Dies entschied für Marwitz's Lebenszeit, und vor seiner Seele stand von jetzt an das aide toi meme. Das alte gekränkte Recht des Landes, den ständischen Staat, der nicht auf dem Wege Rech- tens beseitigt war, gegen jeden Angriff zu halten, wurde von nun an seine Aufgabe, sein letztes Ziel. Da andere Schultern zu schwach oder zu träge waren, die Last auf sich zu nehmen, so that er es. Den offenen Widerstand gab er auf, aber er schärfte sich die Waffen des Geistes für einen kommenden Kampf, und die Schwächen der Hardenbergschen Verwaltung sind vielleicht nirgends klarer und scharfsinniger erkannt und rücksichtsloser aufgedeckt wor- den, als in den ziemlich zahlreichen Denkschriften Marwitzens, die wir jener Epoche stiller, aber energischer Gegnerschaft verdanken. Es sind Musterstücke nach der kritischen Seite hin, auch an Ideen ist kein Mangel; aber um praktisch-unmittelbar zu helfen, dazu waren diese Ideen zu allgemeiner Natur und ihr Bestes ist die ideelle Anregung geblieben, die sie in reichem Maaße gege- ben haben.
Marwitz's Gefangenhaltung hatte im Juli 1811 stattgefun- den. Mehr gehoben als gedemüthigt war er nach Friedersdorf zurückgekehrt, voll des Gefühls, einen guten Kampf gekämpft zu haben. Mit gerechtem Selbstbewußtsein schrieb er später die Worte nieder: "Ich genoß seitdem eine weit verbreitetere Achtung und ward von allen Erbärmlichen geflohen als einer, in dessen Nähe man sich leicht verbrennen kann."
So kam der Winter 12 auf 13. Die französische Armee war vernichtet. Marschall Macdonald hatte ausgerufen: "Ou est la grande armee? La grande armee, c'est le dixieme corps." Die berühmte Capitulation von Tauroggen war geschlos- sen; Alexander von der Marwitz, der jüngere Bruder, der damals
seit lange nicht mehr existirte. Die Stände hatten neben der absoluten obersten Regierungsgewalt eine Art geduldetes Dasein geführt; die Könige waren so viel und die Stände so wenig gewesen, daß, als der Moment kam, wo die unzweifelhaft in ihrem Recht gekränkten Stände wieder etwas sein wollten, niemand mehr einen rechten Glauben an die Rechtmäßigkeit ihres Rechtes hatte.
Dies entſchied für Marwitz’s Lebenszeit, und vor ſeiner Seele ſtand von jetzt an das aide toi même. Das alte gekränkte Recht des Landes, den ſtändiſchen Staat, der nicht auf dem Wege Rech- tens beſeitigt war, gegen jeden Angriff zu halten, wurde von nun an ſeine Aufgabe, ſein letztes Ziel. Da andere Schultern zu ſchwach oder zu träge waren, die Laſt auf ſich zu nehmen, ſo that er es. Den offenen Widerſtand gab er auf, aber er ſchärfte ſich die Waffen des Geiſtes für einen kommenden Kampf, und die Schwächen der Hardenbergſchen Verwaltung ſind vielleicht nirgends klarer und ſcharfſinniger erkannt und rückſichtsloſer aufgedeckt wor- den, als in den ziemlich zahlreichen Denkſchriften Marwitzens, die wir jener Epoche ſtiller, aber energiſcher Gegnerſchaft verdanken. Es ſind Muſterſtücke nach der kritiſchen Seite hin, auch an Ideen iſt kein Mangel; aber um praktiſch-unmittelbar zu helfen, dazu waren dieſe Ideen zu allgemeiner Natur und ihr Beſtes iſt die ideelle Anregung geblieben, die ſie in reichem Maaße gege- ben haben.
