nerung der Freienwalder lebendig; nicht so die Namen und Schick- sale derer, die diesen beiden letzten des Geschlechts, durch zwei Jahrhunderte hin, vorausgegangen waren. Sie waren todt in der Erinnerung der Nachwelt.
Die Urkunden-Sammlungen indeß, die seitdem unter Be- nutzung der verschiedensten Archive veröffentlicht worden sind, ha- ben uns neuerdings in den Stand gesetzt, die Schicksale der Fa- milie mindestens bis zum Jahre 1414, also etwa bis zum Ein- treffen der Hohenzollern in diesen Landen, zurück verfolgen zu können. Wir vermögen mit Hülfe dieser urkundlichen Ueberliefe- rungen herabzusteigen von Vater auf Sohn, und wieder hinanzu- steigen von Sohn auf Vater; wir befinden uns wie auf einer bequemen Treppe, die uns mühelos den Verkehr zwischen oben und unten, zwischen Anfang und Ende gestattet. Wir verdanken diesen Urkunden außerdem werthvolle Mittheilungen von kultur- historischem Interesse; aber was wir denselben leider nicht zu dan- ken haben, das ist die Aufzeichnung, die Ueberlieferung einer wirk- lichen That der Uchtenhagens, einer That, die entweder voll historischer Wichtigkeit damals eingegriffen hätte in die Geschicke des Landes, oder voll eines gewissen poetischen Gehaltes im Stande wäre, noch jetzt unsre Herzen zu berühren. Wir begegnen ihnen weder in Costnitz, noch in Worms; wir sehen sie weder unter Friedrich dem Eisernen vor Bernau, noch zu Joachim Hektors Zeiten bei Mühlberg; wir sehen sie weder gegen die Hussiten, noch gegen die Türken im Felde, und dürfen eben nur annehmen (eine einzige Urkunde von 1599, ein "Aufruf zum Heerdienst" deutet sogar darauf hin), daß sie nirgends gefehlt haben werden, wo es galt, dem Rufe des Kurfürsten zu folgen oder für die Ehre des Landes einzustehen.
Aber wenn diese urkundlichen Ueberlieferungen, nach der Seite der wirklich historischen That hin, wenig oder auch das kaum bieten, so belehren sie uns doch über die Besitzverhältnisse der Familie, und zeigen uns diese letztere in ihren Beziehungen zu ihren Lehnsmännern, Burgleuten und Hintersassen, oder wenn
nerung der Freienwalder lebendig; nicht ſo die Namen und Schick- ſale derer, die dieſen beiden letzten des Geſchlechts, durch zwei Jahrhunderte hin, vorausgegangen waren. Sie waren todt in der Erinnerung der Nachwelt.
Die Urkunden-Sammlungen indeß, die ſeitdem unter Be- nutzung der verſchiedenſten Archive veröffentlicht worden ſind, ha- ben uns neuerdings in den Stand geſetzt, die Schickſale der Fa- milie mindeſtens bis zum Jahre 1414, alſo etwa bis zum Ein- treffen der Hohenzollern in dieſen Landen, zurück verfolgen zu können. Wir vermögen mit Hülfe dieſer urkundlichen Ueberliefe- rungen herabzuſteigen von Vater auf Sohn, und wieder hinanzu- ſteigen von Sohn auf Vater; wir befinden uns wie auf einer bequemen Treppe, die uns mühelos den Verkehr zwiſchen oben und unten, zwiſchen Anfang und Ende geſtattet. Wir verdanken dieſen Urkunden außerdem werthvolle Mittheilungen von kultur- hiſtoriſchem Intereſſe; aber was wir denſelben leider nicht zu dan- ken haben, das iſt die Aufzeichnung, die Ueberlieferung einer wirk- lichen That der Uchtenhagens, einer That, die entweder voll hiſtoriſcher Wichtigkeit damals eingegriffen hätte in die Geſchicke des Landes, oder voll eines gewiſſen poetiſchen Gehaltes im Stande wäre, noch jetzt unſre Herzen zu berühren. Wir begegnen ihnen weder in Coſtnitz, noch in Worms; wir ſehen ſie weder unter Friedrich dem Eiſernen vor Bernau, noch zu Joachim Hektors Zeiten bei Mühlberg; wir ſehen ſie weder gegen die Huſſiten, noch gegen die Türken im Felde, und dürfen eben nur annehmen (eine einzige Urkunde von 1599, ein „Aufruf zum Heerdienſt“ deutet ſogar darauf hin), daß ſie nirgends gefehlt haben werden, wo es galt, dem Rufe des Kurfürſten zu folgen oder für die Ehre des Landes einzuſtehen.
Aber wenn dieſe urkundlichen Ueberlieferungen, nach der Seite der wirklich hiſtoriſchen That hin, wenig oder auch das kaum bieten, ſo belehren ſie uns doch über die Beſitzverhältniſſe der Familie, und zeigen uns dieſe letztere in ihren Beziehungen zu ihren Lehnsmännern, Burgleuten und Hinterſaſſen, oder wenn
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nerung der Freienwalder lebendig; nicht ſo die Namen und Schick-
ſale derer, die dieſen beiden letzten des Geſchlechts, durch zwei
Jahrhunderte hin, vorausgegangen waren. Sie waren todt in der
Erinnerung der Nachwelt.
Die Urkunden-Sammlungen indeß, die ſeitdem unter Be-
nutzung der verſchiedenſten Archive veröffentlicht worden ſind, ha-
ben uns neuerdings in den Stand geſetzt, die Schickſale der Fa-
milie mindeſtens bis zum Jahre 1414, alſo etwa bis zum Ein-
treffen der Hohenzollern in dieſen Landen, zurück verfolgen zu
können. Wir vermögen mit Hülfe dieſer urkundlichen Ueberliefe-
rungen herabzuſteigen von Vater auf Sohn, und wieder hinanzu-
ſteigen von Sohn auf Vater; wir befinden uns wie auf einer
bequemen Treppe, die uns mühelos den Verkehr zwiſchen oben
und unten, zwiſchen Anfang und Ende geſtattet. Wir verdanken
dieſen Urkunden außerdem werthvolle Mittheilungen von kultur-
hiſtoriſchem Intereſſe; aber was wir denſelben leider nicht zu dan-
ken haben, das iſt die Aufzeichnung, die Ueberlieferung einer wirk-
lichen That der Uchtenhagens, einer That, die entweder voll
hiſtoriſcher Wichtigkeit damals eingegriffen hätte in die Geſchicke
des Landes, oder voll eines gewiſſen poetiſchen Gehaltes im Stande
wäre, noch jetzt unſre Herzen zu berühren. Wir begegnen ihnen
weder in Coſtnitz, noch in Worms; wir ſehen ſie weder unter
Friedrich dem Eiſernen vor Bernau, noch zu Joachim Hektors
Zeiten bei Mühlberg; wir ſehen ſie weder gegen die Huſſiten, noch
gegen die Türken im Felde, und dürfen eben nur annehmen
(eine einzige Urkunde von 1599, ein „Aufruf zum Heerdienſt“
deutet ſogar darauf hin), daß ſie nirgends gefehlt haben werden,
wo es galt, dem Rufe des Kurfürſten zu folgen oder für die
Ehre des Landes einzuſtehen.
Aber wenn dieſe urkundlichen Ueberlieferungen, nach der
Seite der wirklich hiſtoriſchen That hin, wenig oder auch das
kaum bieten, ſo belehren ſie uns doch über die Beſitzverhältniſſe
der Familie, und zeigen uns dieſe letztere in ihren Beziehungen zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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