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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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von Friedland an und führte das Lestwitz'sche Wappen fort.
Bei ihrer Trennung von Adrian Heinrich von Borcke lebten
die Eltern der Frau von Friedland noch. Diese kehrte nun-
mehr in das väterliche Haus nach Schloß Cunersdorf zurück und
lebte daselbst ausschließlich der Erziehung ihrer Tochter und der
Ausbildung ihres eigenen Geistes. Nach dem Tode des Generals,
ihres Vaters, übernahm sie sofort die Verwaltung der beiden
Güter, und da es ihrem scharfen Auge nicht entging, daß die Be-
wirthschaftung, um zu größeren Erfolgen zu gelangen, vor allem
eines größeren Betriebskapitals als bisher bedürfe, so verkaufte sie
ihren Schmuck und ihre Juwelen, um sich in den Besitz eines
solchen Kapitals zu bringen.

Dieser erste Schritt, mit dem sie die Verwaltung ihrer Güter
begann, zeigt am besten, welch rascher und energischer Entschlüsse
sie fähig war. Es war eine seltene und ganz eminente Frau; ein
Charakter durch und durch. General v. d. Marwitz auf Frie-
dersdorf, der ihr Gutsnachbar war, hat uns in seinen Memoiren
eine Schilderung dieser ausgezeichneten Frau hinterlassen. Er
schreibt: "Das Meiste in der Landwirthschaft (ungefähr alles, was
ich nicht schon aus der Kindheit wußte, und nachher aus der Er-
fahrung erwarb) habe ich von einer sehr merkwürdigen Frau in
unserer Nachbarschaft gelernt, von einer Frau von Friedland.
Wie ich sie kennen lernte (1802) war sie ungefähr 12 Jahre im
Besitz der Güter und führte Alles mit beispielloser Ausdauer und
Geschick. Es waren sechs große Wirthschaften, die sie selbst leitete;
Unterbeamte hatte sie keine anderen als Bauern, die sie selbst dazu
gebildet hatte. Nicht nur war der Ackerbau im blühendsten Zu-
stande, sondern sie hatte ihre Wälder aus sumpfigen Niederungen,
auf bisher öde Berge versetzt, diese Niederungen aber in Wiesen
verwandelt, und so in allen Stücken. Ein solches Phänomen war
natürlicher Weise weit und breit verschrieen. Man sagte, sie ritte
auf den Feldern umher (das war wahr) und hätte beständig die
Peitsche in der Hand, womit sie die Bauern zur Arbeit treibe --
das war erlogen. Ich fand im Gegentheil eine wahre Mutter ih-

von Friedland an und führte das Leſtwitz’ſche Wappen fort.
Bei ihrer Trennung von Adrian Heinrich von Borcke lebten
die Eltern der Frau von Friedland noch. Dieſe kehrte nun-
mehr in das väterliche Haus nach Schloß Cunersdorf zurück und
lebte daſelbſt ausſchließlich der Erziehung ihrer Tochter und der
Ausbildung ihres eigenen Geiſtes. Nach dem Tode des Generals,
ihres Vaters, übernahm ſie ſofort die Verwaltung der beiden
Güter, und da es ihrem ſcharfen Auge nicht entging, daß die Be-
wirthſchaftung, um zu größeren Erfolgen zu gelangen, vor allem
eines größeren Betriebskapitals als bisher bedürfe, ſo verkaufte ſie
ihren Schmuck und ihre Juwelen, um ſich in den Beſitz eines
ſolchen Kapitals zu bringen.

