Sache war einfach die, daß er seinem erschöpften, durch immer neue Kriege und neue Verwüstungen hindurchgegangenen Lande, vor allem den Frieden gönnte; jeder Krieg, auch der gebotenste und ruhmreichste, hinderte ihn am Auferbauen. Das lähmte seinen Eifer. Der protestantische Norden stand zu der Türkenfrage aller- dings anders, als der katholische Süden; ein bedrohtes Oesterreich (bedroht gleichviel von wem) erschien manchem lutherischen Herzen als gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des Protestan- tismus, aber weit über dieses Abwägen Einzelner hinaus, ging doch, als Grundstimmung, durch die ganze europäische Christen- heit das Doppelgefühl von Furcht und Haß gegen die Ungläubigen. Das siegreiche Vordringen der Türken bis vor die Thore Wiens (1683) war noch frisch im Gedächtniß und eine dunkle, im Volke fortlebende Erinnerung an die Tartarenhorden, die einst bis an die Oder hin alles verwüstet hatten, mochte, auch in den kurfürst- lichen Landen, wenigstens die Vorstellung einer möglichen Gefahr und den guten Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben. *)
Wenn dieses Gefühl schon im protestantischen Norden lebendig war, so stieg es in den katholischen Ländern Südeuropas bis zu einem Enthusiasmus, ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge gesehen hatten. Von allen Seiten strömten Freiwillige auf den Kampfplatz, besonders aus Spanien. In Wien fanden sich diese Volontärs zusammen, darunter allein sechzig Catalonier, und wurden dem Stahrembergischen Regimente als eine eigene Truppe beigegeben. Astorga, ein Spanier, führte dieses Freiwilligencorps, das später vor
*) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: "der Papst habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car- dinäle das Gebet verrichtet." Ueberall wurden Feste gefeiert (in Genua, Madrid, Brüssel etc. drei Tage lang) und der Kurfürst schrieb, "daß er die vergnügte, für die gesammte Christenheit so importante Nachricht während des Gottesdienstes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchsten für die Besiegung eines so blutdürstigen Feindes öffentlich gedankt habe." Man empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Christenthum überhaupt bedroht hatte.
Sache war einfach die, daß er ſeinem erſchöpften, durch immer neue Kriege und neue Verwüſtungen hindurchgegangenen Lande, vor allem den Frieden gönnte; jeder Krieg, auch der gebotenſte und ruhmreichſte, hinderte ihn am Auferbauen. Das lähmte ſeinen Eifer. Der proteſtantiſche Norden ſtand zu der Türkenfrage aller- dings anders, als der katholiſche Süden; ein bedrohtes Oeſterreich (bedroht gleichviel von wem) erſchien manchem lutheriſchen Herzen als gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des Proteſtan- tismus, aber weit über dieſes Abwägen Einzelner hinaus, ging doch, als Grundſtimmung, durch die ganze europäiſche Chriſten- heit das Doppelgefühl von Furcht und Haß gegen die Ungläubigen. Das ſiegreiche Vordringen der Türken bis vor die Thore Wiens (1683) war noch friſch im Gedächtniß und eine dunkle, im Volke fortlebende Erinnerung an die Tartarenhorden, die einſt bis an die Oder hin alles verwüſtet hatten, mochte, auch in den kurfürſt- lichen Landen, wenigſtens die Vorſtellung einer möglichen Gefahr und den guten Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben. *)
Wenn dieſes Gefühl ſchon im proteſtantiſchen Norden lebendig war, ſo ſtieg es in den katholiſchen Ländern Südeuropas bis zu einem Enthuſiasmus, ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge geſehen hatten. Von allen Seiten ſtrömten Freiwillige auf den Kampfplatz, beſonders aus Spanien. In Wien fanden ſich dieſe Volontärs zuſammen, darunter allein ſechzig Catalonier, und wurden dem Stahrembergiſchen Regimente als eine eigene Truppe beigegeben. Aſtorga, ein Spanier, führte dieſes Freiwilligencorps, das ſpäter vor
*) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: „der Papſt habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car- dinäle das Gebet verrichtet.“ Ueberall wurden Feſte gefeiert (in Genua, Madrid, Brüſſel ꝛc. drei Tage lang) und der Kurfürſt ſchrieb, „daß er die vergnügte, für die geſammte Chriſtenheit ſo importante Nachricht während des Gottesdienſtes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchſten für die Beſiegung eines ſo blutdürſtigen Feindes öffentlich gedankt habe.“ Man empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Chriſtenthum überhaupt bedroht hatte.
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Sache war einfach die, daß er ſeinem erſchöpften, durch immer
neue Kriege und neue Verwüſtungen hindurchgegangenen Lande,
vor allem den Frieden gönnte; jeder Krieg, auch der gebotenſte
und ruhmreichſte, hinderte ihn am Auferbauen. Das lähmte ſeinen
Eifer. Der proteſtantiſche Norden ſtand zu der Türkenfrage aller-
dings anders, als der katholiſche Süden; ein bedrohtes Oeſterreich
(bedroht gleichviel von wem) erſchien manchem lutheriſchen Herzen
als gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des Proteſtan-
tismus, aber weit über dieſes Abwägen Einzelner hinaus, ging
doch, als Grundſtimmung, durch die ganze europäiſche Chriſten-
heit das Doppelgefühl von Furcht und Haß gegen die Ungläubigen.
Das ſiegreiche Vordringen der Türken bis vor die Thore Wiens
(1683) war noch friſch im Gedächtniß und eine dunkle, im Volke
fortlebende Erinnerung an die Tartarenhorden, die einſt bis an
die Oder hin alles verwüſtet hatten, mochte, auch in den kurfürſt-
lichen Landen, wenigſtens die Vorſtellung einer möglichen Gefahr
und den guten Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben. *)
Wenn dieſes Gefühl ſchon im proteſtantiſchen Norden lebendig
war, ſo ſtieg es in den katholiſchen Ländern Südeuropas bis zu
einem Enthuſiasmus, ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge geſehen
hatten. Von allen Seiten ſtrömten Freiwillige auf den Kampfplatz,
beſonders aus Spanien. In Wien fanden ſich dieſe Volontärs
zuſammen, darunter allein ſechzig Catalonier, und wurden dem
Stahrembergiſchen Regimente als eine eigene Truppe beigegeben.
Aſtorga, ein Spanier, führte dieſes Freiwilligencorps, das ſpäter vor
*) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz
Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: „der
Papſt habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car-
dinäle das Gebet verrichtet.“ Ueberall wurden Feſte gefeiert (in Genua,
Madrid, Brüſſel ꝛc. drei Tage lang) und der Kurfürſt ſchrieb, „daß er die
vergnügte, für die geſammte Chriſtenheit ſo importante Nachricht während
des Gottesdienſtes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchſten für die
Beſiegung eines ſo blutdürſtigen Feindes öffentlich gedankt habe.“ Man
empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Chriſtenthum überhaupt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/38>, abgerufen am 23.07.2024.
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