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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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ßen nannte, und was längst todt war, wurde an jenem Tage sicht-
lich zu den Todten geworfen. Die gesunden Elemente, so weit sie
jener Tag nicht mit begrub, retteten sich in eine neue Zeit hinüber.

Ist es nöthig zu sagen, daß Marwitz unter diesen gesunden
Elementen war? Er glaubte an die Wiedererstehung Preußens und
arbeitete daran. Die Mittel und Wege, die ihm dazu die rechten
dünkten, waren freilich völlig abweichend von dem, was in den
Augen der Neugestalter Preußens als das Richtige galt. Er konnte
und wollte sich nicht überzeugen, daß Adel und Bürgerthum als
solche, oder ihr Verhältniß zu einander, das Unglück des Landes
verschuldet haben sollten, umgekehrt erschien es ihm, als sei das
Unheil hereingebrochen, weil beide Stände ein halbes Jahrhundert
lang aufgehört hatten, ein ächter Adel, *) ein rechter Bürgerstand
zu sein. Die alten Stände des Landes sollten sich selber wieder-
finden; der Egoismus sollte ausgefegt, die Zugehörigkeit zum
Staat und das Bewußtsein davon neu geboren werden. An die
Stelle des Schlendrian und der Laxheit sollte Umsicht, Pflichtge-

*) Noch auf dem Stettinschen Landtage im Jahr 1602 hatte die
Ritterschaft feierlich geschworen, denjenigen, der sich künftig weigern werde,
richtige Schulden prompt zu bezahlen, für einen Unmann, Schelm und
Bösewicht zu halten und mit ihm weder essen noch trinken zu wollen.
Versündigung am Vaterland, Höhnung des Gottesdienstes, grobe Insolenz,
muthwilliger Bankerott sollten der ritterschaftlichen Vorrechte verlustig
machen und den Gutsbesitz auf den würdigeren Agnaten bringen. In sol-
chem wahrhaft ritterlichen Sinne hatten der pommersche und brandenbur-
gische Adel ihre Kinder meist in spartanischer Genügsamkeit für den Dienst
des Königs erzogen, und die Schlachtfelder, auf denen Preußen seine
Ebenbürtigkeit mit den großen Mächten errungen, hatten dem Stande den
ersten Rang nach dem regierenden Hause gegeben. (Pertz, Leben Steins.)
Marwitz selbst schreibt über denselben Gegenstand: "In der That hat
es niemals eine Institution gegeben, in welcher das Ritterthum ähnlicher
wieder aufgelebt wäre, als in dem Offizierstande Friedrichs des Zweiten.
Dieselbe Entsagung jedes persönlichen Vortheils, jedes Gewinnstes, jeder
Bequemlichkeit, -- ja, jeder Begehrlichkeit, wenn ihm nur die Ehre blieb;
dagegen jede Aufopferung für diese, für seinen König, für sein Vaterland,
für seine Kameraden, für die Ehre der preußischen Waffen. Im Herzen
Pflichtgefühl und Treue, für den eigenen Leib keine Sorge."
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ßen nannte, und was längſt todt war, wurde an jenem Tage ſicht-
lich zu den Todten geworfen. Die geſunden Elemente, ſo weit ſie
jener Tag nicht mit begrub, retteten ſich in eine neue Zeit hinüber.

Iſt es nöthig zu ſagen, daß Marwitz unter dieſen geſunden
Elementen war? Er glaubte an die Wiedererſtehung Preußens und
arbeitete daran. Die Mittel und Wege, die ihm dazu die rechten
dünkten, waren freilich völlig abweichend von dem, was in den
Augen der Neugeſtalter Preußens als das Richtige galt. Er konnte
und wollte ſich nicht überzeugen, daß Adel und Bürgerthum als
ſolche, oder ihr Verhältniß zu einander, das Unglück des Landes
verſchuldet haben ſollten, umgekehrt erſchien es ihm, als ſei das
Unheil hereingebrochen, weil beide Stände ein halbes Jahrhundert
lang aufgehört hatten, ein ächter Adel, *) ein rechter Bürgerſtand
zu ſein. Die alten Stände des Landes ſollten ſich ſelber wieder-
finden; der Egoismus ſollte ausgefegt, die Zugehörigkeit zum
Staat und das Bewußtſein davon neu geboren werden. An die
Stelle des Schlendrian und der Laxheit ſollte Umſicht, Pflichtge-

