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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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über dem Portal besagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu
diesem Jahre also haben wir unseren Lestwitz, kurze Besuche be-
hufs Inspicirung des Baues abgerechnet, schwerlich in Cunersdorf
zu suchen; ohnehin hielt ihn der Dienst bei dem Bataillon Garde,
das er commandirte, in Potsdam fest. Dieser Dienst gestattete auch
wohl, von 1773 ab, nur kurze Besuche, und von einem wirklichen
Beziehen des Schlosses, von einem heimisch werden darin konnte
wohl erst die Rede sein, nachdem unser Lestwitz (inzwischen zum
General-Major avancirt) den Dienst überhaupt quittirt hatte. Dies
war 1779. Von da ab bis zum Tode des Generals (1788) ge-
hörten die Sommermonate einem Aufenthalt in Cunersdorf, wäh-
rend der Winter in der Hauptstadt zugebracht wurde. Die Stadt-
wohnung war das wohlbekannte Nicolai'sche Haus in der Brü-
derstraße.

Vielleicht das wichtigste Ereigniß, das in diesen neun Jahren
Schloß Cunersdorf und seine Bewohner traf, war die große
Oderüberschwemmung im Jahre 1785. Es war das dieselbe Ueber-
schwemmung, die in dem benachbarten Frankfurt dem opfermuthi-
gen Herzog Leopold von Braunschweig den Tod brachte. Weder
vorher (so weit Berichte reichen) noch nachher hat das Oderwasser
in diesen Gegenden eine gleiche Höhe erreicht. Ein Pfeil am Cu-
nersdorfer Schloß zeigt noch, wie hoch damals das Wasser stand.
Die Fluthen strömten in die Küche ein und mit ihnen kamen al-
lerlei Fische, groß und klein, und plätscherten ungefährdet und wie
zum Spott in den eingemauerten Kesseln umher, aus denen sie
dann bei guter Zeit ihren Rückzug antraten. Der Park stand unter
Wasser und in halber Höhe der Rampe, auf der sonst die Equi-
pagen vorfuhren, legten die Kähne an.

Das war ein Ereigniß. Sonst vergingen die Tage in jener
stillen Weise, die das Leben alter Militairs, vielleicht nach einem
Naturgesetz, so oft kennzeichnet; der Lärm und die Leidenschaften
des Kriegshandwerks machen sie doppelt begierig nach der Stille
des Friedens und des Alters. So war es auch hier. Alte Kame-
raden kamen oft und waren gern gesehen; im Wort lebte wieder

über dem Portal beſagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu
dieſem Jahre alſo haben wir unſeren Leſtwitz, kurze Beſuche be-
hufs Inſpicirung des Baues abgerechnet, ſchwerlich in Cunersdorf
zu ſuchen; ohnehin hielt ihn der Dienſt bei dem Bataillon Garde,
das er commandirte, in Potsdam feſt. Dieſer Dienſt geſtattete auch
wohl, von 1773 ab, nur kurze Beſuche, und von einem wirklichen
Beziehen des Schloſſes, von einem heimiſch werden darin konnte
wohl erſt die Rede ſein, nachdem unſer Leſtwitz (inzwiſchen zum
General-Major avancirt) den Dienſt überhaupt quittirt hatte. Dies
war 1779. Von da ab bis zum Tode des Generals (1788) ge-
hörten die Sommermonate einem Aufenthalt in Cunersdorf, wäh-
rend der Winter in der Hauptſtadt zugebracht wurde. Die Stadt-
wohnung war das wohlbekannte Nicolai’ſche Haus in der Brü-
derſtraße.

