fürsten Raum schaffte, Bonn enger und mit mehr Aussicht auf Erfolg zu umschließen.
Die Belagerung hatte schon über zwei Monate gewährt (von Ende Juni an), als von Mainz her, das vom Herzog Karl von Lothringen belagert wurde, die Nachricht anlangte, daß ein fran- zösisches Entsatzheer heranrücke und eine Verstärkung des dortigen deutschen Belagerungsheeres dringend wünschenswerth mache. Bar- fus mit 6000 Brandenburgern wurde zu diesem Zweck von Bonn nach Mainz detachirt. Als er am 30. August vor dem Kurfürsten Friedrich III. (später König Friedrich I.) erschien, um sich zu ver- abschieden, fand im Vorzimmer zwischen den beiden Generalen folgende Scene statt. *)
Barfus fand den Schöning auf einem Stuhle sitzend, trat an ihn heran und meldete: "daß er mit dem detachirten Corps nach Mainz marschire, was er hiemit dem Herrn Feldmarschall-Lieutenant zu wissen thue." Hierauf gab Schöning, wie es im Berichte heißt, eine "choquante Antwort" des Inhalts: "wie es ein Wunder wäre, daß ihm der Barfus endlich einmal die Civilität thäte und ihm die gebührende Meldung machte." Barfus, dieser choquan- ten Sprache begreiflicherweise choquant begegnend, antwortete schnell, "daß er die Meldung nur auf Befehl des Kurfürsten gemacht und sie sicher unterlassen haben würde, wenn er gewußt hätte, daß er einer solchen Antwort zu begegnen habe." Darauf Schöning: "auch ohne Befehl des Kurfürsten wäre die Meldung seine Schul- digkeit gewesen." Darauf trennte man sich.
Aber diese Scene im Vorzimmer war nur Vorspiel. Barfus,
*) Aehnliche Eifersüchteleien und ein entsprechender Grad von Ver- bitterung herrschte damals überhaupt in der brandenburgischen Armee, und Schöning, was neben manchem andern ihn entschuldigen mag, war all die Zeit über gereizt. Vielfach wurden ihm die Honneurs versagt, beson- ders seitdem Feldmarschall Schomberg bei der Armee war. Graf Dohna z. B., der -- ein Anhänger Schombergs und ein Gegner Schönings -- als Obristlieutenant bei den Grands Musquetaires stand, rief den Offi- zieren zu, als Schöning ihre Reihen passirte: "Meine Herren, daß Sie nicht grüßen! Ich verbiete es Ihnen."
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fürſten Raum ſchaffte, Bonn enger und mit mehr Ausſicht auf Erfolg zu umſchließen.
Die Belagerung hatte ſchon über zwei Monate gewährt (von Ende Juni an), als von Mainz her, das vom Herzog Karl von Lothringen belagert wurde, die Nachricht anlangte, daß ein fran- zöſiſches Entſatzheer heranrücke und eine Verſtärkung des dortigen deutſchen Belagerungsheeres dringend wünſchenswerth mache. Bar- fus mit 6000 Brandenburgern wurde zu dieſem Zweck von Bonn nach Mainz detachirt. Als er am 30. Auguſt vor dem Kurfürſten Friedrich III. (ſpäter König Friedrich I.) erſchien, um ſich zu ver- abſchieden, fand im Vorzimmer zwiſchen den beiden Generalen folgende Scene ſtatt. *)
Barfus fand den Schöning auf einem Stuhle ſitzend, trat an ihn heran und meldete: „daß er mit dem detachirten Corps nach Mainz marſchire, was er hiemit dem Herrn Feldmarſchall-Lieutenant zu wiſſen thue.“ Hierauf gab Schöning, wie es im Berichte heißt, eine „choquante Antwort“ des Inhalts: „wie es ein Wunder wäre, daß ihm der Barfus endlich einmal die Civilität thäte und ihm die gebührende Meldung machte.“ Barfus, dieſer choquan- ten Sprache begreiflicherweiſe choquant begegnend, antwortete ſchnell, „daß er die Meldung nur auf Befehl des Kurfürſten gemacht und ſie ſicher unterlaſſen haben würde, wenn er gewußt hätte, daß er einer ſolchen Antwort zu begegnen habe.“ Darauf Schöning: „auch ohne Befehl des Kurfürſten wäre die Meldung ſeine Schul- digkeit geweſen.“ Darauf trennte man ſich.
