"Lestwitz hat den Staat, Prittwitz hat den König gerettet", so hieß es damals sprichwörtlich. Lestwitz a sauve l'etat, Pritt- witz a sauve le roi.
Die Rettung des Königs durch Prittwitz wird verschieden er- zählt; die gewöhnliche Darstellung des Hergangs ist folgende:
"Als gegen Abend die Preußischen Truppen nach übermensch- licher Anstrengung und Tapferkeit, durch die feindliche Uebermacht endlich zurückgeworfen waren, und fast aufgelöst das Schlachtfeld verließen, war der große König in Verzweiflung, und man hörte ihn die Worte rufen: "Kann mich denn heut keine verwünschte Kugel treffen." Zwei Pferde waren ihm unter dem Leib erschossen worden, und eine dritte Kugel hatte ihm ein goldenes Etui in seiner Westentasche zerdrückt. *) Nach dem schnellen Rückzuge des Heeres streifte, als einer der letzten Preußen, noch Joachim Bern- hard von Prittwitz mit einem Trupp von etwa 50 seiner Zieten- schen Husaren, die wahrscheinlich am Kampfe noch nicht Theil ge- nommen hatten, auf dem Schlachtfelde umher. Als auch er end- lich sich vor den andrängenden Kosackenschwärmen zurückziehen wollte, rief ihm plötzlich der Unteroffizier Velten, der später gea- delt als Major in der Rheincampagne fiel, zu: "Herr Rittmeister, da steht der König." Sich umwendend, erblickte er den König, der fast allein, nur in Begleitung eines Pagen, welcher sein Pferd hielt, auf einem Sandhügel des sogenannten Mühlberges stand. Er hatte seinen Degen vor sich in die Erde gestoßen und blickte mit verschränkten Armen dem herannahenden Verderben entgegen. Eilig sprengte Joachim Bernhard auf ihn zu, doch nur mit Mühe konnte er ihn überreden, sich auf's Pferd zu werfen und auf seine Rettung bedacht zu sein. Endlich folgte der König seinen Bitten, indem er rief: "Nun Herr, wenn Ihr meint, vorwärts." Aber schon waren die Kosaken ganz nahe gekommen. Joachim Bernhard
*) Etui und Kugel existiren noch und werden, unter andern Erinne- rungsstücken der Art, auf dem Stadtschloß zu Potsdam gezeigt. Das Etui (Gold und Emaille) hat die Form einer Schachtel und steckt in einem mit Sammt gefuttertem Gehäuse. Die Kugel ist ganz platt gedrückt.
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„Leſtwitz hat den Staat, Prittwitz hat den König gerettet“, ſo hieß es damals ſprichwörtlich. Lestwitz a sauvé l’etat, Pritt- witz a sauvé le roi.
Die Rettung des Königs durch Prittwitz wird verſchieden er- zählt; die gewöhnliche Darſtellung des Hergangs iſt folgende:
„Als gegen Abend die Preußiſchen Truppen nach übermenſch- licher Anſtrengung und Tapferkeit, durch die feindliche Uebermacht endlich zurückgeworfen waren, und faſt aufgelöſt das Schlachtfeld verließen, war der große König in Verzweiflung, und man hörte ihn die Worte rufen: „Kann mich denn heut keine verwünſchte Kugel treffen.“ Zwei Pferde waren ihm unter dem Leib erſchoſſen worden, und eine dritte Kugel hatte ihm ein goldenes Etui in ſeiner Weſtentaſche zerdrückt. *) Nach dem ſchnellen Rückzuge des Heeres ſtreifte, als einer der letzten Preußen, noch Joachim Bern- hard von Prittwitz mit einem Trupp von etwa 50 ſeiner Zieten- ſchen Huſaren, die wahrſcheinlich am Kampfe noch nicht Theil ge- nommen hatten, auf dem Schlachtfelde umher. Als auch er end- lich ſich vor den andrängenden Koſackenſchwärmen zurückziehen wollte, rief ihm plötzlich der Unteroffizier Velten, der ſpäter gea- delt als Major in der Rheincampagne fiel, zu: „Herr Rittmeiſter, da ſteht der König.“ Sich umwendend, erblickte er den König, der faſt allein, nur in Begleitung eines Pagen, welcher ſein Pferd hielt, auf einem Sandhügel des ſogenannten Mühlberges ſtand. Er hatte ſeinen Degen vor ſich in die Erde geſtoßen und blickte mit verſchränkten Armen dem herannahenden Verderben entgegen. Eilig ſprengte Joachim Bernhard auf ihn zu, doch nur mit Mühe konnte er ihn überreden, ſich auf’s Pferd zu werfen und auf ſeine Rettung bedacht zu ſein. Endlich folgte der König ſeinen Bitten, indem er rief: „Nun Herr, wenn Ihr meint, vorwärts.“ Aber ſchon waren die Koſaken ganz nahe gekommen. Joachim Bernhard
*) Etui und Kugel exiſtiren noch und werden, unter andern Erinne- rungsſtücken der Art, auf dem Stadtſchloß zu Potsdam gezeigt. Das Etui (Gold und Emaille) hat die Form einer Schachtel und ſteckt in einem mit Sammt gefuttertem Gehäuſe. Die Kugel iſt ganz platt gedrückt.
