Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Also etwa:

Der Herr schütze und bewahre uns. Psalm 126. (muß
heißen: Psalm 127.) "Wo der Herr nicht das Haus bauet,
so arbeiten umsonst, die dran bauen." Anno 1565 haben
die Brüder Arend und Christoph von Sparr dies Haus
zu bauen angefangen; Anno 1567 haben sie es durch die
Gnade Gottes und unsres Heilands Jesu Christi beendigt
und zwar unter Leitung Joachims von Roncha aus Ma-
nilia in Italien. Ruhm dem alleinigen Gott. Erneuert
Anno 1580.

Diese Inschrift, wiewohl bis diesen Tag ganz deutlich zu
lesen (weil aufgefrischt), hat zwei schwache Punkte, einmal den
Namen und Geburtsort des italienischen Baumeisters, dann die
Renovirungs-Jahreszahl 1580. Es ist mindestens ungewöhnlich,
daß ein überaus solide aufgeführter Schloßbau nach 13 Jahren
schon wieder renovirt wird. Dies ist indeß unwichtiger. Wichtiger
ist die Frage: wer war dieser Joachim von Roncha aus Manilia
in Italien? giebt es ein Manilia, giebt es einen Roncha? oder ist
alles Irrthum und Unsinn von Anfang bis Ende? von Moerner
hat folgende Lesart vorgeschlagen: per Fra. Chiaramellum (de
Gandino) ex Italia de Venetia;
wobei er sich auf die That-
sache beruft, daß es einen Joachim von Roncha niemals gab, wohl
aber einen Francesco Chiaramelo oder Chiaramelli (da Gan-
dino),
der von 1562--65 die Festung Spandow zu bauen begann.

Diese Moernersche Interpretation ist außerordentlich scharf-
sinnig und leicht möglicherweise zutreffend; wir lassen sie indessen
auf sich beruhen und treten mittlerweile in den Schloßbau sel-
ber ein.

Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund und
Majordomus des Hauses, der in Abwesenheit des Besitzers die
Repräsentation auf sich genommen hat. Wir nennen ihm unsre
Namen, er zieht sein Käpsel und mit dem plauder-gemüthlichsten
Cicerone-Ton von der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug
von Humor und Satyre, beginnt er nunmehr: "Sie werden hier

Alſo etwa:

Der Herr ſchütze und bewahre uns. Pſalm 126. (muß
heißen: Pſalm 127.) „Wo der Herr nicht das Haus bauet,
ſo arbeiten umſonſt, die dran bauen.“ Anno 1565 haben
die Brüder Arend und Chriſtoph von Sparr dies Haus
zu bauen angefangen; Anno 1567 haben ſie es durch die
Gnade Gottes und unſres Heilands Jeſu Chriſti beendigt
und zwar unter Leitung Joachims von Roncha aus Ma-
nilia in Italien. Ruhm dem alleinigen Gott. Erneuert
Anno 1580.

Dieſe Inſchrift, wiewohl bis dieſen Tag ganz deutlich zu
leſen (weil aufgefriſcht), hat zwei ſchwache Punkte, einmal den
Namen und Geburtsort des italieniſchen Baumeiſters, dann die
Renovirungs-Jahreszahl 1580. Es iſt mindeſtens ungewöhnlich,
daß ein überaus ſolide aufgeführter Schloßbau nach 13 Jahren
ſchon wieder renovirt wird. Dies iſt indeß unwichtiger. Wichtiger
iſt die Frage: wer war dieſer Joachim von Roncha aus Manilia
in Italien? giebt es ein Manilia, giebt es einen Roncha? oder iſt
alles Irrthum und Unſinn von Anfang bis Ende? von Moerner
hat folgende Lesart vorgeſchlagen: per Fra. Chiaramellum (de
Gandino) ex Italia de Venetia;
wobei er ſich auf die That-
ſache beruft, daß es einen Joachim von Roncha niemals gab, wohl
aber einen Francesco Chiaramelo oder Chiaramelli (da Gan-
dino),
der von 1562—65 die Feſtung Spandow zu bauen begann.

Dieſe Moernerſche Interpretation iſt außerordentlich ſcharf-
ſinnig und leicht möglicherweiſe zutreffend; wir laſſen ſie indeſſen
auf ſich beruhen und treten mittlerweile in den Schloßbau ſel-
ber ein.

Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund und
Majordomus des Hauſes, der in Abweſenheit des Beſitzers die
Repräſentation auf ſich genommen hat. Wir nennen ihm unſre
Namen, er zieht ſein Käpſel und mit dem plauder-gemüthlichſten
Cicerone-Ton von der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug
von Humor und Satyre, beginnt er nunmehr: „Sie werden hier