Aber dieſe Scene im Vorzimmer war nur Vorſpiel. Barfus,
*) Aehnliche Eiferſüchteleien und ein entſprechender Grad von Ver- bitterung herrſchte damals überhaupt in der brandenburgiſchen Armee, und Schöning, was neben manchem andern ihn entſchuldigen mag, war all die Zeit über gereizt. Vielfach wurden ihm die Honneurs verſagt, beſon- ders ſeitdem Feldmarſchall Schomberg bei der Armee war. Graf Dohna z. B., der — ein Anhänger Schombergs und ein Gegner Schönings — als Obriſtlieutenant bei den Grands Musquetaires ſtand, rief den Offi- zieren zu, als Schöning ihre Reihen paſſirte: „Meine Herren, daß Sie nicht grüßen! Ich verbiete es Ihnen.“
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fürſten Raum ſchaffte, Bonn enger und mit mehr Ausſicht auf
Erfolg zu umſchließen.
Die Belagerung hatte ſchon über zwei Monate gewährt (von
Ende Juni an), als von Mainz her, das vom Herzog Karl von
Lothringen belagert wurde, die Nachricht anlangte, daß ein fran-
zöſiſches Entſatzheer heranrücke und eine Verſtärkung des dortigen
deutſchen Belagerungsheeres dringend wünſchenswerth mache. Bar-
fus mit 6000 Brandenburgern wurde zu dieſem Zweck von Bonn
nach Mainz detachirt. Als er am 30. Auguſt vor dem Kurfürſten
Friedrich III. (ſpäter König Friedrich I.) erſchien, um ſich zu ver-
abſchieden, fand im Vorzimmer zwiſchen den beiden Generalen
folgende Scene ſtatt. *)
Barfus fand den Schöning auf einem Stuhle ſitzend, trat an
ihn heran und meldete: „daß er mit dem detachirten Corps nach
Mainz marſchire, was er hiemit dem Herrn Feldmarſchall-Lieutenant
zu wiſſen thue.“ Hierauf gab Schöning, wie es im Berichte heißt,
eine „choquante Antwort“ des Inhalts: „wie es ein Wunder
wäre, daß ihm der Barfus endlich einmal die Civilität thäte
und ihm die gebührende Meldung machte.“ Barfus, dieſer choquan-
ten Sprache begreiflicherweiſe choquant begegnend, antwortete ſchnell,
„daß er die Meldung nur auf Befehl des Kurfürſten gemacht
und ſie ſicher unterlaſſen haben würde, wenn er gewußt hätte, daß
er einer ſolchen Antwort zu begegnen habe.“ Darauf Schöning:
„auch ohne Befehl des Kurfürſten wäre die Meldung ſeine Schul-
digkeit geweſen.“ Darauf trennte man ſich.
Aber dieſe Scene im Vorzimmer war nur Vorſpiel. Barfus,
*) Aehnliche Eiferſüchteleien und ein entſprechender Grad von Ver-
bitterung herrſchte damals überhaupt in der brandenburgiſchen Armee, und
Schöning, was neben manchem andern ihn entſchuldigen mag, war all
die Zeit über gereizt. Vielfach wurden ihm die Honneurs verſagt, beſon-
ders ſeitdem Feldmarſchall Schomberg bei der Armee war. Graf Dohna
z. B., der — ein Anhänger Schombergs und ein Gegner Schönings —
als Obriſtlieutenant bei den Grands Musquetaires ſtand, rief den Offi-
zieren zu, als Schöning ihre Reihen paſſirte: „Meine Herren, daß Sie
nicht grüßen! Ich verbiete es Ihnen.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/45>, abgerufen am 27.07.2024.
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