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„Leſtwitz hat den Staat, Prittwitz hat den König gerettet“, ſo
hieß es damals ſprichwörtlich. Lestwitz a sauvé l’etat, Pritt-
witz a sauvé le roi.
Die Rettung des Königs durch Prittwitz wird verſchieden er-
zählt; die gewöhnliche Darſtellung des Hergangs iſt folgende:
„Als gegen Abend die Preußiſchen Truppen nach übermenſch-
licher Anſtrengung und Tapferkeit, durch die feindliche Uebermacht
endlich zurückgeworfen waren, und faſt aufgelöſt das Schlachtfeld
verließen, war der große König in Verzweiflung, und man hörte
ihn die Worte rufen: „Kann mich denn heut keine verwünſchte
Kugel treffen.“ Zwei Pferde waren ihm unter dem Leib erſchoſſen
worden, und eine dritte Kugel hatte ihm ein goldenes Etui in
ſeiner Weſtentaſche zerdrückt. *) Nach dem ſchnellen Rückzuge des
Heeres ſtreifte, als einer der letzten Preußen, noch Joachim Bern-
hard von Prittwitz mit einem Trupp von etwa 50 ſeiner Zieten-
ſchen Huſaren, die wahrſcheinlich am Kampfe noch nicht Theil ge-
nommen hatten, auf dem Schlachtfelde umher. Als auch er end-
lich ſich vor den andrängenden Koſackenſchwärmen zurückziehen
wollte, rief ihm plötzlich der Unteroffizier Velten, der ſpäter gea-
delt als Major in der Rheincampagne fiel, zu: „Herr Rittmeiſter,
da ſteht der König.“ Sich umwendend, erblickte er den König,
der faſt allein, nur in Begleitung eines Pagen, welcher ſein Pferd
hielt, auf einem Sandhügel des ſogenannten Mühlberges ſtand.
Er hatte ſeinen Degen vor ſich in die Erde geſtoßen und blickte
mit verſchränkten Armen dem herannahenden Verderben entgegen.
Eilig ſprengte Joachim Bernhard auf ihn zu, doch nur mit Mühe
konnte er ihn überreden, ſich auf’s Pferd zu werfen und auf ſeine
Rettung bedacht zu ſein. Endlich folgte der König ſeinen Bitten,
indem er rief: „Nun Herr, wenn Ihr meint, vorwärts.“ Aber
ſchon waren die Koſaken ganz nahe gekommen. Joachim Bernhard
*) Etui und Kugel exiſtiren noch und werden, unter andern Erinne-
rungsſtücken der Art, auf dem Stadtſchloß zu Potsdam gezeigt. Das Etui
(Gold und Emaille) hat die Form einer Schachtel und ſteckt in einem
mit Sammt gefuttertem Gehäuſe. Die Kugel iſt ganz platt gedrückt.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/429>, abgerufen am 21.11.2024.
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