeriſch, trotz ſeiner Kriege, und perſönlich zu leicht verletzbar, um über die Vorzüge Schönings die Schwächen deſſelben vergeſſen zu können; der große Kurfürſt aber und Friedrich Auguſt der Starke bewieſen ihm dauernd ihre Werthſchätzung und ihre Huld. Seine Stellung, zu- mal zum großen Kurfürſten, erinnert an das Verhältniß, das Win- terfeldt, ſiebzig Jahre ſpäter, zum großen König einnahm. Auch Winterfeldt erkaufte die Liebe Eines durch den Haß Vieler. Die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, waren zum Theil die-
*) Zum Theil freilich waren die ſchiefen Stellungen, in die er be- ſtändig gerieth, unverſchuldet. General von Promnitz wollte ſich mit ihm ſchießen, weil Schöning ſtatt ſeiner das Commando zur Verfolgung Horns erhalten hatte, und General Beauvais d’Espagne nahm 1687 den Ab- ſchied, „weil er es nicht ertragen konnte, daß man dem General Schöning, der nach dem ungariſchen Feldzug ein Liebling des großen Kurfürſten ge- worden war, den Vorzug einräumte.“
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[41/0053]
Schöning aber erſchien überall der Unfriede und die Gekränkten
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den Dienſt, oder forderten ihn zum Duell. *) Auch dem Kurfürſten
(Friedrich III.) gegenüber verdarb er es, während der Barfusſtreit
noch ſchwebte, durch ſeinen anmaßenden Ton. Er mußte Recht
haben, er war ja Schöning; in dieſem Sinne ſtellte er ſeine An-
träge, und dies war es, was ihn endlich ſtürzte, nachdem er ſich
längſt um alle Sympathien gebracht hatte.
So weit nehmen wir nicht Anſtand, in die Angriffe ſeiner
Feinde (auch den Vorwurf der Habſucht abzuweiſen, möchte ſchwer
ſein) mit einzuſtimmen; aber wenn wir auch die Schatten, die
ſein Charakter aufweiſt, weder leugnen noch ſie verringern wollen,
ſo können wir ihm doch dadurch gerecht werden, daß wir ſeine
Lichtſeiten mehr hervortreten laſſen, als ſeine befangenen Zeitge-
noſſen es konnten oder wollten. Schöning hatte keine Freunde
unter denen, die ihm gleich ſtanden, aber diejenigen, die über ihm
ſtanden, und zwar je höher je mehr, dieſe zeichneten ihn aus und
gaben ihm die Beweiſe eines beſonderen Vertrauens. Kurfürſt
Friedrich III. war zu unſelbſtſtändig, zu unkriegeriſch, trotz ſeiner
Kriege, und perſönlich zu leicht verletzbar, um über die Vorzüge
Schönings die Schwächen deſſelben vergeſſen zu können; der große
Kurfürſt aber und Friedrich Auguſt der Starke bewieſen ihm
dauernd ihre Werthſchätzung und ihre Huld. Seine Stellung, zu-
mal zum großen Kurfürſten, erinnert an das Verhältniß, das Win-
terfeldt, ſiebzig Jahre ſpäter, zum großen König einnahm. Auch
Winterfeldt erkaufte die Liebe Eines durch den Haß Vieler. Die
Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, waren zum Theil die-
*) Zum Theil freilich waren die ſchiefen Stellungen, in die er be-
ſtändig gerieth, unverſchuldet. General von Promnitz wollte ſich mit ihm
ſchießen, weil Schöning ſtatt ſeiner das Commando zur Verfolgung Horns
erhalten hatte, und General Beauvais d’Espagne nahm 1687 den Ab-
ſchied, „weil er es nicht ertragen konnte, daß man dem General Schöning,
der nach dem ungariſchen Feldzug ein Liebling des großen Kurfürſten ge-
worden war, den Vorzug einräumte.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/53>, abgerufen am 27.07.2024.
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