das Sprüchwort fort: "Die hassen sich wie Schöning und Bar- fus." Wir wollen erzählen, wie es zu diesem Hasse kam.
Schöning war ein Glückskind und hatte, freilich nicht ohne großes persönliches Verdienst, seine Carriere über die Köpfe anderer Leute hinweg gemacht. Er war sechs Jahre jünger als Barfus und doch ihm immer um sechs Jahre voraus; das ergab eine Differenz, oder, wenn man so will, eine Ungerechtigkeit von zwölf Jahren. Der einundfünfzigjährige Barfus hatte vor Ofen unter dem fünfundvierzigjährigen Schöning gestanden, und zu der natür- lichen Bitterkeit, die sich einfach schon aus diesen Zahlen ergeben konnte, mochte sich bei Barfus die Betrachtung gesellen, daß ihm die grobe Arbeit des Belagerns und sich Herumschlagens, dem Oberstcommandirenden das Vergnügen des Repräsentirens, des Dinirens im herzoglichen Zelt und schließlich die Entgegennahme eines mit Diamanten besetzten Degens zugefallen sei. Jetzt, dritte- halb Jahre später, im Sommer 1689, standen beide Generale ebenso am Rhein, wie sie damals an der Donau gestanden hatten, d. h. Schöning war abermals dem Barfus um einen Pas vor- aus, und wiewohl ein vorliegender Bericht aus jener Zeit eigens mit den Worten beginnt: "Es hat der Generallieutenant von Barfus dem General-Feldmarschall-Lieutenant von Schöning bis- her jedesmal den gebührenden Respekt gegeben", so wagen wir doch, ohne das Gemeldete geradezu zu bestreiten, die Vermuthung, daß dem Barfus die "gebührenden Respektsbezeugungen" in seinem Herzen sehr schwer geworden sind.
Das Hauptkriegsereigniß im Sommer des genannten Jahres war die Belagerung des von den Franzosen besetzten Bonn. Ehe die Brandenburger unter des Kurfürsten und Schönings Führung dazu schreiten konnten, war ein Zurückdrängen der Franzosen aus den kleineren Plätzen, die in der Nähe von Bonn lagen, nöthig. Es kam dabei zum Gefecht bei Ordingen oder Uerdingen, das, von Schöning trefflich entworfen und von Barfus, der den rech- ten Flügel befehligte, mit vieler Bravour ausgeführt, dem Kur-
das Sprüchwort fort: „Die haſſen ſich wie Schöning und Bar- fus.“ Wir wollen erzählen, wie es zu dieſem Haſſe kam.
Schöning war ein Glückskind und hatte, freilich nicht ohne großes perſönliches Verdienſt, ſeine Carrière über die Köpfe anderer Leute hinweg gemacht. Er war ſechs Jahre jünger als Barfus und doch ihm immer um ſechs Jahre voraus; das ergab eine Differenz, oder, wenn man ſo will, eine Ungerechtigkeit von zwölf Jahren. Der einundfünfzigjährige Barfus hatte vor Ofen unter dem fünfundvierzigjährigen Schöning geſtanden, und zu der natür- lichen Bitterkeit, die ſich einfach ſchon aus dieſen Zahlen ergeben konnte, mochte ſich bei Barfus die Betrachtung geſellen, daß ihm die grobe Arbeit des Belagerns und ſich Herumſchlagens, dem Oberſtcommandirenden das Vergnügen des Repräſentirens, des Dinirens im herzoglichen Zelt und ſchließlich die Entgegennahme eines mit Diamanten beſetzten Degens zugefallen ſei. Jetzt, dritte- halb Jahre ſpäter, im Sommer 1689, ſtanden beide Generale ebenſo am Rhein, wie ſie damals an der Donau geſtanden hatten, d. h. Schöning war abermals dem Barfus um einen Pas vor- aus, und wiewohl ein vorliegender Bericht aus jener Zeit eigens mit den Worten beginnt: „Es hat der Generallieutenant von Barfus dem General-Feldmarſchall-Lieutenant von Schöning bis- her jedesmal den gebührenden Reſpekt gegeben“, ſo wagen wir doch, ohne das Gemeldete geradezu zu beſtreiten, die Vermuthung, daß dem Barfus die „gebührenden Reſpektsbezeugungen“ in ſeinem Herzen ſehr ſchwer geworden ſind.
Das Hauptkriegsereigniß im Sommer des genannten Jahres war die Belagerung des von den Franzoſen beſetzten Bonn. Ehe die Brandenburger unter des Kurfürſten und Schönings Führung dazu ſchreiten konnten, war ein Zurückdrängen der Franzoſen aus den kleineren Plätzen, die in der Nähe von Bonn lagen, nöthig. Es kam dabei zum Gefecht bei Ordingen oder Uerdingen, das, von Schöning trefflich entworfen und von Barfus, der den rech- ten Flügel befehligte, mit vieler Bravour ausgeführt, dem Kur-
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das Sprüchwort fort: „Die haſſen ſich wie Schöning und Bar-
fus.“ Wir wollen erzählen, wie es zu dieſem Haſſe kam.
Schöning war ein Glückskind und hatte, freilich nicht ohne
großes perſönliches Verdienſt, ſeine Carrière über die Köpfe anderer
Leute hinweg gemacht. Er war ſechs Jahre jünger als Barfus
und doch ihm immer um ſechs Jahre voraus; das ergab eine
Differenz, oder, wenn man ſo will, eine Ungerechtigkeit von zwölf
Jahren. Der einundfünfzigjährige Barfus hatte vor Ofen unter
dem fünfundvierzigjährigen Schöning geſtanden, und zu der natür-
lichen Bitterkeit, die ſich einfach ſchon aus dieſen Zahlen ergeben
konnte, mochte ſich bei Barfus die Betrachtung geſellen, daß ihm
die grobe Arbeit des Belagerns und ſich Herumſchlagens, dem
Oberſtcommandirenden das Vergnügen des Repräſentirens, des
Dinirens im herzoglichen Zelt und ſchließlich die Entgegennahme
eines mit Diamanten beſetzten Degens zugefallen ſei. Jetzt, dritte-
halb Jahre ſpäter, im Sommer 1689, ſtanden beide Generale
ebenſo am Rhein, wie ſie damals an der Donau geſtanden hatten,
d. h. Schöning war abermals dem Barfus um einen Pas vor-
aus, und wiewohl ein vorliegender Bericht aus jener Zeit eigens
mit den Worten beginnt: „Es hat der Generallieutenant von
Barfus dem General-Feldmarſchall-Lieutenant von Schöning bis-
her jedesmal den gebührenden Reſpekt gegeben“, ſo wagen wir
doch, ohne das Gemeldete geradezu zu beſtreiten, die Vermuthung,
daß dem Barfus die „gebührenden Reſpektsbezeugungen“ in ſeinem
Herzen ſehr ſchwer geworden ſind.
Das Hauptkriegsereigniß im Sommer des genannten Jahres
war die Belagerung des von den Franzoſen beſetzten Bonn. Ehe
die Brandenburger unter des Kurfürſten und Schönings Führung
dazu ſchreiten konnten, war ein Zurückdrängen der Franzoſen aus
den kleineren Plätzen, die in der Nähe von Bonn lagen, nöthig.
Es kam dabei zum Gefecht bei Ordingen oder Uerdingen, das,
von Schöning trefflich entworfen und von Barfus, der den rech-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/44>, abgerufen am 27.11.2024.
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