kannt und mein ganzes Herz liebt ihn; seine Existenz ist ein Trost für mich. Sie wissen, er ist mit Varnhagen hin nach dem Krieg."
Marwitz war "nach dem Krieg"; er war Ende Mai nach Oesterreich gegangen, um an dem Kampf gegen Napoleon Theil zu nehmen. Was ihn fort trieb, war ein Mannichfaches: zunächst die Nachricht, daß sein jüngerer Bruder Eberhardt, der seit 1808 in österreichischen Diensten stand, in der Schlacht bei Aspern schwer verwundet worden sei; dann aber vor allem sein Haß gegen Na- poleon, die Ueberzeugung, "daß -- um die Worte seines Bruders zu wiederholen -- die Freiheit das allein Werthvolle sei, und alles Wissen in einem Sklavenlande nicht gedeihen, nicht ächte Frucht treiben könne." Zudem war die Theil- nahme am Kampf halb Ehrensache für ihn geworden. Er hatte Schill verlassen, weil er das Kopf- und Planlose des Zuges sofort erkannt hatte, aber er hatte dadurch gleichzeitig die stillschweigende Pflicht auf sich genommen, jedem Unternehmen seine Kräfte zu leihen, das mit ausreichenderen Mitteln begonnen, irgend welche Aussicht auf Erfolg bieten konnte. Ein solches Unternehmen war der österreichische Krieg. Marwitz trat in das berühmte Chevaux- legersregiment Graf Klenau ein, dasselbe Regiment, in dem sein Bruder gedient hatte, und machte die letzten Kämpfe des Krieges, die Schlachten bei Wagram und Znaym mit. Auch nach dem Friedensschluß blieb er bis zum Herbst 1810 in österreichischem Dienst. Gleich die ersten Wochen nach dem Frieden wurden ihm schwer vergällt. Krank war er nach Ollmütz gekommen, wo er Quartier in einem Gasthof nahm. Der Wirth, ein roher und heftiger Gesell, erging sich, aus Motiven, die nicht klar geworden sind, vermuthlich aber ohne alle und jede Veranlassung, in hefti- gen Insulten gegen Marwitz und drang endlich auf diesen ein. Marwitz zog den Degen zu seiner Vertheidigung und stieß den Angreifer endlich nieder. Dieser Vorgang machte großes Aufsehen und auf Marwitz's Gemüth einen tiefen und nachhaltigen Eindruck. Denn wiewohl er nur Nothwehr gebraucht und den Ausspruch der Gerichte sowohl wie die öffentliche Meinung für sich hatte, so suchte
kannt und mein ganzes Herz liebt ihn; ſeine Exiſtenz iſt ein Troſt für mich. Sie wiſſen, er iſt mit Varnhagen hin nach dem Krieg.“
Marwitz war „nach dem Krieg“; er war Ende Mai nach Oeſterreich gegangen, um an dem Kampf gegen Napoleon Theil zu nehmen. Was ihn fort trieb, war ein Mannichfaches: zunächſt die Nachricht, daß ſein jüngerer Bruder Eberhardt, der ſeit 1808 in öſterreichiſchen Dienſten ſtand, in der Schlacht bei Aspern ſchwer verwundet worden ſei; dann aber vor allem ſein Haß gegen Na- poleon, die Ueberzeugung, „daß — um die Worte ſeines Bruders zu wiederholen — die Freiheit das allein Werthvolle ſei, und alles Wiſſen in einem Sklavenlande nicht gedeihen, nicht ächte Frucht treiben könne.