Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.Erlaß geheißen: "Mit Rührung haben wir die Beweise von Er stellte sich an die Spitze der Lebusischen Stände und *) Marwitz, in seiner Bitterkeit, erklärt dies allerdings überraschende
Verfahren daraus, daß der Justizminister Kircheisen eine "Creatur Har- denbergs" gewesen sei. Die eigentliche Erklärung, wie überhaupt die Er- klärung alles dessen, was an Rechtsverunglimpfungen vorausgegangen war, liegt aber wohl darin, daß in der allgemeinen Anschauung des Volks, an der eben jeder mehr oder weniger theilnahm, ein ständischer Staat Erlaß geheißen: „Mit Rührung haben wir die Beweiſe von Er ſtellte ſich an die Spitze der Lebuſiſchen Stände und *) Marwitz, in ſeiner Bitterkeit, erklärt dies allerdings überraſchende
Verfahren daraus, daß der Juſtizminiſter Kircheiſen eine „Creatur Har- denbergs“ geweſen ſei. Die eigentliche Erklärung, wie überhaupt die Er- klärung alles deſſen, was an Rechtsverunglimpfungen vorausgegangen war, liegt aber wohl darin, daß in der allgemeinen Anſchauung des Volks, an der eben jeder mehr oder weniger theilnahm, ein ſtändiſcher Staat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0384" n="372"/> Erlaß geheißen: „Mit <hi rendition="#g">Rührung</hi> haben wir die Beweiſe von<lb/> Anhänglichkeit aller Klaſſen unſerer getreuen Unterthanen an Unſere<lb/> Perſon bemerkt, <hi rendition="#g">inſonderheit auch die Hülfe erkannt</hi>, welche<lb/> uns, bei der Sicherſtellung der Contribution an Frankreich und<lb/> bei der Aufbringung der einſtweilen nöthigen Fonds, <hi rendition="#g">von unſern<lb/> getreuen Ständen mit größter Bereitwilligkeit geleiſtet<lb/> worden iſt</hi>.“ — Und <choice><sic>nnn</sic><corr>nun</corr></choice>? mit Gewaltmaßregeln hatte man ge-<lb/> glaubt, der weiteren Hülfebereitſchaft der Stände nachhelfen zu<lb/> müſſen. Die Gewalt lag vor. Viele empfanden die Unbill, die<lb/> Bitterkeit des Unrechts, aber wenige hatten den Muth, auszuſpre-<lb/> chen, was ſie fühlten. Unter dieſen wenigen ſtand Marwitz obenan.<lb/> Er war der bewußteſte und der ſelbſtſuchtsloſeſte, er konnte ener-<lb/> giſcher auftreten als andere, weil er im eigenen Herzen empfand,<lb/> daß er den Kampf nicht um äußern Vortheils, nicht um einer<lb/> „Kaſſe“ willen aufnahm, ſondern um des Rechtes willen.</p><lb/> <p>Er ſtellte ſich an die Spitze der Lebuſiſchen Stände und<lb/><hi rendition="#g">proteſtirte</hi>. Er bat nicht, er bettelte nicht, er betonte das <hi rendition="#g">ſtän-<lb/> diſche Recht</hi>. Das war dem Miniſter zu viel; er wollte das<lb/> Wort nicht hören. Je mehr er fühlen mochte, wie ſchwer der be-<lb/> gangene Rechtsbruch ſei, deſto mehr empfand er die Nothwendig-<lb/> keit, die Klage ſtumm zu machen. Einſchüchterung ſollte helfen.<lb/> Marwitz und Graf Finkenſtein, die den Proteſt abgefaßt hatten,<lb/> wurden zu „warnendem Exempel“ auf die Feſtung Spandau ge-<lb/> ſchickt. Das Kammergericht ſelbſt, als öffentlicher Ankläger auftre-<lb/> tend, verfügte die Verhaftung beider, ohne daß ein Verhör oder<lb/> eine wirkliche Gerichtsverhandlung ſtattgefunden hätte. So war<lb/> denn auch der Anruf der Gerichte den vorweg Verurtheilten ab-<lb/> geſchnitten. <note xml:id="note-0384" next="#note-0385" place="foot" n="*)">Marwitz, in ſeiner Bitterkeit, erklärt dies allerdings überraſchende<lb/> Verfahren daraus, daß der Juſtizminiſter Kircheiſen eine „Creatur Har-<lb/> denbergs“ geweſen ſei. Die eigentliche Erklärung, wie überhaupt <choice><sic>bie</sic><corr>die</corr></choice> Er-<lb/> klärung alles deſſen, was an Rechtsverunglimpfungen vorausgegangen<lb/> war, liegt aber wohl darin, daß in der allgemeinen Anſchauung des Volks,<lb/> an der eben <hi rendition="#g">jeder</hi> mehr oder weniger theilnahm, ein ſtändiſcher Staat</note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [372/0384]
Erlaß geheißen: „Mit Rührung haben wir die Beweiſe von
Anhänglichkeit aller Klaſſen unſerer getreuen Unterthanen an Unſere
Perſon bemerkt, inſonderheit auch die Hülfe erkannt, welche
uns, bei der Sicherſtellung der Contribution an Frankreich und
bei der Aufbringung der einſtweilen nöthigen Fonds, von unſern
getreuen Ständen mit größter Bereitwilligkeit geleiſtet
worden iſt.“ — Und nun? mit Gewaltmaßregeln hatte man ge-
glaubt, der weiteren Hülfebereitſchaft der Stände nachhelfen zu
müſſen. Die Gewalt lag vor. Viele empfanden die Unbill, die
Bitterkeit des Unrechts, aber wenige hatten den Muth, auszuſpre-
chen, was ſie fühlten. Unter dieſen wenigen ſtand Marwitz obenan.
Er war der bewußteſte und der ſelbſtſuchtsloſeſte, er konnte ener-
giſcher auftreten als andere, weil er im eigenen Herzen empfand,
daß er den Kampf nicht um äußern Vortheils, nicht um einer
„Kaſſe“ willen aufnahm, ſondern um des Rechtes willen.
Er ſtellte ſich an die Spitze der Lebuſiſchen Stände und
proteſtirte. Er bat nicht, er bettelte nicht, er betonte das ſtän-
diſche Recht. Das war dem Miniſter zu viel; er wollte das
Wort nicht hören. Je mehr er fühlen mochte, wie ſchwer der be-
gangene Rechtsbruch ſei, deſto mehr empfand er die Nothwendig-
keit, die Klage ſtumm zu machen. Einſchüchterung ſollte helfen.
Marwitz und Graf Finkenſtein, die den Proteſt abgefaßt hatten,
wurden zu „warnendem Exempel“ auf die Feſtung Spandau ge-
ſchickt. Das Kammergericht ſelbſt, als öffentlicher Ankläger auftre-
tend, verfügte die Verhaftung beider, ohne daß ein Verhör oder
eine wirkliche Gerichtsverhandlung ſtattgefunden hätte. So war
denn auch der Anruf der Gerichte den vorweg Verurtheilten ab-
geſchnitten. *)
*) Marwitz, in ſeiner Bitterkeit, erklärt dies allerdings überraſchende
Verfahren daraus, daß der Juſtizminiſter Kircheiſen eine „Creatur Har-
denbergs“ geweſen ſei. Die eigentliche Erklärung, wie überhaupt die Er-
klärung alles deſſen, was an Rechtsverunglimpfungen vorausgegangen
war, liegt aber wohl darin, daß in der allgemeinen Anſchauung des Volks,
an der eben jeder mehr oder weniger theilnahm, ein ſtändiſcher Staat
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