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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Wir treten zum Schluß aus dem Forste heraus wieder an
den See, an den "Werbellin", der all dieser Umgebung, Wald,
Burg, Dorf, seinen Namen gab.

Einladend wie der See, so waren auch die Fische, die er
beherbergte. Es war ein Muränen-See, vielleicht der größte und
schönste unter allen märkischen Seen, die sich mit ihm in die
Ehre theilen, ein Muränen-See zu sein. (Muränen-Seen waren zu
Bekmanns Zeiten folgende: der Moriner, der Soldiner, der Lychener
und der Stechliner, ferner der Lindower und der Schermützel-
See. Mehrere davon, wenn nicht alle, haben inzwischen ihre Mu-
ränen verloren, ebenso wie der "Werbellin.")

Auch schon in churfürstlichen Tagen wußte man von diesem
Reichthum des Werbelliner See's, und 1565 schrieb Churfürst
Joachim an den Magistrat zu Neustadt-Eberswalde und ordnete
an: "maßen man gegen Fastelabend etzlich-vieler Fische benöthigt
wäre, so viele Muränen und Karpfen, als nur zu bekommen wä-
ren, in dem "Werbellin" fangen und mit zwei Pferden und Wa-
gen zur churfürstlichen Küche bringen zu lassen."

Mit diesen Muränen ging es noch fast dreihundert Jahre;
da, vor 10 oder 20 Jahren, nahm es plötzlich ein Ende. Der
Cormoran kam
. Der Cormoran oder schwarze Seerabe, sonst
nur in Japan und China heimisch, hatte auf seinen Wanderzügen
auch mal den baltischen Küstenstrich berührt und unter allen For-
sten und Seen, die er auf diesem seinem Zuge berührt hatte,
schien es ihm "am Werbellin" am besten gefallen zu haben, denn
hier war es, wo er sich plötzlich zu vielen, vielen Tausenden nie-
derließ. Der schöne Forst am See entlang bot prächtige Bäume
zum Horsten, und der See selbst die schönste Gelegenheit zum Fi-
schen. Nun scheint es, waren die Cormorans insonderheit auch
Feinschmecker, und statt sich mit all und jedem zu begnügen, was
ihnen in den Wurf kam, richteten sie ihr Begehr vor allem auf
die Muräne. Sie fischten nach ganz eigenthümlichen Prinzipien,
und betrieben den Raub nicht als einzelne Freibeuter (wie etwa
die Fischreiher und ähnliche auf niedrigster Stufe der Kriegskunst

Wir treten zum Schluß aus dem Forſte heraus wieder an
den See, an den „Werbellin“, der all dieſer Umgebung, Wald,
Burg, Dorf, ſeinen Namen gab.

Einladend wie der See, ſo waren auch die Fiſche, die er
beherbergte. Es war ein Muränen-See, vielleicht der größte und
ſchönſte unter allen märkiſchen Seen, die ſich mit ihm in die
Ehre theilen, ein Muränen-See zu ſein. (Muränen-Seen waren zu
Bekmanns Zeiten folgende: der Moriner, der Soldiner, der Lychener
und der Stechliner, ferner der Lindower und der Schermützel-
See. Mehrere davon, wenn nicht alle, haben inzwiſchen ihre Mu-
ränen verloren, ebenſo wie der „Werbellin.“)

Auch ſchon in churfürſtlichen Tagen wußte man von dieſem
Reichthum des Werbelliner See’s, und 1565 ſchrieb Churfürſt
Joachim an den Magiſtrat zu Neuſtadt-Eberswalde und ordnete
an: „maßen man gegen Faſtelabend etzlich-vieler Fiſche benöthigt
wäre, ſo viele Muränen und Karpfen, als nur zu bekommen wä-
ren, in dem „Werbellin“ fangen und mit zwei Pferden und Wa-
gen zur churfürſtlichen Küche bringen zu laſſen.“