Dieſer erſte Schritt, mit dem ſie die Verwaltung ihrer Güter
begann, zeigt am beſten, welch raſcher und energiſcher Entſchlüſſe
ſie fähig war. Es war eine ſeltene und ganz eminente Frau; ein
Charakter durch und durch. General v. d. Marwitz auf Frie-
dersdorf, der ihr Gutsnachbar war, hat uns in ſeinen Memoiren
eine Schilderung dieſer ausgezeichneten Frau hinterlaſſen. Er
ſchreibt: „Das Meiſte in der Landwirthſchaft (ungefähr alles, was
ich nicht ſchon aus der Kindheit wußte, und nachher aus der Er-
fahrung erwarb) habe ich von einer ſehr merkwürdigen Frau in
unſerer Nachbarſchaft gelernt, von einer Frau von Friedland.
Wie ich ſie kennen lernte (1802) war ſie ungefähr 12 Jahre im
Beſitz der Güter und führte Alles mit beiſpielloſer Ausdauer und
Geſchick. Es waren ſechs große Wirthſchaften, die ſie ſelbſt leitete;
Unterbeamte hatte ſie keine anderen als Bauern, die ſie ſelbſt dazu
gebildet hatte. Nicht nur war der Ackerbau im blühendſten Zu-
ſtande, ſondern ſie hatte ihre Wälder aus ſumpfigen Niederungen,
auf bisher öde Berge verſetzt, dieſe Niederungen aber in Wieſen
verwandelt, und ſo in allen Stücken. Ein ſolches Phänomen war
natürlicher Weiſe weit und breit verſchrieen. Man ſagte, ſie ritte
auf den Feldern umher (das war wahr) und hätte beſtändig die
Peitſche in der Hand, womit ſie die Bauern zur Arbeit treibe —
das war erlogen. Ich fand im Gegentheil eine wahre Mutter ih-

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[457/0469] von Friedland an und führte das Leſtwitz’ſche Wappen fort. Bei ihrer Trennung von Adrian Heinrich von Borcke lebten die Eltern der Frau von Friedland noch. Dieſe kehrte nun- mehr in das väterliche Haus nach Schloß Cunersdorf zurück und lebte daſelbſt ausſchließlich der Erziehung ihrer Tochter und der Ausbildung ihres eigenen Geiſtes. Nach dem Tode des Generals, ihres Vaters, übernahm ſie ſofort die Verwaltung der beiden Güter, und da es ihrem ſcharfen Auge nicht entging, daß die Be- wirthſchaftung, um zu größeren Erfolgen zu gelangen, vor allem eines größeren Betriebskapitals als bisher bedürfe, ſo verkaufte ſie ihren Schmuck und ihre Juwelen, um ſich in den Beſitz eines ſolchen Kapitals zu bringen. Dieſer erſte Schritt, mit dem ſie die Verwaltung ihrer Güter begann, zeigt am beſten, welch raſcher und energiſcher Entſchlüſſe ſie fähig war. Es war eine ſeltene und ganz eminente Frau; ein Charakter durch und durch. General v. d. Marwitz auf Frie- dersdorf, der ihr Gutsnachbar war, hat uns in ſeinen Memoiren eine Schilderung dieſer ausgezeichneten Frau hinterlaſſen. Er ſchreibt: „Das Meiſte in der Landwirthſchaft (ungefähr alles, was ich nicht ſchon aus der Kindheit wußte, und nachher aus der Er- fahrung erwarb) habe ich von einer ſehr merkwürdigen Frau in unſerer Nachbarſchaft gelernt, von einer Frau von Friedland. Wie ich ſie kennen lernte (1802) war ſie ungefähr 12 Jahre im Beſitz der Güter und führte Alles mit beiſpielloſer Ausdauer und Geſchick. Es waren ſechs große Wirthſchaften, die ſie ſelbſt leitete; Unterbeamte hatte ſie keine anderen als Bauern, die ſie ſelbſt dazu gebildet hatte. Nicht nur war der Ackerbau im blühendſten Zu- ſtande, ſondern ſie hatte ihre Wälder aus ſumpfigen Niederungen, auf bisher öde Berge verſetzt, dieſe Niederungen aber in Wieſen verwandelt, und ſo in allen Stücken. Ein ſolches Phänomen war natürlicher Weiſe weit und breit verſchrieen. Man ſagte, ſie ritte auf den Feldern umher (das war wahr) und hätte beſtändig die Peitſche in der Hand, womit ſie die Bauern zur Arbeit treibe — das war erlogen. Ich fand im Gegentheil eine wahre Mutter ih-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/469>, abgerufen am 24.11.2024.