“ Zudem war die Theil- nahme am Kampf halb Ehrenſache für ihn geworden. Er hatte Schill verlaſſen, weil er das Kopf- und Planloſe des Zuges ſofort erkannt hatte, aber er hatte dadurch gleichzeitig die ſtillſchweigende Pflicht auf ſich genommen, jedem Unternehmen ſeine Kräfte zu leihen, das mit ausreichenderen Mitteln begonnen, irgend welche Ausſicht auf Erfolg bieten konnte. Ein ſolches Unternehmen war der öſterreichiſche Krieg. Marwitz trat in das berühmte Chevaux- legersregiment Graf Klenau ein, daſſelbe Regiment, in dem ſein Bruder gedient hatte, und machte die letzten Kämpfe des Krieges, die Schlachten bei Wagram und Znaym mit. Auch nach dem Friedensſchluß blieb er bis zum Herbſt 1810 in öſterreichiſchem Dienſt. Gleich die erſten Wochen nach dem Frieden wurden ihm ſchwer vergällt. Krank war er nach Ollmütz gekommen, wo er Quartier in einem Gaſthof nahm. Der Wirth, ein roher und heftiger Geſell, erging ſich, aus Motiven, die nicht klar geworden ſind, vermuthlich aber ohne alle und jede Veranlaſſung, in hefti- gen Inſulten gegen Marwitz und drang endlich auf dieſen ein. Marwitz zog den Degen zu ſeiner Vertheidigung und ſtieß den Angreifer endlich nieder. Dieſer Vorgang machte großes Aufſehen und auf Marwitz’s Gemüth einen tiefen und nachhaltigen Eindruck. Denn wiewohl er nur Nothwehr gebraucht und den Ausſpruch der Gerichte ſowohl wie die öffentliche Meinung für ſich hatte, ſo ſuchte
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kannt und mein ganzes Herz liebt ihn; ſeine Exiſtenz iſt ein Troſt
für mich. Sie wiſſen, er iſt mit Varnhagen hin nach dem Krieg.“
Marwitz war „nach dem Krieg“; er war Ende Mai nach
Oeſterreich gegangen, um an dem Kampf gegen Napoleon Theil
zu nehmen. Was ihn fort trieb, war ein Mannichfaches: zunächſt
die Nachricht, daß ſein jüngerer Bruder Eberhardt, der ſeit 1808
in öſterreichiſchen Dienſten ſtand, in der Schlacht bei Aspern ſchwer
verwundet worden ſei; dann aber vor allem ſein Haß gegen Na-
poleon, die Ueberzeugung, „daß — um die Worte ſeines Bruders
zu wiederholen — die Freiheit das allein Werthvolle ſei,
und alles Wiſſen in einem Sklavenlande nicht gedeihen,
nicht ächte Frucht treiben könne.“ Zudem war die Theil-
nahme am Kampf halb Ehrenſache für ihn geworden. Er hatte
Schill verlaſſen, weil er das Kopf- und Planloſe des Zuges ſofort
erkannt hatte, aber er hatte dadurch gleichzeitig die ſtillſchweigende
Pflicht auf ſich genommen, jedem Unternehmen ſeine Kräfte zu
leihen, das mit ausreichenderen Mitteln begonnen, irgend welche
Ausſicht auf Erfolg bieten konnte. Ein ſolches Unternehmen war
der öſterreichiſche Krieg. Marwitz trat in das berühmte Chevaux-
legersregiment Graf Klenau ein, daſſelbe Regiment, in dem ſein
Bruder gedient hatte, und machte die letzten Kämpfe des Krieges,
die Schlachten bei Wagram und Znaym mit. Auch nach dem
Friedensſchluß blieb er bis zum Herbſt 1810 in öſterreichiſchem
Dienſt. Gleich die erſten Wochen nach dem Frieden wurden ihm
ſchwer vergällt. Krank war er nach Ollmütz gekommen, wo er
Quartier in einem Gaſthof nahm. Der Wirth, ein roher und
heftiger Geſell, erging ſich, aus Motiven, die nicht klar geworden
ſind, vermuthlich aber ohne alle und jede Veranlaſſung, in hefti-
gen Inſulten gegen Marwitz und drang endlich auf dieſen ein.
Marwitz zog den Degen zu ſeiner Vertheidigung und ſtieß den
Angreifer endlich nieder. Dieſer Vorgang machte großes Aufſehen
und auf Marwitz’s Gemüth einen tiefen und nachhaltigen Eindruck.
Denn wiewohl er nur Nothwehr gebraucht und den Ausſpruch der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/408>, abgerufen am 25.11.2024.
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