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0344" n="332"/>
        <p>Al&#x017F;o etwa:</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Der Herr &#x017F;chütze und bewahre uns. P&#x017F;alm 126. (muß<lb/>
heißen: P&#x017F;alm 127.) &#x201E;Wo der Herr nicht das Haus bauet,<lb/>
&#x017F;o arbeiten um&#x017F;on&#x017F;t, die dran bauen.&#x201C; Anno 1565 haben<lb/>
die Brüder Arend und Chri&#x017F;toph von Sparr dies Haus<lb/>
zu bauen angefangen; Anno 1567 haben &#x017F;ie es durch die<lb/>
Gnade Gottes und un&#x017F;res Heilands Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti beendigt<lb/>
und zwar unter Leitung Joachims von Roncha aus Ma-<lb/>
nilia in Italien. Ruhm dem alleinigen Gott. Erneuert<lb/>
Anno 1580.</hi> </p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e In&#x017F;chrift, wiewohl bis die&#x017F;en Tag ganz deutlich zu<lb/>
le&#x017F;en (weil aufgefri&#x017F;cht), hat zwei &#x017F;chwache Punkte, einmal den<lb/>
Namen und Geburtsort des italieni&#x017F;chen Baumei&#x017F;ters, dann die<lb/>
Renovirungs-Jahreszahl 1580. Es i&#x017F;t minde&#x017F;tens ungewöhnlich,<lb/>
daß ein überaus &#x017F;olide aufgeführter Schloßbau nach 13 Jahren<lb/>
&#x017F;chon wieder renovirt wird. Dies i&#x017F;t indeß unwichtiger. Wichtiger<lb/>
i&#x017F;t die Frage: wer war die&#x017F;er Joachim von Roncha aus <hi rendition="#g">Manilia</hi><lb/>
in Italien? giebt es ein Manilia, giebt es einen Roncha? oder i&#x017F;t<lb/>
alles Irrthum und Un&#x017F;inn von Anfang bis Ende? von Moerner<lb/>
hat folgende Lesart vorge&#x017F;chlagen: <hi rendition="#aq">per Fra. Chiaramellum (de<lb/>
Gandino) ex Italia de Venetia;</hi> wobei er &#x017F;ich auf die That-<lb/>
&#x017F;ache beruft, daß es einen Joachim von Roncha niemals gab, wohl<lb/>
aber einen <hi rendition="#aq">Francesco Chiaramelo</hi> oder <hi rendition="#aq">Chiaramelli (da Gan-<lb/>
dino),</hi> der von 1562&#x2014;65 die Fe&#x017F;tung Spandow zu bauen begann.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Moerner&#x017F;che Interpretation i&#x017F;t außerordentlich &#x017F;charf-<lb/>
&#x017F;innig und leicht möglicherwei&#x017F;e zutreffend; wir la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
auf &#x017F;ich beruhen und treten mittlerweile in den Schloßbau &#x017F;el-<lb/>
ber ein.</p><lb/>
        <p>Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund und<lb/>
Majordomus des Hau&#x017F;es, der in Abwe&#x017F;enheit des Be&#x017F;itzers die<lb/>
Reprä&#x017F;entation auf &#x017F;ich genommen hat. Wir nennen ihm un&#x017F;re<lb/>
Namen, er zieht &#x017F;ein Käp&#x017F;el und mit dem plauder-gemüthlich&#x017F;ten<lb/>
Cicerone-Ton von der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug<lb/>
von Humor und Satyre, beginnt er nunmehr: &#x201E;Sie werden hier<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0344] Alſo etwa: Der Herr ſchütze und bewahre uns. Pſalm 126. (muß heißen: Pſalm 127.) „Wo der Herr nicht das Haus bauet, ſo arbeiten umſonſt, die dran bauen.“ Anno 1565 haben die Brüder Arend und Chriſtoph von Sparr dies Haus zu bauen angefangen; Anno 1567 haben ſie es durch die Gnade Gottes und unſres Heilands Jeſu Chriſti beendigt und zwar unter Leitung Joachims von Roncha aus Ma- nilia in Italien. Ruhm dem alleinigen Gott. Erneuert Anno 1580. Dieſe Inſchrift, wiewohl bis dieſen Tag ganz deutlich zu leſen (weil aufgefriſcht), hat zwei ſchwache Punkte, einmal den Namen und Geburtsort des italieniſchen Baumeiſters, dann die Renovirungs-Jahreszahl 1580. Es iſt mindeſtens ungewöhnlich, daß ein überaus ſolide aufgeführter Schloßbau nach 13 Jahren ſchon wieder renovirt wird. Dies iſt indeß unwichtiger. Wichtiger iſt die Frage: wer war dieſer Joachim von Roncha aus Manilia in Italien? giebt es ein Manilia, giebt es einen Roncha? oder iſt alles Irrthum und Unſinn von Anfang bis Ende? von Moerner hat folgende Lesart vorgeſchlagen: per Fra. Chiaramellum (de Gandino) ex Italia de Venetia; wobei er ſich auf die That- ſache beruft, daß es einen Joachim von Roncha niemals gab, wohl aber einen Francesco Chiaramelo oder Chiaramelli (da Gan- dino), der von 1562—65 die Feſtung Spandow zu bauen begann. Dieſe Moernerſche Interpretation iſt außerordentlich ſcharf- ſinnig und leicht möglicherweiſe zutreffend; wir laſſen ſie indeſſen auf ſich beruhen und treten mittlerweile in den Schloßbau ſel- ber ein. Im Vorflur empfängt uns ein alter Herr, der Freund und Majordomus des Hauſes, der in Abweſenheit des Beſitzers die Repräſentation auf ſich genommen hat. Wir nennen ihm unſre Namen, er zieht ſein Käpſel und mit dem plauder-gemüthlichſten Cicerone-Ton von der Welt, nicht ohne liebenswürdigen Anflug von Humor und Satyre, beginnt er nunmehr: „Sie werden hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/344
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/344>, abgerufen am 22.11.2024.