Marwitz’s Gefangenhaltung hatte im Juli 1811 ſtattgefun- den. Mehr gehoben als gedemüthigt war er nach Friedersdorf zurückgekehrt, voll des Gefühls, einen guten Kampf gekämpft zu haben. Mit gerechtem Selbſtbewußtſein ſchrieb er ſpäter die Worte nieder: „Ich genoß ſeitdem eine weit verbreitetere Achtung und ward von allen Erbärmlichen geflohen als einer, in deſſen Nähe man ſich leicht verbrennen kann.“
So kam der Winter 12 auf 13. Die franzöſiſche Armee war vernichtet. Marſchall Macdonald hatte ausgerufen: „Où est la grande armée? La grande armée, c’est le dixième corps.“ Die berühmte Capitulation von Tauroggen war geſchloſ- ſen; Alexander von der Marwitz, der jüngere Bruder, der damals
ſeit lange nicht mehr exiſtirte. Die Stände hatten neben der abſoluten oberſten Regierungsgewalt eine Art geduldetes Daſein geführt; die Könige waren ſo viel und die Stände ſo wenig geweſen, daß, als der Moment kam, wo die unzweifelhaft in ihrem Recht gekränkten Stände wieder etwas ſein wollten, niemand mehr einen rechten Glauben an die Rechtmäßigkeit ihres Rechtes hatte.
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Dies entſchied für Marwitz’s Lebenszeit, und vor ſeiner Seele
ſtand von jetzt an das aide toi même. Das alte gekränkte Recht
des Landes, den ſtändiſchen Staat, der nicht auf dem Wege Rech-
tens beſeitigt war, gegen jeden Angriff zu halten, wurde von
nun an ſeine Aufgabe, ſein letztes Ziel. Da andere Schultern zu
ſchwach oder zu träge waren, die Laſt auf ſich zu nehmen, ſo that
er es. Den offenen Widerſtand gab er auf, aber er ſchärfte ſich
die Waffen des Geiſtes für einen kommenden Kampf, und die
Schwächen der Hardenbergſchen Verwaltung ſind vielleicht nirgends
klarer und ſcharfſinniger erkannt und rückſichtsloſer aufgedeckt wor-
den, als in den ziemlich zahlreichen Denkſchriften Marwitzens, die
wir jener Epoche ſtiller, aber energiſcher Gegnerſchaft verdanken.
Es ſind Muſterſtücke nach der kritiſchen Seite hin, auch an Ideen
iſt kein Mangel; aber um praktiſch-unmittelbar zu helfen,
dazu waren dieſe Ideen zu allgemeiner Natur und ihr Beſtes iſt
die ideelle Anregung geblieben, die ſie in reichem Maaße gege-
ben haben.
Marwitz’s Gefangenhaltung hatte im Juli 1811 ſtattgefun-
den. Mehr gehoben als gedemüthigt war er nach Friedersdorf
zurückgekehrt, voll des Gefühls, einen guten Kampf gekämpft zu
haben. Mit gerechtem Selbſtbewußtſein ſchrieb er ſpäter die Worte
nieder: „Ich genoß ſeitdem eine weit verbreitetere Achtung und
ward von allen Erbärmlichen geflohen als einer, in deſſen Nähe
man ſich leicht verbrennen kann.“
So kam der Winter 12 auf 13. Die franzöſiſche Armee
war vernichtet. Marſchall Macdonald hatte ausgerufen: „Où est
la grande armée? La grande armée, c’est le dixième
corps.“ Die berühmte Capitulation von Tauroggen war geſchloſ-
ſen; Alexander von der Marwitz, der jüngere Bruder, der damals
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*) ſeit lange nicht mehr exiſtirte. Die Stände hatten neben der abſoluten
oberſten Regierungsgewalt eine Art geduldetes Daſein geführt; die Könige
waren ſo viel und die Stände ſo wenig geweſen, daß, als der Moment
kam, wo die unzweifelhaft in ihrem Recht gekränkten Stände wieder etwas
ſein wollten, niemand mehr einen rechten Glauben an die Rechtmäßigkeit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/385>, abgerufen am 25.11.2024.
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