Vielleicht das wichtigſte Ereigniß, das in dieſen neun Jahren
Schloß Cunersdorf und ſeine Bewohner traf, war die große
Oderüberſchwemmung im Jahre 1785. Es war das dieſelbe Ueber-
ſchwemmung, die in dem benachbarten Frankfurt dem opfermuthi-
gen Herzog Leopold von Braunſchweig den Tod brachte. Weder
vorher (ſo weit Berichte reichen) noch nachher hat das Oderwaſſer
in dieſen Gegenden eine gleiche Höhe erreicht. Ein Pfeil am Cu-
nersdorfer Schloß zeigt noch, wie hoch damals das Waſſer ſtand.
Die Fluthen ſtrömten in die Küche ein und mit ihnen kamen al-
lerlei Fiſche, groß und klein, und plätſcherten ungefährdet und wie
zum Spott in den eingemauerten Keſſeln umher, aus denen ſie
dann bei guter Zeit ihren Rückzug antraten. Der Park ſtand unter
Waſſer und in halber Höhe der Rampe, auf der ſonſt die Equi-
pagen vorfuhren, legten die Kähne an.

Das war ein Ereigniß. Sonſt vergingen die Tage in jener
ſtillen Weiſe, die das Leben alter Militairs, vielleicht nach einem
Naturgeſetz, ſo oft kennzeichnet; der Lärm und die Leidenſchaften
des Kriegshandwerks machen ſie doppelt begierig nach der Stille
des Friedens und des Alters. So war es auch hier. Alte Kame-
raden kamen oft und waren gern geſehen; im Wort lebte wieder

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[464/0476] über dem Portal beſagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu dieſem Jahre alſo haben wir unſeren Leſtwitz, kurze Beſuche be- hufs Inſpicirung des Baues abgerechnet, ſchwerlich in Cunersdorf zu ſuchen; ohnehin hielt ihn der Dienſt bei dem Bataillon Garde, das er commandirte, in Potsdam feſt. Dieſer Dienſt geſtattete auch wohl, von 1773 ab, nur kurze Beſuche, und von einem wirklichen Beziehen des Schloſſes, von einem heimiſch werden darin konnte wohl erſt die Rede ſein, nachdem unſer Leſtwitz (inzwiſchen zum General-Major avancirt) den Dienſt überhaupt quittirt hatte. Dies war 1779. Von da ab bis zum Tode des Generals (1788) ge- hörten die Sommermonate einem Aufenthalt in Cunersdorf, wäh- rend der Winter in der Hauptſtadt zugebracht wurde. Die Stadt- wohnung war das wohlbekannte Nicolai’ſche Haus in der Brü- derſtraße. Vielleicht das wichtigſte Ereigniß, das in dieſen neun Jahren Schloß Cunersdorf und ſeine Bewohner traf, war die große Oderüberſchwemmung im Jahre 1785. Es war das dieſelbe Ueber- ſchwemmung, die in dem benachbarten Frankfurt dem opfermuthi- gen Herzog Leopold von Braunſchweig den Tod brachte. Weder vorher (ſo weit Berichte reichen) noch nachher hat das Oderwaſſer in dieſen Gegenden eine gleiche Höhe erreicht. Ein Pfeil am Cu- nersdorfer Schloß zeigt noch, wie hoch damals das Waſſer ſtand. Die Fluthen ſtrömten in die Küche ein und mit ihnen kamen al- lerlei Fiſche, groß und klein, und plätſcherten ungefährdet und wie zum Spott in den eingemauerten Keſſeln umher, aus denen ſie dann bei guter Zeit ihren Rückzug antraten. Der Park ſtand unter Waſſer und in halber Höhe der Rampe, auf der ſonſt die Equi- pagen vorfuhren, legten die Kähne an. Das war ein Ereigniß. Sonſt vergingen die Tage in jener ſtillen Weiſe, die das Leben alter Militairs, vielleicht nach einem Naturgeſetz, ſo oft kennzeichnet; der Lärm und die Leidenſchaften des Kriegshandwerks machen ſie doppelt begierig nach der Stille des Friedens und des Alters. So war es auch hier. Alte Kame- raden kamen oft und waren gern geſehen; im Wort lebte wieder

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/476>, abgerufen am 25.11.2024.