Mit dieſen Muränen ging es noch faſt dreihundert Jahre;
da, vor 10 oder 20 Jahren, nahm es plötzlich ein Ende. Der
Cormoran kam
. Der Cormoran oder ſchwarze Seerabe, ſonſt
nur in Japan und China heimiſch, hatte auf ſeinen Wanderzügen
auch mal den baltiſchen Küſtenſtrich berührt und unter allen For-
ſten und Seen, die er auf dieſem ſeinem Zuge berührt hatte,
ſchien es ihm „am Werbellin“ am beſten gefallen zu haben, denn
hier war es, wo er ſich plötzlich zu vielen, vielen Tauſenden nie-
derließ. Der ſchöne Forſt am See entlang bot prächtige Bäume
zum Horſten, und der See ſelbſt die ſchönſte Gelegenheit zum Fi-
ſchen. Nun ſcheint es, waren die Cormorans inſonderheit auch
Feinſchmecker, und ſtatt ſich mit all und jedem zu begnügen, was
ihnen in den Wurf kam, richteten ſie ihr Begehr vor allem auf
die Muräne. Sie fiſchten nach ganz eigenthümlichen Prinzipien,
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[344/0356] Wir treten zum Schluß aus dem Forſte heraus wieder an den See, an den „Werbellin“, der all dieſer Umgebung, Wald, Burg, Dorf, ſeinen Namen gab. Einladend wie der See, ſo waren auch die Fiſche, die er beherbergte. Es war ein Muränen-See, vielleicht der größte und ſchönſte unter allen märkiſchen Seen, die ſich mit ihm in die Ehre theilen, ein Muränen-See zu ſein. (Muränen-Seen waren zu Bekmanns Zeiten folgende: der Moriner, der Soldiner, der Lychener und der Stechliner, ferner der Lindower und der Schermützel- See. Mehrere davon, wenn nicht alle, haben inzwiſchen ihre Mu- ränen verloren, ebenſo wie der „Werbellin.“) Auch ſchon in churfürſtlichen Tagen wußte man von dieſem Reichthum des Werbelliner See’s, und 1565 ſchrieb Churfürſt Joachim an den Magiſtrat zu Neuſtadt-Eberswalde und ordnete an: „maßen man gegen Faſtelabend etzlich-vieler Fiſche benöthigt wäre, ſo viele Muränen und Karpfen, als nur zu bekommen wä- ren, in dem „Werbellin“ fangen und mit zwei Pferden und Wa- gen zur churfürſtlichen Küche bringen zu laſſen.“ Mit dieſen Muränen ging es noch faſt dreihundert Jahre; da, vor 10 oder 20 Jahren, nahm es plötzlich ein Ende. Der Cormoran kam. Der Cormoran oder ſchwarze Seerabe, ſonſt nur in Japan und China heimiſch, hatte auf ſeinen Wanderzügen auch mal den baltiſchen Küſtenſtrich berührt und unter allen For- ſten und Seen, die er auf dieſem ſeinem Zuge berührt hatte, ſchien es ihm „am Werbellin“ am beſten gefallen zu haben, denn hier war es, wo er ſich plötzlich zu vielen, vielen Tauſenden nie- derließ. Der ſchöne Forſt am See entlang bot prächtige Bäume zum Horſten, und der See ſelbſt die ſchönſte Gelegenheit zum Fi- ſchen. Nun ſcheint es, waren die Cormorans inſonderheit auch Feinſchmecker, und ſtatt ſich mit all und jedem zu begnügen, was ihnen in den Wurf kam, richteten ſie ihr Begehr vor allem auf die Muräne. Sie fiſchten nach ganz eigenthümlichen Prinzipien, und betrieben den Raub nicht als einzelne Freibeuter (wie etwa die Fiſchreiher und ähnliche auf niedrigſter Stufe der Kriegskunſt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/356>, abgerufen am 22.11.2024.