*) Noch auf dem Stettinſchen Landtage im Jahr 1602 hatte die
Ritterſchaft feierlich geſchworen, denjenigen, der ſich künftig weigern werde,
richtige Schulden prompt zu bezahlen, für einen Unmann, Schelm und
Böſewicht zu halten und mit ihm weder eſſen noch trinken zu wollen.
Verſündigung am Vaterland, Höhnung des Gottesdienſtes, grobe Inſolenz,
muthwilliger Bankerott ſollten der ritterſchaftlichen Vorrechte verluſtig
machen und den Gutsbeſitz auf den würdigeren Agnaten bringen. In ſol-
chem wahrhaft ritterlichen Sinne hatten der pommerſche und brandenbur-
giſche Adel ihre Kinder meiſt in ſpartaniſcher Genügſamkeit für den Dienſt
des Königs erzogen, und die Schlachtfelder, auf denen Preußen ſeine
Ebenbürtigkeit mit den großen Mächten errungen, hatten dem Stande den
erſten Rang nach dem regierenden Hauſe gegeben. (Pertz, Leben Steins.)
Marwitz ſelbſt ſchreibt über denſelben Gegenſtand: „In der That hat
es niemals eine Inſtitution gegeben, in welcher das Ritterthum ähnlicher
wieder aufgelebt wäre, als in dem Offizierſtande Friedrichs des Zweiten.
Dieſelbe Entſagung jedes perſönlichen Vortheils, jedes Gewinnſtes, jeder
Bequemlichkeit, — ja, jeder Begehrlichkeit, wenn ihm nur die Ehre blieb;
dagegen jede Aufopferung für dieſe, für ſeinen König, für ſein Vaterland,
für ſeine Kameraden, für die Ehre der preußiſchen Waffen. Im Herzen
Pflichtgefühl und Treue, für den eigenen Leib keine Sorge.“
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[369/0381] ßen nannte, und was längſt todt war, wurde an jenem Tage ſicht- lich zu den Todten geworfen. Die geſunden Elemente, ſo weit ſie jener Tag nicht mit begrub, retteten ſich in eine neue Zeit hinüber. Iſt es nöthig zu ſagen, daß Marwitz unter dieſen geſunden Elementen war? Er glaubte an die Wiedererſtehung Preußens und arbeitete daran. Die Mittel und Wege, die ihm dazu die rechten dünkten, waren freilich völlig abweichend von dem, was in den Augen der Neugeſtalter Preußens als das Richtige galt. Er konnte und wollte ſich nicht überzeugen, daß Adel und Bürgerthum als ſolche, oder ihr Verhältniß zu einander, das Unglück des Landes verſchuldet haben ſollten, umgekehrt erſchien es ihm, als ſei das Unheil hereingebrochen, weil beide Stände ein halbes Jahrhundert lang aufgehört hatten, ein ächter Adel, *) ein rechter Bürgerſtand zu ſein. Die alten Stände des Landes ſollten ſich ſelber wieder- finden; der Egoismus ſollte ausgefegt, die Zugehörigkeit zum Staat und das Bewußtſein davon neu geboren werden. An die Stelle des Schlendrian und der Laxheit ſollte Umſicht, Pflichtge- *) Noch auf dem Stettinſchen Landtage im Jahr 1602 hatte die Ritterſchaft feierlich geſchworen, denjenigen, der ſich künftig weigern werde, richtige Schulden prompt zu bezahlen, für einen Unmann, Schelm und Böſewicht zu halten und mit ihm weder eſſen noch trinken zu wollen. Verſündigung am Vaterland, Höhnung des Gottesdienſtes, grobe Inſolenz, muthwilliger Bankerott ſollten der ritterſchaftlichen Vorrechte verluſtig machen und den Gutsbeſitz auf den würdigeren Agnaten bringen. In ſol- chem wahrhaft ritterlichen Sinne hatten der pommerſche und brandenbur- giſche Adel ihre Kinder meiſt in ſpartaniſcher Genügſamkeit für den Dienſt des Königs erzogen, und die Schlachtfelder, auf denen Preußen ſeine Ebenbürtigkeit mit den großen Mächten errungen, hatten dem Stande den erſten Rang nach dem regierenden Hauſe gegeben. (Pertz, Leben Steins.) Marwitz ſelbſt ſchreibt über denſelben Gegenſtand: „In der That hat es niemals eine Inſtitution gegeben, in welcher das Ritterthum ähnlicher wieder aufgelebt wäre, als in dem Offizierſtande Friedrichs des Zweiten. Dieſelbe Entſagung jedes perſönlichen Vortheils, jedes Gewinnſtes, jeder Bequemlichkeit, — ja, jeder Begehrlichkeit, wenn ihm nur die Ehre blieb; dagegen jede Aufopferung für dieſe, für ſeinen König, für ſein Vaterland, für ſeine Kameraden, für die Ehre der preußiſchen Waffen. Im Herzen Pflichtgefühl und Treue, für den eigenen Leib keine Sorge.“ 24

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/381>, abgerufen am 25.11.2024.